Die institutionellen Anleger – im Besonderen die Anbieter von Kollektivanlagen – stehen im Wettbewerbsdruck, ihre Nachhaltigkeitsziele offen zu legen und auch umzusetzen, sagt Johannes Schwab, Portfolio Manager Indirect Real Estate Switzerland bei der Swiss Finance & Property Group. Doch bei den Wohnfonds sind die Unterschiede betreffend der Unterhalts- und Reparatur-Kostenquote gegenüber den Mieteinnahmen noch zu gross.

Die Sanierungsquote in der Schweiz ist tief: Aktuell liegt sie bei nur rund einem Prozent jährlich. Es würde also 100 Jahre dauern, bis in der Schweiz alle Gebäude einen langfristig nachhaltigen Standard erreicht hätten. Wie gehen die institutionellen Portfoliobesitzer mit diesem Sanierungsstau und den damit entstehenden Kosten um?

Johannes Schwab: Wir dürfen feststellen, dass die institutionellen Investoren – welche gegenüber Privatinvestoren am Gebäudepark Schweiz aber eine Minderheit darstellen – sehr diszipliniert in Unterhalt und Erneuerung investieren. So erheben wir allein für Wohnimmobilienfonds eine durchschnittliche Unterhaltsquote von etwa 10 Prozent gemessen an den Mieteinnahmen, welche jährlich in ihren Gebäudepark investiert werden. Weiter können wir beobachten, dass die Investitionen der letzten Jahre zur jeweiligen Portfolioentwicklung mehrheitlich in Neubauprojekte und neuere Anlagen geflossen sind, was zu einer weiteren Verjüngung der Portfolioanlagen gemessen an ihrem wirtschaftlichen Alter geführt hat. Schliesslich sind die institutionellen Anleger – im Besonderen die Anbieter von Kollektivanlagen – im Wettbewerbsdruck, ihre Nachhaltigkeitsziele offen zu legen und auch umzusetzen. Dazu zählt, im Rahmen ihrer Sanierungsprogramme bis 2050 auch das Emissionsziel Null Treibhausgase zu erreichen. Allein eine ungenügende Rentabilisierung wie auch behördliche Restriktionen zur zeitnahen Umwälzung solcher Sanierungsausgaben auf die Mieten mögen weitere Investitionen dieser Art blockieren.

Institutionelle Anleger verlagern ihre Portfolios zunehmend von den Direktanlagen in Fonds gebundene Anlagen und verlieren daher den Einfluss auf die weitere Entwicklung ihrer Anlagen. den Substanz-, Werterhalt der Anlagen. Wieso gehen sie diesen Weg?

Mit der Revision der Anlagevorschriften gemäss BVV 2 (Verordnung über die Berufliche Altersvorsorge, Art. 54 b, Ziff 1), eingeführt in 2008, wurden die Pensionskassen im Halten einzelner Immobilienanlagen auf fünf Prozent des Gesamtvermögens der Vorsorgeeinrichtung beschränkt. Die hier gemäss Verordnung verschärfte Anforderung zur Diversifikation bringt seither auch die Schweizer Vorsorgewerke dazu, ihren konzentrierten Bestand an direkt gehaltenen Liegenschaften breiter zu streuen. Der Übertritt ihrer einzelnen direkten Immobilienanlagen hin zu breit diversifizierten Kollektivanlagen – Stiftungen wie auch Fonds – ermöglicht ihnen die Umsetzung dieser verschärften Anlagerestriktion.

Schliesslich gilt es festzuhalten, dass mit dem Übertritt zu Kollektivanlagen – also zu den fondsgebundenen Anlagen – nicht nur die Diversifikation der Erträge gesteigert wird, sondern auch die Fungibilität und Liquidität. Für Pensionskassen, deren Rentner-Anteil gegenüber Aktiven sich weiter erhöht, gewinnen diese Kriterien zunehmend an Bedeutung.

