Die Schweiz gilt als Hypotheken-Weltmeisterin; kein anderes Land weist eine höhere Hypothekarverschuldung der Haushalte auf. Dennoch attestiert eine aktuelle Studie des Internationalen Währungsfonds (Valderrama et. al. 2023) dem Schweizer Hypothekarmarkt eine hohe Resilienz. Im Rahmen einer Simulation kommt sie zum Schluss, dass Schweizer Hypotheken unter 30 analysierten europäischen Hypothekarmärkten aktuell die tiefste Kreditausfallwahrscheinlichkeit aufweisen.

Dank überschaubaren Inflationsdrucks fiel der Zinsanstieg in der Schweiz weniger heftig aus als in anderen Ländern und die Preisentwicklung bei Eigenheimen blieb bisher stabil. Ein Vergleich der Hypothekarmarktstruktur der Schweiz mit europäischen Ländern zeigt, dass der hiesige Hypothekarmarkt auch für höhere Zinsen gut gerüstet wäre. In der Praxis finden länderübergreifend vor allem zwei regulatorische Instrumente Anwendung: die maximale Belehnungshöhe und verschiedene Formen der Tragbarkeitsrechnung. Erstere definiert sich als die maximale Hypothekenhöhe relativ zum Wert des Objekts («Loan- to-value» LTV) oder auch als Minimalanforderung an das einzubringende Eigenkapital. In der Schweiz beträgt der maximale LTV bei Wohneigentum üblicherweise 80 Prozent und bei Wohnrenditeliegenschaften 75 Prozent. Einige der analysierten Länder (Österreich, Irland, Portugal, Schweden, Grossbritannien, Niederlande) erlauben jedoch einen LTV über 80 Prozent.

Hohe Hypothekarverschuldung nicht per se kritisch

Auch die Höhe der Hypothekarverschuldung unterscheidet sich von Land zu Land stark. In der Schweiz liegt die Hypothekarverschuldung relativ zum Bruttoinlandprodukt im internationalen Kontext äusserst hoch. Und dies obwohl nur jeder Dritte Schweizer Haushalt über eine teilweise hypothekenfinanzierte Wohnung verfügt. Mit einigem Abstand zur Schweiz folgen bei der Verschuldungsquote die Niederlande, Dänemark und Schweden, wo jedoch prozentual mehr Haushalte eine Hypothek abgeschlossen haben. Eine isolierte Betrachtung der Hypothekarschulden ist aber trügerisch. Wie das Beispiel der Schweiz zeigt, müssen diese nicht das Resultat einer laxen Regulierung oder einer geringen Finanzkraft sein. Vielmehr kann eine Kreditfinanzierung bis zu einem gewissen Punkt attraktiv sein, etwa durch die Möglichkeit, Finanzierungskosten steuerlich abzusetzen, wofür die Schweiz in internationalen Assessments vermehrt kritisiert wird. Im internationalen Vergleich ist die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen jedoch nur bedingt mit der Höhe der Hypothekarverschuldung korreliert. So weist Schweden eine signifikant niedrigere Verschuldung bei unbeschränkter Zinsabzugsmöglichkeit vom Einkommen auf. In der Schweiz, aber auch in den Niederlanden und in Spanien muss für selbstbewohntes Wohneigentum ausserdem ein fiktives Einkommen, der sogenannte Eigenmietwert, versteuert werden. Dieser ist jedoch unabhängig von der Finanzierungsform, was wiederum in vielen Fällen die Attraktivität einer Kreditamortisation senkt.

Gründe für hohe Hypothekarverschuldung sind vielfältig

Auch die länderübergreifenden Unterschiede bezüglich Mindestamortisation beeinflussen die Verschuldungsquote. So ist die Schweiz das einzige der in unserer Analyse untersuchten Länder, in dem die Belehnung durch Amortisation nur auf zwei Drittel reduziert werden muss. Andere Länder kennen eine vollständige Amortisation, sei es implizit oder explizit. Implizit zum Beispiel in den Niederlanden, wo eine steuerliche Zinsabzugsfähigkeit nur realisierbar ist, sofern eine vollständige Amortisation innert 30 Jahren erfolgt. Explizit beispielsweise in Schweden, wo sich die Höhe der jährlichen Amortisationszahlungen an den zugrundeliegenden LTVs und LTIs («Loan-to- income») der Hypothek bemisst. Daher liegen die Gründe für die hohe Hypothekarverschuldung in der Schweiz in einer Kombination aus steuerlichen Aspekten wie dem Eigenmietwert und der weniger rigiden Amortisationspraxis. Vor allem ist sie aber auch eine Folge des hohen Preisniveaus. Entsprechend stehen den hohen Hypothekarschulden auch beträchtliche Vermögenswerte gegenüber.

