Die Verbände AMAS und KGAST haben ihre Mitglieder zur Veröffentlichung der wichtigsten Nachhaltigkeitskennzahlen in den Jahresberichten aufgefordert. Wie diese Kennzahlen zu berechnen sind, ist allerdings noch unklar. REIDA versuche nun, diese Lücke mit einem Best-Practice-Standard zu füllen, sagt REIDA-Vizepräsident Fredy Hasenmaile.

Die Agios der Immobilienfonds und Immobiliengesellschaften schmelzen aufgrund des Zinsanstiegs zurzeit schnell dahin. Um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, werden aber zusätzliche Investitionen im Portfolio unumgänglich sein. Stellen Sie bei den Gefässen überhaupt noch genügend Willen für «Impact Investing» fest?

Fredy Hasenmaile: Absolut, den Managern der Immobiliengefässe ist bewusst, dass zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele Investitionen erforderlich sind. Die Klimakrise ist noch längstens nicht gelöst und man kann als Investor das Problem nicht aussitzen. Entsprechend gross ist das Interesse der Investoren am Thema der Nachhaltigkeit. Sie wollen jedoch die nötigen Investitionen möglichst effizient und kostenschonend umsetzen.

Die Angst vor steigenden Mietzinsen durch die Erhöhung des Referenzzsinsatzes ist bei vielen Mieterinnen und Mietern das grosse Thema. Wie hoch schätzen Sie deren Bereitschaft ein, zu den höheren Mieten noch Aufschläge für nachhaltig gebaute oder renovierte Wohnungen zu akzeptieren?

Die stark gestiegenen Nebenkosten haben auch die Mieter für das Thema sensibilisiert. Eine gewisse Zahlungsbereitschaft ist daher vorhanden. Sobald die Mehrkosten jedoch einige Prozentpunkte übersteigen, wird es harzig. Mit künftig verschärfter Wohnungsknappheit werden die Mieter aber weniger Ausweichmöglichkeiten haben und damit eher geneigt sein, solche Aufschläge zu akzeptieren.

Der Trend geht auch im Immobilienbereich in Richtung einer Offenlegung wichtiger Umweltkennzahlen. REIDA unterstützt diese Stossrichtung. Welche Kennzahlen weist der Standard aus?

REIDA liefert Besitzern von Immobilienportfolios eine Bilanzierung nach modernster Methodik und das Ausweisen der wichtigsten sechs Umweltkennzahlen, darunter der Energieverbrauch sowie der CO2-Fussabdruck.

Im letzten Jahr haben die Verbände AMAS (Asset Management Association Switzerland) und KGAST (Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen) ihre Mitglieder zur Veröffentlichung der wichtigsten Kennzahlen in den Jahresberichten von Immobilienfonds und Immobilien-Anlagestiftungen mit Abschlussdatum ab Ende 2023 verpflichtet. Wozu braucht es nun noch den REIDA Standard?

Die Aufforderung zur Veröffentlichung der wichtigsten Umweltkennzahlen von AMAS und KGAST war ein zentraler Schritt. Wie diese Kennzahlen zu berechnen sind, darüber schweigen sich die beiden Verbände jedoch aus. REIDA versucht, diese Lücke zu füllen mit einem Best-Practice-Standard. Dies ist insofern zentral, weil nur bei identischer Berechnungsweise die Kennzahlen der verschiedenen Anlagegefässe miteinander verglichen werden können. Die Berechnung dieser Kennzahlen steckt noch in den Kinderschuhen und es könnte Jahre dauern bis sich eine einheitliche Praxis herausbildet. REIDA möchte mit dem Standard diesen Prozess beschleunigen.

Die Vielfalt von Labels und Initiativen im Nachhaltigkeitsbereich überfordert viele Marktteilnehmer. Zudem lassen sich die einzelnen Ratings kaum miteinander vergleichen. Etliche Ratings umfassen mehrere Dutzend Indikatoren, so dass letztlich nicht mehr klar ist, was sie überhaupt ausdrücken wollen. Kann REIDA hier für Transparenz sorgen?

Ich verspreche mir dank dem REIDA-Standard einen grossen Schritt in Richtung Transparenz für die Anleger. Denn anstelle von wenig aussakräftigen Labels setzt REIDA auf das transparente Ausweisen derjenigen Kennzahlen, die für die ökologische Nachhaltigkeit von Immobilien am wichtigsten sind. Ein Verstecken hinter Labels ist dann nicht mehr möglich und die Immobilienbesitzer müssen quasi die Hosen runterlassen.

Viele Anlagegefässe im Immobilienbereich sind heute zudem als nachhaltig etikettiert und wenden ESG-Kriterien an, ohne dass jedoch Klarheit besteht, wie nachhaltig die jeweiligen Immobilien sind. Wie nahe sind wir hier an Greenwashing?

