Es ist wichtig, sich sowohl über die Art und Weise der Erfassung als auch über die ökonomische Form der Datenhaltung Gedanken zu machen, sagt Manuel Senn, CEO der Move Consultants AG. Nur so könne ein Gesamtsystem effizient funktionieren.
Die Bereitstellung von Nutzungs-, Flächen- und Raumdaten in Form eines virtuellen Abbildes des Gebäudes wird für strategische Entscheide sowie die Beurteilung der Werthaltigkeit von Immobilien immer wichtiger. Wie können damit Mehrwerte geschaffen werden?
Manuel Senn: Das Vorhandensein dieser Daten beeinflusst die Effizienz diverser Wertschöpfungsprozesse. Die Bewirtschaftung ist auf korrekt vorliegende vermietbare Flächen angewiesen, da diese als Grundlage für die Vermietung und die Kalkulation von Zuschlagsflächen dienen. Der Qualitätsgrad der Daten ist relevant für die Beschaffung von Betreiberleistung, respektive für die Kalkulation der Betriebskosten. Zudem sind Flächendaten auch relevant für Reporting-Prozesse, beispielsweise dienen die Energiebezugsflächen als Bezugsgrösse für Nachhaltigkeits-Reportings wie GRESB*, welche immer wichtiger werden.
Aber nicht nur Flächendaten sind immer relevanter, auch weitere Gebäudedaten werden immer wichtiger?
Um beim Thema Nachhaltigkeit zu bleiben: Für das Reporting werden die Gesamtverbräuche für das gesamte Gebäude benötigt, nicht alle liegen jedoch der Eigentümerschaft vor. Zum Beispiel ist der Stromkonsum von Mietparteien relevant, liegt aber, aufgrund der direkten Beziehung zwischen Mieter und Stromlieferant, nicht vor und ist immer aufwändiger zu beschaffen. Zudem gewinnt auch das Zusammenspiel mit selbstproduziertem Strom an Bedeutung, da dessen Anteil zunimmt. Für eine fundierte Investitionsplanung ist es zudem wichtig, das Alter und den Zustand bestimmter Bauwerks- und Technikkomponenten zu kennen. Heute liegen diese Informationen häufig nicht vor oder müssen mit unverhältnismässigem Aufwand beschafft werden.
Was hat das für Auswirkungen auf die Investitionsplanung?
Damit eine Investitionsplanung effizient durchgeführt werden kann, müssen die relevanten Daten in benötigter Qualität vorliegen und schnell zur Verfügung stehen. Das heisst ohne dass dazu mit unverhältnismässigem Ressourceneinsatz Unterlagen studiert werden müssen, deren Aktualität nicht garantiert ist. Daher ist es wichtig, sich sowohl über die den Umfang benötigter Daten und die Art und Weise deren Erfassung als auch über die ökonomische Form der Datenhaltung Gedanken zu machen.
Heute sehen wir im Immobilien-Management oft noch ineffiziente Doppelerfassungen und damit Effizienzverluste, die zu hohen Kosten und Intransparenz führen. Wie lässt sich die Verzahnung mit Lieferanten und Dienstleistern verbessern?
Es gilt sich die Frage nach dem best owner der verschiedenen Prozessschritte zu stellen, damit die Wertschöpfung möglichst effizient und somit auch Kosten optimiert erfolgen kann. Vorab muss jedoch sichergestellt werden, dass eine klare Ausgangslage zugrunde liegt – dass also Klarheit herrscht, welche Daten überhaupt in welcher Form und Granularität festgehalten werden müssen.
Oft gehen aber die Daten im Übergang von der Planung und der Realisierung hin zu Nutzung und Betrieb verloren. Wie lässt sich das verhindern?
Bei dieser Frage lässt sich gleich an die vorangegangene anknüpfen. Gerade im Kontext der zunehmenden Digitalisierung von Immobilien ist es unabdingbar, dass die benötigten Daten durch den Eigentümer und den am Betrieb beteiligten Partner vorab evaluiert werden. Die Vorgaben, inklusive Lieferzeitpunkt, müssen in den entsprechenden Verträgen und Pflichtenheften festgehalten und als verbindliche Grundlage implementiert werden. Dies darf nicht auf Projektbasis geschehen, sondern muss übergeordnet auf strategischer Ebene erfolgen. Für ein funktionierendes Gesamtsystem ist es wichtig, dass das erforderliche Know-how für die strategische Definition, die Begleitung der Projekte, die Überführung und den Unterhalt im Betrieb vorhanden ist. Diese Verantwortung übernehmen wir mit unseren Business Units Consulting und Data Trust und unseren Partnern.
Sie übernehmen also die Verantwortung für sämtliche Data-Trust-Prozesse im Betrieb. Was ist darunter zu verstehen?
Wie angetönt stellen wir – gemeinsam mit unseren strategischen Partnern – sicher, dass genau dieses Gesamtleistungspaket angeboten werden kann. Im Zentrum müssen die Bedürfnisse des Kunden stehen. Dieser kann letztlich jedoch nur von neuen Erkenntnissen und Technologien profitieren, wenn über den gesamten Lebenszyklus von Immobilien entsprechende, aufeinander abgestimmte Dienstleistungen angeboten werden. Um dies zu gewährleisten, entwickelt sich unser Netzwerk stetig weiter und je mehr sinnvolle Standards geschaffen werden und zum Einsatz kommen, desto besser profitieren alle Beteiligten.
