Verkäufer, deren Preisvorstellungen noch auf den Transaktionsaktivitäten von Ende 2021 basieren, müssen ihre Erwartungen nach unten korrigieren, sagt Nicolas Di Maggio, CEO der Swiss Finance & Property AG. Der Markt hat sich deutlich abgekühlt und ist vorsichtiger geworden. Käufer sind weniger bereit, hohe Preise zu akzeptieren, insbesondere wenn zusätzliche Investitionen in die Instandhaltung oder Modernisierung der Immobilie erforderlich sind.

Der Peak am Immobilienmarkt ist überschritten. Renditeimmobilien haben innerhalb eines Jahres 12 Prozent an Wert eingebüsst. Wie verhalten sich grosse institutionelle Investoren?

Nicolas Di Maggio: Die aktuelle Situation auf dem Schweizer Immobilienmarkt ist durch eine komplexe Dynamik getrieben: Zum einen zeichnet sich diese durch einen Rückgang der Transaktionspreise aus, zum anderen zeigt sie sich auch in einer allgemeinen Widerstandsfähigkeit des Marktes, die durch ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gestützt wird. Der starke Rückgang der Transaktionszahlen ist besonders auffällig, was zu einer Verzögerung bei der Anpassung der meisten veröffentlichten Indizes führt. Auf der anderen Seite haben einige institutionelle Investoren immer noch ein fast unverändert hohes Interesse gezeigt, insbesondere bei Transaktionen am Direktmarkt, was die durchschnittlichen Marktbewertungen rechtfertigt, die sich bisher nur wenig verändert haben.

Derzeit scheitern viele Verkaufsverhandlungen und Bieterverfahren an zu hohen Preisvorstellungen. Sind viele Verkäufer noch in der «alten Welt» verhaftet, wo unbesehen von den sonst üblichen Kriterien praktisch jeder Preis bezahlt wurde?

Diejenigen, deren Preisvorstellungen noch auf den Transaktionsaktivitäten von Ende 2021 basieren, müssen ihre Erwartungen nach unten korrigieren. Dies gilt insbesondere für Immobilien, die hohe Kapitalaufwendungen (CAPEX) erfordern und über geringe Mietreserven verfügen. Der Markt hat sich in diesem Segment deutlich abgekühlt und ist vorsichtiger geworden. In einem Umfeld steigender Zinsen und unsicherer Wirtschaftsaussichten sind Käufer weniger bereit, hohe Preise zu akzeptieren, insbesondere wenn zusätzliche Investitionen in die Instandhaltung oder Modernisierung der Immobilie erforderlich sind. Insgesamt deutet dies darauf hin, dass sich der Markt in einer Phase der Anpassung befindet. Verkäufer müssen ihre Preisvorstellungen realistisch an die aktuellen Marktbedingungen anpassen, während Käufer zunehmend vorsichtiger werden und mehr Wert auf solide Investitionen mit angemessenem Risiko-Rendite-Verhältnis legen.

Die Halbjahresberichte per Ende Juni 2023 zeigen erstmals Abwertungen in der Breite. Die Abwertungen sind jedoch – mit im Schnitt unter einem Prozent – im Vergleich zu den Werten Ende 2022 auf tiefem Niveau. Erwarten Sie im zweiten Halbjahr grössere Wertberichtigungen?

Bisher waren die beobachteten Bewertungsrückgänge relativ gering und betrafen nicht alle Immobilien. Anderseits spiegeln diese Abwertungen nicht unbedingt den Wert wider, der bei einem schnellen oder umfangreichen Verkauf erzielt werden könnte. Diese Situation erinnert umgekehrt an das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben: In den meisten Fällen führten Transaktionen zu einer Verwässerung der Portfoliorenditen, wobei die Transaktionspreise in der Regel höher waren als die Bewertungen ähnlicher Immobilien im Portfolio. Wir rechnen mit weiteren Wertbereinigungen in den kommenden Monaten. Es ist sogar schon eine leichte Beschleunigung des Abwärtstrends erkennbar. Im Zeitraum von 2012 bis 2022 betrug der durchschnittliche Anstieg der Nettoinventarwerte («NAV») aller Fonds rund 2.5 Prozent pro Jahr. Nun hat sich dieses Tempo bis 2023 deutlich verlangsamt. Es wäre nicht überraschend, wenn der NAV-Index in diesem Jahr leicht sinken würde, was das erste Mal seit den letzten Rückgängen Anfang der 2000er Jahre wäre.