Die Immobilienfonds gehen unterschiedlich mit den Themen Sanierung und Renovation um. Sie haben die Gruppe Wohnfonds auf die Sanierungstätigkeit hin analysiert. Wie lautet Ihr Fazit?

In der Querschnitts Analyse stellen wir fest, dass allein die zuletzt ausgewiesene Unterhalts- und Reparatur-Kostenquote gegenüber Mieteinnahmen in der Gruppe Wohnfonds von 3.4 Prozent bis 21 Prozent eine grosse Spannbreite ausweist. Dabei vergleichen wir die Kostenquoten auch mit den jeweils erzielten Immobilien-Bruttorenditen vor Kosten. Es lässt sich hier kein signifikanter Zusammenhang feststellen zwischen Immobilienrendite und dieser Kostenquote. Entsprechend müssen Kollektivanlagen mit unterdurchschnittlicher Immobilienrendite aber überdurchschnittlicher Kostenquote als wenig attraktiv eingestuft werden.

In einer zweiten Untersuchung beobachten wir diese Immobilienrenditen und Kostenquoten im Zeitverlauf. Fonds mit regelmässig hoher Kostenquote aber auch verbleibend hoher Immobilienrendite lassen erkennen, dass viel für die Sanierung ausgegeben wird, davon aber nur wenig aktiviert wird und schliesslich trotz der erhöhten Ausgabenquote eine überdurchschnittliche Cashflow Rendite von jeweils deutlich über 3 Prozent auf den Inventarwert der Anlage erzielt wird. Auch lassen sich Fonds mit regelmässigen Sanierungszyklen identifizieren, nach denen diese Ausgaben im Jahresvergleich zwischen 10 Prozent und 20 Prozent variieren.

Wie ordnen Sie das ein?

Als aktiver, ertragsorientier Investor bleibt es unser Fazit, sich in der Selektion auf diejenigen Anlagen zu fokussieren, welche auch bei erhöhten Ausgaben zur Erneuerung ihres Immobilienbestandes eine hohe Cashflow Rendite erzielen können; dies wird ermöglicht durch eine überdurchschnittliche Immobilienrendite. Im Rückblick der letzten Jahre konnte diese oft nur noch aus eigener Projektentwicklung noch erreicht werden – nur selten durch Einkauf am Transaktionsmarkt.

Die Zeit der permanenten Aufwertungen ist vorbei. Ein wichtiger Teil der Performance bricht nun für Wohnimmobilienfonds dadurch weg. Wie sieht Ihr Ausblick zur weiteren Rentabilität und möglichen Bewertungspuffern aus?

Mit Blick auf die Performance Entwicklung des IAZI Investment Real Estate Index, repräsentativ für die Renditeentwicklung von Schweizer Wohnanlagen, bestimmen wir im 3-Jahresdurchschnitt zuletzt eine Nettocashflow Rendite von 3.4 Prozent und eine Wertänderungsrendite von 3.7 Prozent. Entsprechend dominant fällt die Aufwertung aus zur Gesamtrendite von 6.8 Prozent. Andererseits zeigen unsere Auswertungen zur Entwicklung der Anlagerendite in der Gruppe Wohnfonds, dass hier die Wertänderungsrendite mit durchschnittlich 1.44 Prozent im 3-Jahresrückblick gegenüber 3.2 Prozent Cashflow-Rendite einen geringeren Beitrag hatte auf die Anlagerendite. Eine konservative Aufwertung lässt sich im Besonderen bei Fonds beobachten, welche ihre Liegenschaften schon länger halten, so gemessen an ihrem Erwerbsdatum.

Wie lässt sich das zahlenmässig einordnen?