Variabel verzinsliche Hypotheken erhöhen Vulnerabilität

Ein für die Vulnerabilität des Hypothekarmarkts nicht vernachlässigbarer Faktor ist der Anteil variabel verzinslicher Geldmarkthypotheken. Je höher dieser ausfällt, desto schneller erhöht sich bei Zinsanstiegen die effektive Zinslast der Haushalte und damit auch das Risiko von Zahlungsausfällen und Notverkäufen. Letztere können eine Kettenreaktion auslösen und zu starken Preiskorrekturen auf dem Immobilienmarkt führen. Der verzögerte Anstieg der Zinssätze bei Geldmarkthypotheken im aktuellen Zinszyklus hat vielerorts zu deutlichen Zuwächsen bei den Geldmarkthypotheken geführt. Dies ist gegenwärtig etwa in Schweden zu beobachten, wo der Anteil der Geldmarkthypotheken zuletzt mit 85 Prozent bei der Neuvergabe von Hypotheken besonders hoch ausfiel. Insgesamt betrug der Anteil abgeschlossener Hypothekarkredite mit variabler Verzinsung dort im Mittel der vergangenen fünf Jahre 67 Prozent. Auch beispielsweise portugiesische (69 Prozent) und österreichische Kreditnehmer (41 Prozent) setzten stark auf variabel verzinsbare Hypotheken. Entsprechend hat sich vielerorts die Vulnerabilität des Hypothekarmarkts jüngst erhöht. Auch in der Schweiz haben sich zu Beginn der Zinswende im vergangenen Jahr Haushalte vermehrt für Geldmarkthypotheken entschieden. Mit 23 Prozent des Gesamtkreditportfolios fiel deren Anteil im internationalen Vergleich jedoch weiterhin moderat aus, was für eine gewisse Robustheit des Markts sorgt.

Viele Kreditnehmer trotz tiefer Wohneigentumsquote

Wie stark sich der Zinseffekt auf den Eigenheimmarkt auswirkt, hängt unter anderem vom Wohneigentums- und Hypothekenanteil ab. Zwar hat die Schweiz im europäischen Vergleich die mit Abstand tiefste Wohneigentumsquote, doch Schweizer Haushalte weisen einen verhältnismässig hohen Hypothekaranteil auf. Da rund 90 Prozent der Gesamtheit des Schweizer Wohneigentums teilweise hypothekarfinanziert sind, ist ein Drittel der Schweizer Haushalte Hypothekarschuldner – ein Wert, der nur von Schweden und den Niederlanden übertroffen wird. Betrachtet man demzufolge die potenziellen Auswirkungen isoliert vom Mietmarkt, so scheint die Schweiz zumindest in der Theorie doch eine höhere Vulnerabilität bei Zinsanstiegen aufzuweisen, als dies die tiefe Wohneigentumsquote und der moderate Anteil an Geldmarkthypotheken suggerieren würden. Gleichzeitig ist es eine Besonderheit des Schweizer Markts, dass auch die Wohnungsmieten über den hypothekarischen Referenzzinssatz an die Zinsentwicklung gekoppelt sind. Dies kann in Phasen steigender Zinsen die finanzielle Attraktivität von Wohneigentum im Vergleich zur Miete und damit auch die Nachfrageentwicklung stützen, was letztlich auch der Stabilität des Hypothekarmarkts zugutekommt.

Fazit: Schweizer Hypothekarmarkt mit beachtlicher Resilienz trotz hohem Volumen

Die Schweiz ist trotz tiefer Wohneigentumsquote alleinige Spitzenreiterin in Sachen Hypothekarverschuldung. Verantwortlich dafür sind nebst dem hohen Preisniveau nicht zuletzt relativ lockere Amortisationsrichtlinien und die steuerliche Abzugsfähigkeit von Hypothekarzinskosten. Gleichzeitig zeichnete sich der hiesige Wohnungsmarkt in den vergangenen Jahren durch eine wenig volatile und im europäischen Kontext nur durchschnittliche Preisentwicklung aus. Durch die regulatorisch eher konservativere Hypothekarmarktstruktur – sei es in Bezug auf die maximale Belehnungshöhe (80 Prozent) oder die gemessen am hiesigen Preisniveau hohe Tragbarkeitshürde – schafft die Selbstregulierung der Schweizer Banken ausserdem eine im europäischen Vergleich robuste Basis. Risikodämpfend wirkt auch der moderate Anteil an Geldmarkthypotheken.