Der Investitionsappetit der Anleger ist zurückgekehrt. Der Anstieg der Aktienmärkte und der Rückgang der langfristigen Zinsen in den letzten zwölf Monaten haben dazu beigetragen, sagt Adrian Murer, CEO der Swiss Finance & Property Gruppe. Der Markt werde jedoch voraussichtlich nicht die gleichen hohen Volumina wie in den Jahren, als die Zinsen extrem tief oder negativ waren, absorbieren können.

Das deutlich schwierigere wirtschaftliche Umfeld hat Auswirkungen auf die Immobilienmärkte in der Schweiz. Vor allem die Büromärkte in der Peripherie leiden. Wird das zu weiteren Bewertungsverlusten führen?

Adrian Murer: Der Büromarkt konzentriert sich seit einigen Jahren zusehends auf erstklassige Lagen mit einer vorzüglichen Verkehrsanbindung. Seit der Covid-Pandemie werden zudem vermehrt die Belegungskonzepte und Quoten geprüft, was die Flächennachfrage dämpft. Eine Erholung der Nachfrage für periphere Lagen ist nicht absehbar und Bewertungskorrekturen – vor allem für schlechter erschlossene Büroliegenschaften – sind gut möglich.

Nach der teilweisen Erholung bei den Immobilienfonds denken einige Asset Manager bereits wieder an Kapitalerhöhungen. Als wie nachhaltig betrachten Sie diese?

Es ist richtig, dass die Agios mit durchschnittlich knapp 20 Prozent wieder leicht über dem langfristigen Durchschnitt liegen, was einem Anstieg von über 10 Prozent in den letzten Monaten entspricht. Allerdings befinden sich einige Produkte immer noch im Disagio – somit bleibt der Kapitalmarkt für sie verschlossen. Generell ist der Investitionsappetit der Anleger jedoch teilweise zurückgekehrt. Der Anstieg der Aktienmärkte und der Rückgang der langfristigen Zinsen in den letzten zwölf Monaten haben dazu beigetragen. Es ist daher zu erwarten, dass im Laufe des Jahres eine Reihe von Kapitalerhöhungen möglich sein werden. Der Markt wird jedoch voraussichtlich nicht die gleichen hohen Volumina wie in den Jahren, als die Zinsen extrem tief oder negativ waren, absorbieren können. Zu viele Kapitalerhöhungen der Immobilienfonds würden somit die weitere Erholung der Kurse auf alle Fälle trüben.

Die Vorgaben betreffend den Nachhaltigkeitsstandards bei Anlageprodukten wurden in den letzten beiden Jahren deutlich verschärft. Wie sind die Reaktionen des Marktes und der Investoren auf diese neuen Regulatorien?

 Man kann die «Verschärfung» auch als Erleichterung sehen. Dank einheitlichen Kennzahlen, welche durch die methodischen Grundlagen von REIDA verfeinert wurden, können sich die Anbieter von Anlagelösungen nun auf die Umsetzung konzentrieren. Jetzt gilt es, weitere Anbieter in allen Landesteilen ebenfalls noch stärker in diese Vereinheitlichung einzubinden. Diese Umsetzung soll zeitnah erfolgen. Wir erwarten ungeduldig auf vernünftige und vergleichbare Kennzahlen.

Werden aus Ihrer Sicht die Aspekte zum Sozialen und zur Unternehmensführung von ESG genügend berücksichtigt?

 Diese Aspekte geniessen durchaus hohe Aufmerksamkeit. Im Vergleich zu «Umwelt» werden sie jedoch noch nicht in allgemeingültig definierten Zielen abgebildet. Weder die EU noch die Schweiz haben sich bislang an eine solche Definition gewagt. Diese Betrachtungsweisen stehen daher auch weniger im allgemeinen Fokus, meiner Meinung aufgrund der Höhe des CO2-Ausstosses der Branche auch zu Recht. Dennoch, Gebäude werden für die unterschiedlichsten Nutzungsbedürfnisse erstellt und individuelle Nutzer und die Gesellschaft haben wohl noch nie zuvor so stark Einfluss auf die Gestaltung unserer Lebensräume genommen. Eine sorgfältige Unternehmensführung ist zudem ohnehin unabdingbar.

