Der Zinsmarkt präsentiert sich momentan lebhaft und optimistisch – ein Gegenpol zu den global ansteigenden Zinssätzen. Noch vor der Zinsentscheidung im September schien ein Leitzins von 2.0% unverrückbar mit der Erwartung, dass die Zinsen für eine geraume Zeit auf diesem Stand bleiben würden. Aktuell deutet sich jedoch ein Umschwung in den Erwartungshaltungen an: Es wird ab 2024 mit einer Reihe von Zinssenkungen gerechnet. Dies schlägt sich in einer umgekehrten Zinsstruktur nieder, in der die Swap-Zinssätze für mittlere Laufzeiten teilweise unterhalb von 1.30% liegen.

Die jüngsten Inflationsdaten, veröffentlicht am Donnerstag, den 2. November, zeigen sowohl für den gesamten Warenkorb als auch für die Kerninflation nur einen mässigen Preisanstieg gegenüber dem Vorjahresmonat. Eine Zunahme der Inflation bis Ende des Jahres hin zu 2.0% wurde lange erwartet, scheint nun aber weniger wahrscheinlich, weshalb die Swap-Sätze in Reaktion auf die neuen Daten weiter gefallen sind. Die Zinsstruktur hat sich nun so weit invertiert, dass der SARON-Zinssatz momentan über den Swap-Sätzen für Laufzeiten bis zu 30 Jahren liegt. Besonders niedrig sind die Swap-Sätze für die mittleren Laufzeiten zwischen zwei und fünf Jahren. Aus der gegenwärtigen Kurvenstruktur lässt sich eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine erste Zinssenkung im März 2024 ableiten, mit der Aussicht auf weitere mögliche Senkungen in den darauffolgenden Sitzungen. Die SNB hält an ihrer Strategie fest, den Schweizer Franken als geldpolitisches Instrument zur Inflationskontrolle einzusetzen, indem sie weiterhin aktiv am Devisenmarkt interveniert. Diese Massnahme hat sich bisher als wirkungsvoll erwiesen und wird vermutlich ein zentraler Aspekt der gegenwärtigen Geldpolitik bleiben.

Vor dem Hintergrund der Effektivität des Schweizer Frankens als geldpolitische Massnahme und dem Trend zu niedrigeren festen Zinssätzen wird die Angemessenheit eines hohen Leitzinses in der Inflationsbekämpfung legitimerweise hinterfragt. In diesem Licht könnte es für die SNB angebracht erscheinen, den SARON-Satz entsprechend den festen Marktsätzen zu senken und dadurch die Zinskurvenstruktur zu modifizieren. Allerdings könnten drastische Senkungen des Leitzinses, angesichts der höheren Zinsdifferenz zu ausländischen Währungen, eine Abwertung des Schweizer Frankens nach sich ziehen. Dies würde der Strategie der SNB, den Franken aktiv aufzuwerten, zuwiderlaufen. Es lässt sich jedoch festhalten, dass der Höhepunkt der Zinsentwicklung offensichtlich erreicht scheint.

Unsere Erwartungen richten sich auf die nächste Sitzung der SNB im Dezember, für die wir eine Zinspause prognostizieren. Eine erste Zinssenkung um 25 Bps im Frühjahr 2024 halten wir für möglich, sehen aber die derzeitigen Marktprognosen als überaus zuversichtlich an. Änderungen in der Devisenpolitik der SNB könnten allerdings den Weg für weitere Zinssenkungen ebnen.

Burak Er ist Head Research bei der Avobis Group AG