Der Ton zwischen der Mieter- und der Vermieterseite hat sich in den letzten Monaten verschärft. Das zeigte sich deutlich in der Herbstsession der Eidgenössischen Räte. Weder mehr Kontrolle von Seiten des Regulators, noch die Forderung nach mehr Effizienz seien zielführend, sondern die Wirksamkeit der Massnahmen, sagt Immobilienspezialist und Strategieberater Urs Hausmann. Die Schnittstellen zwischen Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft seien anspruchsvoll und widersprüchlich.

Eine Studie des Think-Tank Avenir Suisse zeigt auf, dass drastische Eingriffe in den Wohnungsmarkt aus ökonomischer Sicht ineffizient sind, ungezielt wirken und die Volkswirtschaft belasten. Allerdings häufen sich zurzeit genau diese Forderungen. Wie viel Neus steckt darin?

Urs Hausmann: Ich habe das fragliche Dokument gelesen. Nein, aus meiner Wahrnehmung findet sich darin nichts Neues. Bekanntes wird solide abermals hergeleitet und erklärt. Marco Salvi von Avenir Suisse hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder entsprechend geäussert, unter anderem in einem Interview in der NZZ im ersten Halbjahr 2023.

Vor dem Hintergrund der sinkenden Leerstände wird das politische Seilziehen zurzeit immer stärker: Die einen wollen mit neuen Regulierungen Mietanpassungen zusätzlich erschweren – etwa nach einer Sanierung –, die anderen wollen im Mietrecht eine strikte Kostenmiete durchsetzen. Wie effizient sind diese Forderungen?

Unklar bleibt – unabhängig der Herkunft der jeweiligen Forderungen – was die Probleme sind, und welche Grössen zu verändern sind. Nicht das Kriterium der Effizienz interessiert im Grundsatz, sondern dasjenige der Wirksamkeit. Nüchtern und im multinationalen Vergleich betrachtet, dürfte die hiesige Bereitstellung von Wohnraum (Neubau und Wiedervermietung) sehr gut funktionieren. Insbesondere muss die öffentliche Hand nur wenig knappe Mittel (unter anderem mittels Subventionen oder eigenem finanziellen Engagement) in die Hand nehmen. Schliesslich bestehen immer Zielkonflikte. So existieren weder ein Gleichgewicht oder eine ideale Welt. Die Schnittstellen zwischen Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft (soziales) sind und bleiben anspruchsvoll und eben auch widersprüchlich.

Forderungen nach mehr Regulierung im Wohnungsmarkt führen nicht automatisch zu besserer Wohnqualität und mehr Wohnungen. So hat Genf als Folge der Wohnungsknappheit der 1980er Jahre genau festgelegt, wie teuer die Mieten nach einem Umbau sein dürfen. Das Ergebnis: Investoren scheuen Renovationen, und der Kanton hat heute qualitätsmässig den schlechtesten Wohnungsbestand der Schweiz.

Dafür aber die höchsten Mietzinsen im Bestand einerseits und im Angebot andererseits. Die dortigen Eigentümer freuts.

Das Eidgenössische Parlament beschäftigt sich immer wieder mit Vorstössen, die darauf abzielen, Mieterhöhungen zu verhindern. Diese zielen regelmässig darauf ab, es Kantonen und Gemeinden zu erlauben, Mietpreiskontrollen einzuführen. Periodisch und punktuell sollen Kontrolleure prüfen, ob Mietzinse missbräuchlich seien, weil übersetzte Erträge daraus erzielt werden. Kann mehr Kontrolle zu mehr Mietgerechtigkeit führen?

Nein, das ist definitiv ein Holzweg. Zumal sowohl die Datengrundlagen als auch die Vorgaben zur Berechnung von einschlägigen Kennziffern (unter anderem Renditen) komplett hanebüchen sind. Damit würde mutmasslich einer Willkür Tür und Tor geöffnet.

Hintergrund der Forderung nach Mietkontrollen ist die These, wonach Mieterinnen und Mieter seit Jahren zu viel bezahlen. Sind die Renditen der Liegenschaftsbesitzer zu hoch?

