Ein «Massnahmen-Paket, damit Mieten und Immobilienpreise nicht länger durch die Decke gehen», vermittelt das IAZI in einer Medienmitteilung. «Ursachen für steigende Wohnkosten in der Schweiz mit Fokus auf die Raumplanung», lautet der Titel einer Studie, die das Bundesamt für Wohnungswesen sowie die Ämter für Raumentwicklung Kanton Zürich und die Kantonalplanerinnen und Kantonalplaner des Metropolitanraums Zürich (AG, LU, SG, SH, SZ, TG, ZG) in Auftrag gegeben haben. Das Forschungsprojekt realisiert haben das IAZI und die Universität Bern. Mitgewirkt haben zudem Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Die Kostentreiber seien bekannt: Knappes Angebot, hohe Nachfrage, lange Verfahren für Baubewilligungen und die vielen Einsprachen sowie der notwendige Schutz der Landschaft. Erstmals wurden über 600’000 effektive Immobilien-Transaktionen und über 1 Million Mieten ausgewertet. Die Daten waren eine wesentliche Studiengrundlage. Sie wurden von IAZI erstmals im Rahmen einer vergleichenden Studie ausgewertet. Folgende Massnahmen werden empfohlen:

Die Fakten 
Der Preisanstieg im Bereich des Wohnens (Miete, Kauf) ist im Zeitraum 2000–2021 massiv: Stockwerkeigentum +94%; Einfamilienhäuser +80; Mieten +30%. Im gleichen Zeitraum war beim Nominallohn jedoch nur ein Anstieg von +24% zu verzeichnen. Die Lebenshaltungskosten stiegen von 2000 bis 2021 um +8%.

Die Ergebnisse
Die höheren Wohnkosten entstehen durch eine höhere Nachfrage in Städten und städtischen Agglomerationen, das Bevölkerungswachstum, die steigenden Einkommen (grösserer Wohlstand), die Verknappung des Angebots (knappes Bauland, wenig Einzonungen, Zonenplanung) und teureres, hochwertigeres Bauen. Diese Kostentreiber beeinflussen die Entwicklung der Preise von Wohneigentum zu 66% und jene der Mieten zu 71%. Messbar ist auch der Einfluss der raumplanerischen Massnahmen und Instrumente auf die Wohnkosten. Die Grössenordnung liegt zwischen 6 – 8%. Der Auftrag der Raumplanung, die Landschaft für lange Zeiträume zu gestalten, hat demnach einen Wert und einen Preis. Der Wert liegt im Erhalt der Umwelt in der Absicht negative Einflüsse (Bodenversiegelung, Zersiedelung etc.) zu verhindern. Zudem soll für künftige Generationen ein angemessener Gestaltungsraum gesichert werden. Die Studie hält fest, dass die «leicht erhöhten Wohnkosten in der Gegenwart» in Kauf genommen werden müssen. «Sie sind der Preis, den es für den Erhalt der Umwelt für zukünftige Generationen zu zahlen gilt». Höhere Baukosten (Material, Standard etc.) sowie weitere Faktoren (Region, Luxus, Finanzierung, Servitute, Hortung von Bauland, Wohnraumkonsum/Person etc.) beeinflussen die Entwicklung der Wohnkosten ebenfalls (15%–25%).

Massnahmen
Hohe Nachfrage und knappes Angebot führen zu höheren Wohnkosten. Ein wesentlicher Grund für die Wohnungsknappheit liegt im starken Anstieg der Haushalte und dem gestiegenen Wohnflächenkonsum. Gab es 1970 in der Schweiz rund 2 Mio. Haushalte, so waren es 2021 mit 3.9 Mio. fast doppelt so viele. Um das Wohnungsproblem zu lösen, muss die Politik die ideologischen «Schützengräben» verlassen. Die Bevölkerung in der Schweiz favorisiert drei Massnahmen gegen die Wohnungsknappheit und die steigenden Wohnkosten:

–    Beschleunigen der Baubewilligungen
–    Stärker verdichten und aufzonen
–    Weniger Einsprachen bei Bauprojekten

Schneller, höher, dichter, digitaler, günstiger, innovativer, nachhaltiger. Das sind die Anforderungen, denen ein wirksames politisches Massnahmen-Paket gegen Wohnungsknappheit und Preisspirale genügen muss. Das Fitnessprogramm setzt sich aus Massnahmen zusammen, die kostendämpfend wirken. Sie helfen, die Wohnungsknappheit zu überwinden, sie senken nachhaltig die Wohnkosten, sie beschleunigen das Planen und Bewilligen und befördern das preisgünstige Bauen.

Bauland

  • Ist mehr bzw. flexibel verfügbares Bauland vorhanden, steigen die Wohnkosten bei steigender Nachfrage weniger stark als in Regionen mit knappen Baulandreserven.
  • Das Einzonen von Bauland wirkt kostendämpfend, wenn das Angebot durch Neubauten tatsächlich grösser wird.

