Die Weltbühne wird derzeit von zunehmenden geopolitischen Konfrontationen und wachsenden Unsicherheiten geprägt, die sich zunehmend auf die Finanzmärkte auswirken, Inflationsbedenken auslösen und den geldpolitischen Kurs gefährden. Unter diesen Umständen zeigen sich die Schweizer Marktzinsen jedoch vorerst stabil. Die Inflationsrate im März war im Jahresvergleich um 1.04% höher und blieb im Vergleich zum Vormonat unverändert. Damit setzt sich der Abwärtstrend fort. Infolgedessen liegt die Inflationsrate im ersten Quartal erneut unter der Erwartung der SNB, die eine bedingte Inflationsprognose von 1.20% formuliert hatte.

Trotz des fortgesetzten Inflationstrends und des Zinsschritts im März bleiben die Marktzinsen im mittleren und langfristigen Segment auf dem gleichen Niveau wie im letzten Monat und liegen sogar deutlich über dem Stand zu Jahresbeginn. Die Erwartung eines Rückgangs der festen Marktzinsen hat sich nach der ersten Leitzinssenkung noch nicht materialisiert, wobei sich die Gründe dafür unterschiedlich interpretieren lassen.

Die Marktteilnehmer haben ihre Erwartung, dass der SARON-Satz zum Jahresende nahe 1.00% liegen wird, seit dem letzten geldpolitischen Entscheid unverändert gelassen. Zudem zeigt die kurzfristig erwartete einjährige Zinsvolatilität einen anhaltenden Abwärtstrend, was die einheitliche Überzeugung zur Geldpolitik am Markt widerspiegelt. Demzufolge signalisiert auch das aktuelle Niveau der Zinskurve keine veränderten Erwartungen an die Geldpolitik in der kurzen Frist. Tatsächlich ist fast ein vollständiger Zinsschritt für Juni bereits eingepreist, was sich ebenfalls am kurzen Segment der Zinskurve zeigt. Die Kurve liegt im unterjährigen bis zweijährigen Bereich tiefer als im Vormonat.

Der Anstieg beziehungsweise das Verharren im längerfristigen Segment der Zinskurve ist primär auf eine gestiegene Unsicherheit für kurzfristige Schocks mit nachhaltigen Negativeffekten zurückzuführen. Dies wird durch die erhöhte implizierte Zinsvolatilität für längere Laufzeiten sichtbar. Diese Risikoprämien lassen sich auf eine Reihe von Faktoren zurückführen; darunter die sinkende Wahrscheinlichkeit von Zinssenkungen durch die Fed für dieses Jahr, steigende Ölpreise und erhöhte Inflationsrisiken infolge geopolitischer Spannungen sowie die allgemeine Unsicherheit hin- sichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung.

Angesichts der komplexen geopolitischen, geldpolitischen und wirtschaftlichen Lage, deren Auswirkungen schwer zu prognostizieren sind, kann es in Anbetracht der individuellen Umstände sinnvoll sein, sich für Finanzierungen mit kurzen Festlaufzeiten zu entscheiden. Diese Strategie ermöglicht es, von den bereits eingepreisten Zinsschritten zu profitieren und die Phase der bestehenden Unsicherheit zu überbrücken, ohne sich schwer kalkulierbaren Risiken auszusetzen.

Wir erwarten weiterhin, dass die SNB den Leitzins im Juni erneut um 25 Bps senken wird. Je nach Inflationsentwicklung und der realen Entwicklung des Schweizer Frankens ist eine Senkung um 50 Bps nicht auszuschliessen. Bis Jahresende erachten wir einen Leitzins von 1.00% als realistisch.

Burak Er ist Head Research bei der Avobis Group AG