Für Anleger ist es bei vielen nachhaltig etikettierten Immobiliengefässen schwierig bis unmöglich herauszufinden, wie nachhaltig die Immobilien in Tat und Wahrheit sind. Es gibt diesbezüglich grosse Unterschiede im Markt. Wollen sich die Immobiliengefässe nicht dem Vorwurf des Greenwashing aussetzen sind sie in der Bringschuld, über die Nachhaltigkeit ihrer Immobilien zu informieren.

Eine wichtige Pendenz ist die Abbildung nicht nur der Betriebsphase von Immobilien, sondern ihres gesamten Lebenszyklus’. Wie stark berücksichtigt REIDA das Thema der grauen Energie?

Noch gar nicht. REIDA hat bewusst den Fokus auf die wichtigsten Kennzahlen der Betriebsphase von Immobilien gelegt und will schrittweise vorgehen. Frustriert aufgrund des geringen Fortschritts in den letzten Jahren lädt REIDA die Immobilieninvestoren ein, bei den Schlüsselgrössen einen Gang höher zu schalten. Weniger ist oftmals mehr. Mit diesem Motto setzt REIDA hohe Standards bei wenigen Kennzahlen und will dann schrittweise weitere Themen angehen. Dazu gehört mit Sicherheit die graue Energie, die ebenfalls eine Schlüsselgrösse ist.

Neben den Aspekten Capex, Kreditkonditionen und Kaufpreisanpassungen gibt es einen weiteren Aspekt, von dem ausgegangen werden muss, dass er im Laufe der Zeit immer relevanter werden wird. Das ist der Aspekt der «Stranded Assets». Als wie hoch schätzen Sie diese Gefahr ein?

Auf dem Schweizer Transaktionsmarkt werden aktuell viele Immobilienobjekte angeboten, die eine schlechte Energiebilanz aufweisen. Allein das deutet bereits darauf hin, dass mit Abschlägen gerechnet werden muss. In Europa kennen verschiedene Länder bereits eingeschränkte Verkaufs- oder Vermietungsrechte für Immobilien mit zu tiefen Ratingwerten. Weit ist der Weg dort nicht mehr bis zu «Standed Assets». In der Schweiz ist diese Gefahr geringer, da solche Gesetze nicht ohne weiteres erlassen werden können.

Der Anstieg der Finanzierungskosten beginnt sich in den Ergebnissen der Immobiliengefässe bemerkbar zu machen und wird sich 2023 noch stärker auswirken. Nach Jahren der marktbedingten Aufwertungen kommen die Operating-Cashflow-Renditen nun unter Druck. Wird ein Ausgleich zulasten der Renovierungstätigkeit stattfinden?

Sparen auf Kosten der Substanz ist eine schlechte Idee. Daher rechnen wir nicht mit einem Verzicht auf Instandsetzungen. In der Tat ist die Sanierungsquote aktuell deutlich angestiegen. Richtig ist allerdings, dass die Renditen aufgrund der Zinswende in den nächsten Jahren kleiner ausfallen dürften. Wir rechnen daher mit vermehrten Anstrengungen zur Reduktion der laufenden Kosten oder zur Erzielung von zusätzlichen Erträgen, um die Renditen zu stützen.

Interview: Remi Buchschacher

Fredy Hasenmaile ist neuer Chefökonom der Raiffeisen Gruppe. Er ist zudem Vizepräsident der Real Estate Investment Data Association REIDA. Zuvor leitete er den Real Estate Research bei der Credit Suisse.
Berechnung auf realen Verbrauchswerten
Die Berechnung der Umweltkennzahlen ist alles andere als einfach. Für dieselben Liegenschaften können unterschiedliche Werte resultieren, je nach Berechnungsmethodik. Eine Standardisierung ist daher nötig. Der Non-Profit-Verein REIDA (Real Estate Investment Data Association) hat sich dieser Aufgabe angenommen und einen Standard für die Ermittlung der wichtigsten umweltrelevanten Kennzahlen im Immobilienbereich erarbeitet. Nach diesem REIDA-Standard wurde im Jahr 2022 ein Benchmarking mit 3984 Bestandsliegenschaften beziehungsweise 36 Immobilienportfolios durchgeführt, die total über knapp 23 Mio. Quadratmeter Energiebezugsfläche verfügen. Erfasst und bilanziert werden nur real gemessene Verbrauchswerte. Dies stellt einen grossen Unterschied zu anderen Erhebungen dar, bei denen vielfach keine Verbrauchsdaten vorliegen und die daher zumeist mit berechneten Werten (Schätzungen auf Basis von Richtgrössen) operieren. Für jedes der Immobilienportfolios wird zusammen mit den Ergebnissen auch der Abdeckungsgrad ausgewiesen. Dieser beschreibt den Anteil der Liegenschaften im Portfolio, für welche gemessene Energieverbrauchsdaten vorliegen.