Wie tief geht Ihre Verantwortung für diese Data-Trust-Prozesse?
Wir übernehmen die Verantwortung für alle uns anvertrauten Daten im Gebäudekontext, zum heutigen Zeitpunkt sind dies (noch) mehrheitlich Flächendaten. Um einen maximalen Nutzen aus den Daten generieren zu können ist es wichtig, dass diese in einem einheitlichem Standard für das gesamte Portfolio vorliegen. Da diese Erkenntnis immer mehr Einzug hält und der Impact von Daten auf fundierte Objekt- und Portfolioentscheide erkannt wird, wächst die Nachfrage nach entsprechenden Datenaufnahmen. Selbstredend wird für die Datenerfassung und das anschliessende Management mithilfe einer Datenplattform eine funktionierende Partnerschaft mit regem Austausch benötigt, da letztlich die Eigentümer und deren Betriebsorganisationen am besten wissen, was auf den Immobilien aktuell geschieht. Dies ist jedoch eine schöne Ausgangslage und zeigt, dass auch in Zeiten der Digitalisierung die von uns so sehr geschätzte zwischenmenschliche Interaktion nicht an Bedeutung verliert – auch nicht in einem sachorientierten Kontext wie im Bereich der Immobiliendaten.
Sie sprechen von der Aufbereitung von Flächendaten über den gesamten Liegenschaftsbestand und der Bereitstellung einer Datenplattform. Sprechen Sie dabei Neubauprojekte an? Bei bestehenden Gebäuden gehe ich davon aus, dass der Besitzer den Überblick über diese Daten bereits hat.
Ja, dies betrifft auch Neubauten. Dort ist es mehrheitlich etabliert, dass die Flächendaten erfasst werden. Die Branche krankt jedoch noch der adäquaten Abbildung der Anforderungen in den erwähnten Projektgrundlagen und Lieferanforderungen. Wie bereits erwähnt, besteht diesbezüglich vor allem noch Handlungsbedarf bezüglich weiterer relevanter Gebäudedaten. Im Bestand konnte die Datenlage, zumindest bezüglich Flächen, in den letzten Jahren glücklicherweise verbessert werden. Jedoch gibt es auch dort noch Aufholbedarf. Aber wer die Daten einmal hat und gelernt hat diese zu nutzen, kennt deren Wert im Kontext einer fundierten Entscheidungsfindung.
Somit lassen sich also viele Immobilieneigentümer beim Aufbau transparenter digitaler Daten für die Steuerung ihrer Immobilien-Portfolios und dem Flächenmanagement unterstützen. Können Sie Beispiele nennen?
Die Einsatzmöglichkeiten und Anforderungen sind vielseitig und hängen natürlich vom Kunden ab. Die Anforderungen von Kunden aus dem Corporate-Bereich sind grundlegend anders als diejenigen von Institutionellen. Lassen Sie mich ein anderes Beispiel als die bereits angesprochene Grundlage für Investitionsplanungen oder Beschaffung operativer Leistungen ausführen: Für Institutionelle empfiehlt es sich beispielsweise, in einem Neubauprojekt das Pricing fundiert anhand der Gegebenheiten jeder Wohnung festzulegen. Dabei werden die Preise anhand effektiver Marktdaten aus der Umgebung und den wohnungsspezifischen Eigenschaften (Grösse, Besonnung, Aussicht etc.) für jede Wohnung individuell festgelegt. Nicht anhand von Gefühl, sondern auf Basis effektiver Daten. Dasselbe Verfahren kann selbstverständlich auch bei Bestandesbauten durchgeführt werden um das Potenzial aufgrund der Marktmieten zu evaluieren und so die Rendite zu steigern. Im Corporate Bereich sind die Cases näher am daily business und es geht um pragmatische Dinge wie beispielsweise die Effizienz der Flächennutzung von einzelnen Gebäuden und deren Optimierung.
Mit Archilyse arbeiten Sie seit Frühjahr 2020 zusammen. Wie entwickelt sich diese strategische Kooperation?
Durch die unterschiedlichen Ressourcen und Kenntnisse können wir gemeinsam zusätzliche Perspektiven für unsere Kunden bieten. Der vorgängige Case der Renditeoptimierung ist so ein Beispiel. Für bestehende Move-Kunden sind wir auch an der Umsetzung entsprechender Gratis-Analysen, um einen Einblick in die Möglichkeiten zu bieten. Wir sehen jedoch auch das Potenzial weitere, für Kunden spannende Usecases umzusetzen.
Welches sind die aktuellsten Themen?
Eines unserer aktuellen Fokusthemen ist die Automatisierung von entsprechenden Prozessen. Es galt aus Erfahrungen zu lernen und Massnahmen zur Steigerung der Effizienz zu evaluieren. Dies ist auch hier nicht anders, denn schlussendlich muss es ja auch unser Ziel sein, die Mehrwerte so ökonomisch wie möglich anbieten zu können. Diese Entwicklung begleiten zu können ist auch persönlich spannend und eröffnet neue Perspektiven. Auch in dieser internen Entwicklung hilft es, dass in den Unternehmen so unterschiedliches Know-how vorhanden ist und wir auf die Entwicklungserfahrung von mehr als zwanzig Jahren zurückgreifen können.
Interview: Remi Buchschacher
*GRESB ist das führende Bewertungssystem zur Messung der Nachhaltigkeitsperformance von Immobilienunternehmen und Immobilienfonds.