Wir identifizieren wenigstens für etwa ein Drittel der kotierten Wohnfonds eine konservative Bewertung gegenüber transaktionsbasierter Bewertung. Dementsprechend ist das Abwertungsrisiko hier bei möglichen rückläufigen Transaktionspreisen gering. Die Erwartungen an die weitere Anlagerendite sollen sich an den Cashflow Renditen dieser Fonds orientieren; die Bandbreite der hier zuletzt erzielten Renditen ist gross – und reicht von 2.2 Prozent bis 4.07 Prozent. Im laufenden Geschäftsjahr werden diese Renditen zunächst von steigenden Refinanzierungskosten belastet. Gemessen an der Anlagerendite erwarten wir danach für das Segment der Wohnfonds im Durchschnitt etwa 3 Prozent für dieses Jahr.

Der Druck auf die Städte mehr Wohnraum zu schaffen, steigt. Allerdings geht das oft nicht ohne Leerkündigungen und Mietpreisaufschläge, was wiederum für Kritik sorgt.

Sanierungen haben sich auch an ihrer Wirtschaftlichkeit zu messen und die darauf folgende Mietsteigerung ist auch regulatorischen Einschränkungen unterworfen. So dürfen in Genf und nunmehr auch in Basel nach Gesamtsanierung die Wohnungsmieten nicht unmittelbar angehoben werden. Daraus leiten sich differenzierte Sanierungsstrategien ab. Die soziale Verantwortung – das S in ESG – können die Immobilieneigentümer dann auch damit tragen, indem sie den betroffenen Mietern bei allfälliger Kündigung helfen, Ersatzmöglichkeiten zu finden. Eine weitere Verantwortung haben die Immobilienbesitzer heute aber auch gegenüber der Umwelt zu erfüllen – so nach dem erklärten Ziel des Bundes bis 2050 einen immissionsfreien Gebäudepark zu betreiben und auch nach den Vorgaben des Raumplanungsgesetzes die Ressource Boden haushälterisch zu bewirtschaften. In der Konsequenz fordert hier der Volkswille einen verdichteten und klimaneutralen Wohnungsbau, der abhängig von der gegebenen Baute dann nurmehr durch einen Ersatzneubau auch noch wirtschaftlich umgesetzt werden kann. Darin sind die Immobilieneigentümer auch ihren Investoren verpflichtet. Es soll hier nicht vergessen werden, dass es oft Vorsorgegelder sind, welche diese Investoren repräsentieren.

Gibt es einen «Röstigraben» in der Schweiz bezüglich dem Thema Sanierung?

Mit unserer Erfassung umweltrelevanter Kennzahlen aller Schweizer indirekten Immobilienanlagen – Fonds, Stiftungen und Aktien – gewinnen wir bereits ein differenziertes Bild zum Gebäudezustand über die Kollektivanlagen hinweg nach Regionen. Tatsächlich erfassen wir für die Wohnfonds mit Fokus Westschweiz mit marktgewichtet 29.6 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter Energiebezugsfläche etwa die Hälfte höhere Treibhausgas Immissionswerte gegenüber Portfolios mit Fokus auf Wohnanlagen in der Deutschschweiz (marktgewichtet 17.5 kg CO2/m3 EBF). Ein analoges Bild ergibt auch die Auswertung nach Energieintensität – nachdem die Westschweizer Wohnfonds etwa ein Viertel mehr Energie pro Quadratmeter Energiebezugsfläche beanspruchen als Wohnanlagen in der Deutschschweiz. Entsprechend mehr Aufwand ist in der Westschweiz gefordert, um bis 2050 die CO2 Neutralität aus dem Gebäudepark zu erreichen.

Was ist für diese Unterschiede verantwortlich?

Für die Unterschiede in diesen Immissionswerten nach Regionen identifizieren wir mindestens zwei Ursachen: regional unterschiedliche Gesetzgebungen bei der Umlage von Sanierungsaufwendungen auf die Mieten und mangelnde Verfügbarkeit von nicht fossilen Energieträgern. So können in Genf wie auch in Lausanne – ein Schwerpunkt diverser Westschweizer Immobilienfonds – die Wohnungsmieten nach Gesamtsanierung nicht unmittelbar angehoben werden, entsprechend die Rentabilisierung nur stark zeitverzögert für den Immobilieninvestor zum Tragen kommt. Energetische Sanierungen gehen üblicherweise mit einer Gesamtsanierung einher, was hier die Investoren in der Umsetzung entsprechend hemmt. Ein Defizit an nicht fossilen Energieträgern erkennen wir wiederum in Genf – es fehlt bis heute ein Fernwärmenetz; ein Ausbau erfolgt erst jetzt – bis 2030.

