Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat in enger Zusammenarbeit mit der Bodensee-Stiftung und unter Einbindung zahlreicher Experten ein Zertifizierungssystem entwickelt. Das DGNB System für biodiversitätsfördernde Aussenräume hilft Unternehmen, Gemeinden und Quartiersentwickelnden dabei, Flächen auf bebauten Grundstücken, an Fassaden und auf Dächern so zu gestalten und zu pflegen, dass diese die Bewahrung der Arten- und Ökosystemvielfalt unterstützen.

„Mit der Entwicklung der neuen Variante der DGNB Zertifizierung für biodiversitätsfördernde Aussenräume verfolgen wir verschiedene Zielsetzungen“, sagt Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Ganz übergeordnet möchten wir mehr Aufmerksamkeit für das Thema Biodiversitätsverlust generieren. Gleichzeitig wollen wir praxisnahe Bewertungsmethoden anbieten, die auf effektive Weise dazu beitragen, dass mehr Aussenräume im ganzheitlichen Sinne nachhaltig und biodiversitätsfördernd gestaltet werden.“

Ein weiteres Ziel der DGNB ist es, das Monitoring relevanter Informationen zu etablieren, um zu einer kontinuierlichen Verbesserung bei der Pflege und Bewirtschaftung von Aussenräumen beizutragen. Die Anwendung des Zertifizierungssystems soll für Unternehmen, Kommunen und Quartiersentwickelnde Investitionsrisiken minimieren und gleichzeitig für mehr Transparenz sorgen. Insbesondere für die Nachhaltigkeitsberichterstattung kann das Biodiversitäts-Zertifikat der DGNB nützlich sein.

Schlankes System mit neun Kriterien

Inhaltlich fusst das DGNB System für biodiversitätsfördernde Aussenräume auf neun Kriterien. Hierzu zählt die Schaffung diverser Lebensräume und Strukturen ebenso wie Massnahmen zur Förderung einer heimischen, artenreichen Pflanzenauswahl. Demgegenüber soll der Anbau und die Verbreitung invasiver Arten vermieden werden. Das Kriterium „Umgebungsbezug“ stärkt Durchlässigkeiten und Verbindungen zur Umgebung und fördert die Auseinandersetzung mit Störfaktoren wie Beleuchtung oder Tierfallen. Weitere ökologische Kriterien beschäftigen sich mit dem Wasserhaushalt, der Entsiegelung von Böden und der Auswahl von schadstofffreien, zirkulären und klimaschonenden Materialien.

Angepasste Anforderungen an neu entwickelte und umgebaute Aussenräume

Die Zertifizierung ist sowohl für Flächen in bereits gebauten Umgebungen als auch für neu entwickelte Aussenräume anwendbar. Zertifizierbar sind die Liegenschaften erst, wenn ein bestimmter Mindestanteil der Flächen der Aussenanlagen biodiversitätsfördernd gestaltet wird. Bei Bestandsprojekten beträgt dieser geforderte Mindestanteil 30 Prozent, bei Neubauprojekten sind es 40 Prozent. Angerechnet werden können auch die Flächen an den Gebäudefassaden und auf dem Dach, die einen Beitrag zur Biodiversität leisten.

Ein weiterer Unterschied zwischen neu gestalteten und umgebauten Flächen bezieht sich auf die Auszeichnungslogik der Zertifizierung. Neben den bekannten DGNB Zertifikaten in Platin (höchstmögliche Bewertungsstufe), Gold und Silber gibt es für Bestandsprojekte das DGNB Zertifikat in Bronze als Einstiegsstufe.

Besondere Bedeutung einer kontinuierlichen Pflege

„Beim Thema Biodiversität reicht eine gute Planung nicht aus“, erklärt Lemaitre. „Eine finale Bewertung, ob die Massnahmen erfolgreich umgesetzt wurden, kann erst nach einer gewissen Anwachszeit erfolgen. Zudem braucht es eine qualifizierte, professionelle Pflege der Aussenräume, damit diese ihre Potenziale in puncto Biodiversität tatsächlich ausschöpfen können.“

Aus diesem Grund hat das DGNB Zertifikat für biodiversitätsfördernde Aussenräume eine begrenzte Gültigkeit. Um die Auszeichnung über die Planungs- und Umsetzungszeit hinaus nutzen zu können, ist ein erster Pflege-Check nach einem Jahr obligatorisch. Alle weiteren drei Jahre muss eine Rezertifizierung erfolgen. Dabei können Projekte ihr Ergebnis entweder bestätigen oder sogar noch verbessern, je nachdem in welchem Umfang die Rezertifizierung erfolgt.

Die Zertifizierung ist durchführbar von allen lizenzierten DGNB Auditoren. Zusätzlich entwickelt die DGNB Akademie derzeit einen Kompaktkurs, bestehend aus einem Grundlagenwissen zur Biodiversität, dem Systemwissen zur Zertifizierung sowie einem On-Demand-Modul zum Thema Einreichung und zum Zertifizierungsprozess. Wer diese Fortbildung mit einer Prüfung erfolgreich abschliesst, ist ebenfalls zur Begleitung der Zertifizierung berechtigt. Konkrete Termine werden in Kürze bekanntgegeben.

Enge Zusammenarbeit mit breitem Expertennetzwerk

Die Entwicklung der Zertifizierung erfolgte in enger Kooperation mit der Bodensee-Stiftung als Teil des Projekts „Unternehmen und Biologische Vielfalt (Ubi)“. Zusätzlich haben sich rund 40 Expertinnen und Experten aus unterschiedlichsten Bereichen in den vergangenen zwei Jahren an der Konzeption des Systems beteiligt. „Die Zertifizierung ist ein wichtiger Meilenstein, um Biodiversität im Siedlungsraum zu stärken“, sagt Sven Schulz, Programmleiter bei der Bodensee-Stiftung.