Verdichtung, Aufzonung

  • Lockerung restriktiver Dichtebeschränkungen, z.B. drei statt zwei Stockwerke.
  • Bevölkerung befürwortet Verdichtung generell; aber: 88% lehnen diese in der eigenen Nachbarschaft ab.

Zonenplanung

  • Nationale oder lokalen Zonen- oder Gestaltungsplänen legen klar fest, was in welchen Zonen erlaubt ist und was nicht. Bauvorhaben, welche diese Vorgaben erfüllen, werden ohne Bewilligungsverfahren automatisch genehmigt.
  • Beispiel Japan: Die japanische Zonenplanung kommt mit zwölf Zonen aus, in jeder ist der Wohnungsbau gestattet.

Bauvorhaben

  • Fundierte Güterabwägung im Vorfeld eines Bauvorhabens.
  • Frühzeitiger Einbezug (Mitspracherecht) der Interessengruppen: Bürger, Gemeindeorgane, kantonale Behörden, Organisationen (Genossenschaften, Verbände, Grundeigentümer, Investoren).
  • Priorität bei der Interessenabwägung zugunsten übergeordneter Aufgaben (z.B. Wohnungsbau).

Baubewilligung

  • Kürzere und digitale Verfahren; definierte Fristen werden eingehalten.
  • Schweizweit dauerte 2022 ein Baubewilligungsverfahren im Schnitt 140 Tage (in Stadtregionen wesentlich länger). Das ist 67% länger als 2010.

Einsprachen

  • Neue Regeln für nachbarschaftliche Einsprachen; nicht einzig für die Durchsetzung von Partikularinteressen nutzen (BR Albert Rösti: «querulatorische Einsprachen»).
  • Massvolle Kostenauflagen bei Einsprachen in Baubewilligungs- und Nutzungsplanverfahren (parlamentarische Vorstösse SR/NR Herbstsession 2023).
  • Häufige Einsprachen gegen Bauvorhaben führen zu weniger Bautätigkeit und folglich zu steigenden Wohnkosten.
  • Hohe Ablehnungsraten für Baugesuche haben negativen Kosteneffekt für Eigentum und Mieten.

Bauen

  • Standardisierungen, einfacher bauen.
  • Günstiger bauen (Nachhaltige Materialwahl, rezyklieren etc.).
  • Lärmvorschriften lockern.
  • Sanieren statt abbrechen: Sanierungen sind schneller umsetzbar; nachhaltiger, da weniger graue Energie (CO2) als bei Neubauten.

Genossenschaftswohnungen

  • Ein probates, nachhaltiges Mittel der Selbsthilfe gegen Wohnungsknappheit.
  • Nichtstaatlicher Charakter der Genossenschaften muss unbedingt erhalten bleiben.

Innovatives und nachhaltiges Wohnen 

  • Matching-Plattform: Ältere Personen wohnen oft (ungewollt) in grossen Wohnungen, da sie nach dem Umzug mehr Miete zahlen müssten. Der Tausch mit einer Familie kann über eine Matching-Plattform (von jung zu alt) oder finanzielle Anreize gefördert werden (soziale Nachhaltigkeit).
  • Office-Home statt Home-Office: Nicht oder kaum genutzte Bürogebäude sollen unbürokratisch in Wohnraum umgenutzt werden können. Einführung eines Anzeigeverfahrens statt eines Bewilligungsverfahrens für Umnutzungen.
  • Co-Housing (Dänemark): Häuser mit wenig privaten Wohneinheiten werden kombiniert mit kollektiven Räumen (z.B. Küche). Die Bewohner der Häuser sind Eigentümer ihrer privaten Wohneinheiten.

Mietrecht

  • Keine zusätzlichen Wohnraumschutzgesetze (z.B. GE, VD, BS) mit Mietzinsdeckelung und -kontrolle bei Ersatzneubauten, Umbauten, Sanierungen.
  • Zusätzliche Mietzinsvorschriften führen zur Erhöhung der Marktmieten und einem Rückgang des Wohnungsangebotes. Die Lücke zwischen Bestandes- und Angebotsmieten vergrössert sich. Personen verweilen in zu grossen Wohnungen, da der Umzug in eine kleinere Wohnung teurer ist.

Eigenmietwert abschaffen

  • Leistet keinen Beitrag zur Lösung der Wohnraum- und Wohnkosten-Probleme.
  • Ungerechtfertigte Steuer (Geld für den Kauf von Wohneigentum wird mehrfach besteuert).
  • Pensionäre/Rentner können sich aufgrund der hohen Steuerlast ihr Wohneigentum nicht mehr leisten.