Nein, die Renditen sind nicht zu hoch, wenn die Kennziffern ökonomisch nach Lehrbuch korrekt berechnet würden. Und mindestens so wichtig: Eine statische Betrachtung auf einen Zeitpunkt wird weder der ökonomischen noch der baulichen Realität gerecht. Dabei geht es weniger um das sogenannte Risiko beziehungsweise dessen Entschädigung als vielmehr darum, zukünftige Investitionen überhaupt finanzieren zu können. Viele Eigentümer täuschen sich diesbezüglich selbst.

Das Gesetz beschränkt die Höhe von Renditen, die mit dem Vermieten von Wohnungen erzielt werden dürfen. Laut einem Bundesgerichtsentscheid darf sie zwei Prozentpunkte über dem hypothekarischen Referenzzinssatz liegen. Heute liegt dieser bei 1.5 Prozent, also ist eine Rendite von 3.5 Prozent zulässig. Immobilien werden aber immer wieder mit höheren Renditen gehandelt.

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Diese Vergleiche sind falsch und in keiner Art und Weise zielführend. Ein drohnenreiches Feld.

Wer über seinen Besitz, für den er zum Teil viel Geld und Arbeit investiert hat, nicht mehr selber verfügen kann, wird sich früher oder später aus diesem Markt zurückziehen. Extreme Forderungen zielen schon fast auf Enteignung im Wohnungsmarkt hin. Was kann hier der Staat besser lösen?

Alles hat seinen Preis. Wie sich die Akteure in solchen oder ähnlichen Szenarien verhalten werden, hängt massgeblich auch von ihren sonstigen Alternativen ab. Sie vergleichen und wägen ab. Wenn sich effektive Alternativen (vielleicht noch risikogerecht) noch mehr verschlechtern, bleibt die Investitionsneigung wahrscheinlich doch erhalten. Alles hängt mit Allem zusammen.

Städte und Gemeinden sollen mehr Immobilieneigentum besitzen, damit mehr gemeinnütziger Wohnraum entsteht, wird oft gefordert. Die Zuteilung von Besitz, der der Öffentlichkeit gehört, hat aber immer den Beigeschmack von Nepotismus. Wer bestimmt dann, wer welche Wohnung erhält? Wie realistisch ist ein Staatsapparat, der alles kontrollieren kann?

Die Erfahrungen der letzten 100 Jahren in der Schweiz belegen eindrücklich, dass private Initiativen und Unternehmertum die besten Garanten für einen zeitgemässen Immobilienbestand sind. Das heisst aber nicht, dass die Verteilung von knappen Gütern nicht deutlich verbessert werden könnte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Urs Hausmann ist Präsident des Verwaltungsrats bei der Topik Partner AG, Zürich,
Mitglied Investmentkomitee Immobilien direkt (IKI) der Pensionskasse SBB, Bern, und führt die dr. urs hausmann strategieberatung, Zürich. Zudem ist er unter anderem auch Stiftungsratspräsident der Anlagestiftung Testina, Zürich. Er war jahrelang Partner bei der Wüest Partner AG, Zürich

Umstrittene Kennziffer; Einer der Kardinalfehler des geltenden Schweizer Mietrechts mit Blick auf die Herleitung der Rendite besteht darin, dass die Kosten erstens nur zeitpunktbezogen berücksichtigt; zweitens die Opportunitätskosten und drittens die Abschreibungen ausgeblendet werden. Die ausschliessliche Fokussierung auf das tatsächlich investierte Eigenkapital blendet aus, dass das gesamte Kapital sowohl notwendig als auch risikoexponiert ist. Zudem fallen grosszyklische Instandsetzungen nur alle 20 bis 30 Jahre an. Gleichwohl müssten sie bei einer integralen Renditeberechnung miteinbezogen werden. Fazit: Das Abstellen auf eine statische Rendite als Kriterium für missbräuchliche Mietzinsen ist letztlich nicht zielführend aus Sicht des Mieterschutzes. Alternative Sichtweise: Nicht die Rendite des Vermieters, sondern ein Missverhältnis zwischen der Leistung und der Gegenleistung im Vertragsverhältnis sollte die ausschliessliche Referenz zur Beurteilung eines allfälligen Missbrauchs bilden. (Vgl. Übervorteilung gemäss Art. 21 Abs. 1 OR). Urs Hausmann