Die Aufwandsquoten – Unterhalt und Reparatur gegenüber Mietertrag – der Gruppe Wohnfonds verliefen über die letzten fünf Jahre vergleichsweise gleichförmig. Nun hat sich die Situation geändert. Mit dem erklärten Ziel des Bundes, bis 2050 den Gebäudepark Schweiz frei von Treibhausgasen zu betreiben, werden wohl die Aufwendungen deutlich steigen?  

Der Zeitraum zur Umsetzung dieses Netto Null Zieles von heute 27 Jahren bietet grundsätzlich die Möglichkeit, die daraus erforderlichen Investitionsmassnahmen mit einer entsprechenden Steigerung der Nettomieten und Senkung der Nebenkosten bei den Mietern soweit neutral für die Rendite der Investoren wie auch neutral für die Bruttomiete umzusetzen. Dabei werden auch die weiteren Subventionszahlungen der öffentlichen Hand die Investitionsrechnung für die betroffenen Immobilieneigentümer entscheidend mit beeinflussen. Mit der Abstimmung jetzt zum Klima- und Innovationsgesetz werden danach weitere Fördergelder in Aussicht gestellt. Schliesslich wird auch der Erwerb von CO2 Zertifikaten den Eigentümern helfen, diese Treibhausgas Bilanz bis 2050 zu neutralisieren. In Summe sind die Eigentümer nunmehr aber stark gefordert, mit einer akuraten Objektstrategie eine möglichst Rendite neutrale Investitionsplanung jetzt auch umzusetzen.

Die Agios sind stark gesunken, zum Teil dramatisch. Sind dadurch nun neue Opportunitäten entstanden?

Sinkende Agios und steigende Dividendenrenditen reflektieren die seit letztem Jahr steigenden Kapitalmarktzinsen und damit auch höhere Finanzierungskosten auf diesen Immobilien-Kollektivanlagen. Andererseits kann auch eine erhöhte Unsicherheit in der weiteren Kostenentwicklung – bedingt eben durch die erforderlichen Massnahmen zum immissionsfreien Betrieb der Immobilienanlagen – vermutet werden, welche zu einer tieferen Preissetzung der kotierten Immobilienanlagen führt. Mit Blick auf die Zinsentwicklung stellen die Konsensus Prognosen auf Mitte 2024 erstmals wieder sinkende Leitzinsen und demgegenüber weiter tiefere Kapitalmarktzinsen in Aussicht. Diese Entwicklung – zusammen mit der Aussicht auf steigende Mieterträge aus Bestand wie auch in den Angebotsmieten – lässt steigende Preise für kotierte Immobilienanlagen erwarten. Die Unsicherheiten betreffend der weiteren Entwicklung der Immobilienkosten werden aber Bestand haben; hier ist es von Bedeutung, dass die Bewerter diese weitere Kostenentwicklung jetzt auch in der Immobilienbewertung mit abbilden.

Interview: Remi Buchschacher

Johannes Schwab ist Portfolio Manager Indirect Real Estate Switzerland bei der Swiss Finance & Property Group.

Entwicklung der Aufwandsquote: Unterhalts-/Rep.Quote und Aufwandsquote total im 5-Jahres Rückblick der Gruppe Wohnfonds. Die Aufwandsquoten über die ganze Gruppe kumuliert, verlaufen über die letzten 5 Jahre vergleichsweise gleichförmig. Sinkende Immobilienrenditen (infolge marktbedingter Aufwertungen) werden durch sinkende Finanzierungskosten kompensiert. Operating Cashflow Renditen zu NAV bleiben vergleichsweise robust bei ca. 3 Prozent.