Nach der Korrektur bei kotierten Produkten: zeichnet sich nun auch bei NAV-gehandelten Fonds und Anlagestiftungen eine Korrektur ab?

Die Analyse der aktuellen Marktsituation zeigt, dass der börsennotierte Immobilienmarkt (Public Real Estate) die neue Realität bereits im Jahr 2022 eingepreist hat. Dies steht im Gegensatz zu den NAV-gehandelten Fonds und Anlagestiftungen, bei denen die Anpassungen an die Marktrealitäten langsamer erfolgen. Historisch gesehen haben kotierte Immobilienprodukte schneller auf Marktveränderungen reagiert. Diese Agilität resultiert aus ihrer täglichen Handelbarkeit und der daraus resultierenden Fähigkeit, neue Informationen, wie höhere Zinssätze oder Rezessionsrisiken, rasch einzupreisen. Im Gegensatz dazu erfolgt die Bewertung von NAV-gehandelten Fonds und Anlagestiftungen auf Basis von Schätzungen, die halbjährlich oder jährlich aktualisiert werden, was zu einer zeitlichen Verzögerung in der Reaktion auf Marktveränderungen führt.

Was bedeutet das für die Zukunft?

Für die Zukunft bedeutet dies, dass während der kotierte Immobilienmarkt die Marktrealitäten möglicherweise bereits vollständig reflektiert, eine Korrektur bei NAV-gehandelten Fonds und Anlagestiftungen noch aussteht. Darüber hinaus ist es wichtig zu beachten, dass Unterschiede in den Anlagestrategien, den Finanzierungshebeln und den Kapitalflüssen zu unterschiedlichen Bewertungsanpassungen führen könnten. Diese Faktoren werden sowohl die Geschwindigkeit als auch das Ausmass der erwarteten Korrektur beeinflussen, wodurch verschiedene Fonds gegenüber Marktschwankungen entweder anfälliger oder widerstandsfähiger sein könnten.

Nun hat auch Thomas Jordan, der Vorsitzende des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank vor sinkenden Immobilienpreisen gewarnt. Was könnte hier noch auf uns zukommen?

Vor zehn Jahren warnten die Behörden bereits vor Anzeichen einer Immobilienblase in der Schweiz und ergriffen Massnahmen, um unverhältnismässige Risiken zu verhindern und die Widerstandsfähigkeit der Banken, die Hypothekenkredite im Immobiliensektor vergeben, zu stärken. Zehn Jahre später müssen wir feststellen, dass sich die Situation zwar entwickelt hat, aber die Herausforderungen bleiben. Die Finanzierungskosten sind wieder gestiegen. Einige Transaktionen, die in den Monaten vor der ersten geldpolitischen Straffung der SNB durchgeführt wurden, könnten 18 Monate später und nach einer kumulierten Zinserhöhung von 2.5 Prozent wahrscheinlich einen erheblichen Kapitalverlust bei sofortigem Wiederverkauf bedeuten. Ein Zusammenbruch des Marktes wäre nur bei einer bedeutenden Veränderung des aktuellen Paradigmas vorstellbar, sei es durch einen weiteren starken Anstieg der Inflation und der Zinssätze oder durch eine anhaltende tiefe Rezession, möglicherweise gekoppelt mit einem negativen Bevölkerungswachstum. Andernfalls ist eher mit einer Konsolidierung der Exzesse und einem selektiven Rückgang in bestimmten Marktsegmenten zu rechnen.

Die Marktstimmung ist weiterhin eher verhalten, was sich insbesondere in der tiefen Kapitalmarktaktivität abzeichnet. Nur wenige Gefässe wagen eine Kapitalerhöhung und schaffen es, neues Kapital aufzunehmen. Wird sich die Situation 2024 bessern?

Im aktuellen Umfeld, in dem Anleihen wieder zu einer attraktiven Anlageklasse für Kapital werden und der Anteil von Immobilien an den Allokationen hoch ist, ist es nicht überraschend, dass auf den Kapitalmärkten eine gewisse Trägheit herrscht. Diese Situation wird noch dadurch verschärft, dass fast die Hälfte der Produkte unter ihrem Nettoinventarwert gehandelt wird. Diese Umstände machen eine Kapitalerhöhung kaum möglich. Diese Dynamik könnte sich jedoch bald ändern. Zum einen bleiben Immobilien trotz steigender Zinsen eine wettbewerbsfähige Investition. Obwohl die Wettbewerbsfähigkeit von Immobilien untergraben wurde, bieten sie im Rahmen einer diversifizierten Asset-Allocation-Strategie immer noch attraktive Renditen. Ausserdem haben ein Grossteil des Marktes und eine beträchtliche Anzahl von NAV-basierten Produkten weiterhin das Potenzial, zu gegebener Zeit neues Kapital für Entwicklungsprojekte oder neue Akquisitionen zu beschaffen.

