Im Bereich der Gewerbeimmobilien fällt die Notwendigkeit zum Renovieren und energetisch Sanieren sehr schnell auf. Es gibt zu viele alte Gebäude, die nicht nachhaltig betrieben werden können. Die Procimmo SA strebt einen Anteil von 40 Prozent an alternativen Energien bis 2030 im Portfolio an, wie CEO Arno Kneubühler betont.

Die Sanierungsquote in der Schweiz ist tief: Aktuell liegt sie bei nur rund einem Prozent jährlich. Es würde also 100 Jahre dauern, bis in der Schweiz alle Gebäude einen langfristig nachhaltigen Standard erreicht hätten. Wie kann der Sanierungsstau gelöst werden?

Arno Kneubühler: Insbesondere bei Wohnbauten sind Sanierungen oft Verlustgeschäfte. Das Mietrecht blockiert häufig moderate Mietzinserhöhungen, um Investitionen rentabel zu gestalten. Zudem verhindert die Bauordnung in vielen Fällen die Verdichtung. Gesamtsanierungen mit Aufstockungen für zusätzlichen Wohnraum haben einen doppelt positiven Effekt. Sie helfen gegen die Wohnungsknappheit und machen die Investition rentabel. Der Hebel den Sanierungsstau zu lösen, liegt bei den Gesetzgebern.

Procimmo legt grossen Wert auf die Kriterien nach ESG und veröffentlicht einen Nachhaltigkeitsbericht mit vielen Details. Während früher Nachhaltigkeits-Prinzipien bei einem Anlageentscheid weniger in Erwägung gezogen wurden, so sind heute die ESG-Anforderungen nicht mehr wegzudenken. Wie können sich die Investoren überhaupt noch orientieren im Kontext der Nachhaltigkeit?

Es ist tatsächlich ein ziemlich grosses Durcheinander. Verschiedene Initiativen wie REMMS oder SSREI, aber auch die FINMA versuchen Ordnung zu schaffen. Es geht sehr viel am Markt und ich denke, in zwei bis drei Jahren werden sich Standards durchsetzen, welche mit vergleichbaren Indikatoren den Investoren eine klare Sicht geben. Im Moment ist ein grosser Schwerpunkt bei der Analyse des Verbrauchs, beispielsweise CO2 oder Megajoules pro Quadratmeter, vielfach undifferenziert ob Wohn- oder Kommerzliegenschaft und unabhängig ob Alt- oder Neubau. Das greift natürlich zu kurz, da auch die graue Energie wichtig ist. Es soll ja verhindert werden, dass Investoren Immobilien mit schlechten Energieträgern veräussern und neue Immobilien bauen. Das löst die Probleme nicht. Der Bestand muss zwingend saniert werden, um die Ziele zu erreichen.

Procimmo will sich in der Schweiz als bedeutender Real Estate Asset Manager positionieren, welcher die nachhaltige Stromproduktion (Solarpanels) vorantreibt und einen Anteil von 40 Prozent an alternativen Energien bis 2030 anstrebt. Wie weit ist Procimmo auf diesem Weg?

Wir sind gut unterwegs. Wir haben einen klaren Plan für die nächsten Jahre und setzen diesen um. Wir wechseln jedes Jahr durchschnittlich ca. zehn Heizungen aus und investieren über 100 Millionen Franken in Entwicklungen und Sanierungen jedes Jahr. Damit wir das Ziel erreichen, müssen auch unsere Partner, wie Fernwärmeverbände ihr Versprechen halten, und die Energieträger umstellen.

Laut Nachhaltigkeitsbericht strebt Procimmo eine durchschnittliche Senkung der energiebezogenen CO2-Emissionen um 40 Prozent pro Quadratmeter bis 2030 im Vergleich zu 2020 an. Ist dieses Ziel realistisch? 

Das Ziel ist realistisch und wir sind auf gutem Weg.

Die Ebenen «S» und «G» von ESG werden immer wieder kontrovers diskutiert, vor allem im Vergleich mit «Environment». Wie gewichten Sie «Social» und «Governance»?

Tatsächlich liegt die Aufmerksamkeit sehr stark auf der Umwelt. Die beiden anderen Faktoren sind jedoch auch sehr wichtig. Als FINMA reguliertes Unternehmen liegt die Governance in unserer DNA. Tiefe Mieten für unsere Mieter ist in unserem Businessmodell, was auch eine soziale Komponente hat. Das stellt zudem sicher, dass auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Nachfrage nach Flächen stabil bleibt und die Unternehmen die Mieten bezahlen können. Im Unternehmen achten wir auf Lohngleichheit und Diversität.

Investitionen in Nachhaltigkeit müssen sich rechnen. Besteht eine Zahlungsbereitschaft bei der Mieterschaft für höhere Mieten, um in einem nachhaltig gebauten oder sanierten Gebäude zu wohnen oder zu arbeiten?

Bei nachhaltigen Gebäuden sehe ich das eher nicht. Sanierte Immobilien können jedoch höher Wohnungsmieten erzielen, wenn es dann die Gesetze zulassen. Bei gewerblichen Liegenschaften kommt es stark auf die Nutzung an.

Die Leerstände bei den Büro- und Gewerbeimmobilien nehmen zu. Homeoffice hat sich etabliert. Wie stark ist Procimmo von dieser Tendenz betroffen?

Produktionsstandorte kann man nicht gut ins Homeoffice verlegen. Deshalb sind wir nicht davon betroffen. Unsere Büroflächen sind immer mit einer gewerblichen Nutzung verbunden. Im Gegenteil. Die Nachfrage an Lager- und Logistikflächen ist in den letzten Jahren stark gestiegen.

Ein Bild begegnet uns bei einer Fahrt durch die Schweiz immer wieder: schlecht geplante und hässliche Gewerbe- und Industriezonen sowie Büroquartiere, die anonym und teilweise abweisend wirken. Sollte sich die Raumplanung vermehrt mit diesen Zonen auseinandersetzen?

Unbedingt. In vielen Gemeinden und Kantonen fehlt es an klaren Visionen und Strategien. Die Raumplanung nimmt ihre Strategische Rolle viel zu wenig wahr und ist vielfach zu technokratisch aufgestellt. Eine verpasste Chance, da sehr viel Geld investiert wird und Quartiere komplett verändert und weiterentwickelt werden könnten. Mehr Mut täte hier sehr gut.

Arno Kneubühler ist CEO der Procimmo SA.

Vor allem im Gewerbebereich tätig: Die Procimmo SA verwaltet derzeit rund CHF 4.0 Mrd. Immobilienvermögen, verteilt auf sechs Fonds: Procimmo Real Estate SICAV, Procimmo Swiss Commercial Fund II, Immobilier-CH pour Institutionnels 56j, Procimmo Swiss Commercial Fund 56, Procimmo Residential Lemanic Fund und Streetbox Real Estate Fund. Die meisten Fonds investieren rund zwei Drittel ihres Vermögens in Gewerbe-, Industrie- und Logistikimmobilien.