Blicken wir noch kurz in die Zukunft: Die Schweizer Bevölkerung wächst nicht nur, sie altert vor allem auch. Was für Wohnraum werden wir künftig brauchen?

In einer stark individualisierten Gesellschaft braucht es auch zukünftig ein vielfältiges Angebot an Wohnraum. Mit der demografischen Entwicklung werden die Ansprüche an Mobilitätsmöglichkeiten und Austausch, aber auch an Service-Dienstleistungen, weiter steigen. Unter Mobilität verstehe ich nicht bloss eine gute Verkehrsinfrastruktur, sondern auch die Möglichkeit, den Wohnraum flexibel an die sich ändernden Raumbedürfnisse anzupassen.

Also sollte eine gesunde Mischung zwischen Wohn-, Geschäfts- und Spezialnutzungen weiterhinBerücksichtigung finden?

 Ja. Hinzu kommt, dass sich die Grenzen zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit noch stärker aufweichen werden. Eine gesunde Mischung und ein diversifiziertes Angebot werden daher auch zukünftig ausschlaggebend sein, um als Immobiliengesellschaft erfolgreich zu sein. Wohnformen werden sich weiterentwickeln. Während wir im letzten Jahrzehnt stark auf Betreutes Wohnen und Wohnen mit einem «Auffangnetz für Pflege» gesetzt haben, wird es zukünftig auch darum gehen, Lebens- und Wohnräume für Alt und Jung zu kombinieren, das Servicespektrum zu erweitern und effiziente Wohnkonzepte in Städten anzubieten.

Einerseits hemmen Regulierungen, Lärmschutzvorgaben und immer länger werdende Bewilligungszeiten mit Einsprachemöglichkeiten die Produktion an Wohnungen. Andererseits hat klar auch die konjunkturelle Lage mit erhöhter Inflation oder steigenden Zinsen einen Einfluss auf die Bautätigkeit. Wo können wir noch bauen?

Es scheint erkannt, dass die überhöhte Regulierung eine Verdichtung oft verunmöglicht. Allerdings sehe ich wenig Deregulierungstendenzen. Die aktuelle Wohnungsnot wird uns noch eine Weile beschäftigen. Verdichtung scheint für viele generell gut, aber nur nicht da, wo man selbst wohnt. Die Schweiz wächst somit dort, wo Platz ist – das sind die Agglomerationen. Dort ist die Anzahl an Vorschriften und Einsprachen oft auch geringer als in den Städten.

Nicht nur das Bauen per se wird aufwändiger, sondern immer mehr auch die Vorarbeit. Die Evaluation von Bauvorhaben nimmt bedeutend mehr Ressourcen in Anspruch. Wie lässt sich dieses Risiko einpreisen?

Wir sind aufgefordert, effizienter zu bauen. Hier gibt es Ideenansätze wie das Design Building. Aber, um ehrlich zu sein: Ohne eine Vereinfachung der Verfahren und mehr Sicherheit, wann und was gebaut werden kann, wird es schwierig.

Letztlich wird auch das steigende Risiko des wertmindernden Effekts bei schlecht isolierten Objekten – also von «brown-discounts» bis hin zu «Stranded Assets» immer grösser. Wie lässt sich der Sanierungsstau lösen?

Man muss die Bauqualität durchschnittlicher Gebäude in der Schweiz mit denen des europäischen Auslands vergleichen. Dann wird klar, dass der Durchschnitt des Liegenschaftsbestandes bei uns von guter Qualität ist. «Stranded Assets» gibt und gab es auch in der Vergangenheit, in der Schweiz allerdings auch aufgrund der Dichte und der Bodenpreise viel seltener als beispielsweise in den USA. Der Einsatz von zielgerichteten, zeitgerechten und effizienten Sanierungsmassnahmen kann solche negativen Effekte verhindern.

Interview: Remi Buchschacher

Adrian Murer ist CEO der Swiss Finance & Property Gruppe.