Braucht es dazu nicht erste Zinssenkungen? 

Die Aussicht auf Zinssenkungen durch die Zentralbanken, einschliesslich der Schweizerischen Nationalbank, könnte im Jahr 2024 die Attraktivität von Immobilien erhöhen. Es ist auch wesentlich, daran zu erinnern, dass der Immobilienmarkt, der mit einem grossen Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage konfrontiert ist, auf soliden Fundamentaldaten beruht, die für die kommenden Jahre vielversprechend sind. In diesem Zusammenhang erwarten wir zwar nicht, dass wir das Aktivitätsniveau der vergangenen Jahre wieder erreichen werden, aber es sollte sich ein neues Gleichgewicht herausbilden, das auch in Zukunft ein gesundes Wachstum begünstigt.

Die drei grossen Research-Unternehmen publizierten unterschiedliche Transaktionspreisindizes für Mehrfamilienhäuser für die ersten sechs Monate 2023: Wüest Partner (-4.4%) und Fahrländer Partner (-7.8%) weisen auf starke Abnahmen hin. IAZI hingegen auf eine Zunahme von +2%. Werden sich die Portfoliobewegungen nun langsam adjustieren und in der Mitte einpendeln?

Die Unterschiede in den von den grossen Forschungsunternehmen veröffentlichten Indizes können hauptsächlich auf die verschiedenen Modelle und Annahmen zurückgeführt werden, auf denen diese Indizes basieren. Eines jedoch ist klar: Die Niveaus sind im Vergleich zum Durchschnitt der letzten Jahre rückläufig. Qualität scheint unabhängig vom analysierten Marktsegment den Rest des Marktes zu übertreffen.

Neben dem Druck auf Bewertungen, die die Kapitalerträge beeinflussen, haben sich auch die Finanzierungskosten deutlich verteuert. Können die erhöhten Finanzierungskosten über die Mieteinnahmen kompensiert werden?

Global gesehen haben wir festgestellt, dass der Anstieg der Finanzierungskosten, die Ende 2021 im Durchschnitt bei 0.6 Prozent lagen und heute bei 1.4 Prozent liegen, grösstenteils ausgeglichen wurde. Auf individueller Ebene haben wir jedoch drei Arten von Produkten festgestellt: Erstens solche, bei denen der Anstieg der Finanzierungskosten geringer ausfiel als der Anstieg der Mieteinnahmen, entweder aufgrund eines niedrigen Verschuldungsgrades oder weil die Finanzierungsstrategie mittelfristig gesichert war; zweitens solche, bei denen die Zunahme der Finanzierungskosten und der Mieteinnahmen mehr oder weniger parallel kompensiert wurden; und schliesslich drittens solche, bei denen die Finanzierungskosten stärker gestiegen sind als die Mieteinnahmen.

Im Index der kotierten Fonds SWIIT lag der Anteil der Finanzierungskosten am Gesamtertrag in den letzten Jahresberichten bei 3.6 Prozent. Wie wirken sich die erhöhten Finanzierungskosten auf den Nettoertrag und die Dividenden aus?

Derzeit machen die Finanzierungskosten etwa 6 Prozent der Mieteinnahmen aus, was mehr als eine Verdoppelung in etwas mehr als einem Jahr bedeutet. Der operative Ausschüttungsgrad der kotierten Fonds liegt derzeit bei nahezu 100 Prozent. Eine Refinanzierung der Hypotheken, die in den nächsten 12 Monaten neu verhandelt werden müssen, zu einem Durchschnittszins von 2.5 Prozent würde bedeuten, dass der Anteil der Mieteinnahmen, der für den Schuldendienst verwendet wird, von 6 Prozent auf 7.6 Prozent steigt. Die jüngsten Erhöhungen des Referenzzinssatzes und der kontinuierliche Rückgang der Leerstandsquoten sollten es ermöglichen, diesen Einfluss auf Marktebene zu kompensieren. Auf der Ebene der einzelnen Fonds sieht die Situation jedoch anders aus, und die Auswirkungen auf die Dividenden könnten in einigen Fällen erhebliche Kürzungen rechtfertigen.

Nicolas Di Maggio ist CEO der Swiss Finance & Property AG.