Die Einsicht, dass Betongold mit der Zinswende an Glanz verloren hat, hat sich noch nicht bei allen Immobilieninvestoren durchgesetzt, schreibt Raiffeisen in der neusten Immobilienstudie. Wer aber heute noch verkaufen wolle, müsse sich von seinen alten Preisvorstellungen lösen. Nach einer nervösen Findungsphase hat sich am Markt für kotierte Immobilienfonds mittlerweile ein Preisniveau festgesetzt, welches rund 15% unter dem Niveau vor der Zinswende liegt.

Am Transaktionsmarkt für direkte Immobilienanlagen werden derzeit uneinheitliche Signale registriert. Während einige Marktbeobachter bereits deutlich sinkende Preise vermelden, stellen andere weiter steigende Transaktionspreise fest. Schon in normalen Marktkonstellationen ist die Preismessung bei Renditeobjekten eine grosse Herausforderung. Dies liegt an der ausgeprägten Heterogenität der Objekte sowie der jeweils geringen Zahl von Markttransaktionen. Beides bereitet der statistischen Qualitätsbereinigung, die für die Konstruktion eines Preisindex notwendig ist, Schwierigkeiten. Weil aktuell noch viele Verkäufer an ihren Preisvorstellungen von vor der Zinswende festhalten und die grössten Abnehmer von Renditeobjekten nun andere Anlageklassen bevorzugen, fliessen derzeit noch weniger Transaktionen in die Indizes ein als ohnehin schon. So hat MSCI, ein Unternehmen, das Transaktionen von grossen institutionellen Anlegern auswertet, im 1. Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahresquartal einen Rückgang der Anzahl Transaktionen um fast 80% registriert. Institutionelle halten sich beim Kauf neuer Objekte nicht nur zurück, weil es nun Alternativen zu Betongold gibt, sondern weil sie nach den Preiskorrekturen von Obligationen und Aktien häufig zu hohe Immobilienquoten in ihren Büchern stehen haben. Ihr Kapital fliesst derzeit in andere Anlageklassen als Immobilien. Der Rückgang der Transaktionen bei den Institutionellen dürfte nur teilweise von alternativen Käufern wie Immobilienfirmen und Privaten aufgefangen worden sein. Aufgrund der sich verändernden Käufer- und Verkäuferstruktur und der geringen Transaktionstätigkeit können Marktpreisindizes derzeit jedenfalls kein zuverlässiges Bild der tatsächlichen Marktstimmung zeichnen. Sie spiegeln nur noch die Entwicklung von einzelnen Subsegmenten des Marktes, in welchen sich die Preisvorstellungen von Verkäufern und Käufern noch decken.

Zu wenig Transaktionen

Wo keine Transaktionen mehr stattfinden, können auch keine Preise mehr gemessen werden. Erst wenn sich vermehrt Verkäufer von ihren heute nicht mehr realistischen Preiserwartungen lösen, wird sich die neue Marktrealität in allen Transaktionspreisindizes spiegeln. Mittlerweile hat sich immerhin bei den Bewertern von Renditeobjekten die Einsicht durchgesetzt, dass die Zeit der Aufwertungen zu Ende gegangen ist. Dank der Tatsache, dass diese Bewertungen in den letzten Jahren häufig deutlich unter den bezahlten Preisen lagen, bleiben viele Portfolios aber vor grösseren Abwertungen verschont. Gemäss MSCI lagen die bezahlten Preise im Schnitt der letzten zehn Jahre in der Schweiz 11% über den Bewertungen. Dass dieses Bewertungspolster aber in einigen Fällen nicht ausreichen wird, lässt der Blick an die Börse vermuten. Im Unterschied zu den Transaktionsmärkten und Bewertungen reagieren die Finanzmärkte schneller auf neue Informationen. Zwar besteht dort die Tendenz, neue Informationen zunächst zu stark zu gewichten, was gerne zu kurzfristigen Überreaktionen führt (siehe Grafik). Aber nach einer nervösen Findungsphase hat sich am Markt für kotierte Immobilienfonds mittlerweile ein Preisniveau festgesetzt, welches rund 15% unter dem Niveau vor der Zinswende liegt. Grössere Korrekturen sind mit dem bald erklommenen Zinsgipfel nun nicht mehr zu erwarten. Denn Immobilien bieten weiterhin ein durchaus attraktives Rendite-Risikoprofil. Und mit der Aussicht auf steigende Mieten bietet gerade der von Knappheit geprägte Schweizer Wohnungsmarkt auch nach der Zinswende durchaus interessante Opportunitäten.