Der Schweizer Immobilienmarkt ist weiterhin auf Kurs für eine sanfte Landung, schreibt die Credit Suisse in ihren neuesten Immobilienmonitor. Trotz stark sinkender Nachfrage bei selbstgenutztem Wohneigentum steigt das Angebot infolge der bisherigen Knappheit nur langsam. Das Preiswachstum hat sich zwar jüngst markant abgeschwächt, dürfte jedoch noch bis Ende Jahr im Plus bleiben. Dagegen bewegt sich der Mietwohnungsmarkt weiterhin mit hohem Tempo auf eine Knappheit zu und Mietwohnungen werden teurer. Neben steigenden Marktmieten werden in der Folge des ersten Referenzzinssatzanstiegs im Juni nun auch die Bestandsmieten deutlich zulegen. Mit Blick auf die gesamte Immobilienbranche bietet der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Kombination mit weiteren Technologien aus Sicht der Ökonomen der Credit Suisse in den kommenden Jahren enormes Potenzial.

Der Schweizer Immobilienmarkt bleibt ganz im Fokus der Inflations- und Zinsentwicklung. Die Hartnäckigkeit der Inflation ist von vielen Marktteilnehmern unterschätzt worden, und auch die jüngsten Zahlen zeigen, dass das Thema noch nicht so schnell vom Tisch ist. Zweitrundeneffekte, wie die nun bevorstehenden Mietzinserhöhungen infolge des Anstiegs des Referenzzinssatzes anfangs Juni, verhindern ein rasches Abklingen der Teuerung. Weitere Zinserhöhungen durch die Schweizerische Nationalbank dürften daher im Juni und September dieses Jahres folgen. Der Schweizer Immobilienmarkt schlägt sich in diesem anspruchsvollen Marktumfeld dennoch deutlich besser als viele seiner Pendants im Ausland und bleibt auf Kurs für eine sanfte Landung.

Sukzessive Marktabkühlung bei Eigentum
Obwohl die höheren Zinsen die Nachfrage stark dämpfen, steigt das Angebot an Wohneigentum infolge der bisherigen Knappheit nur langsam. Die Angebotsziffern bleiben mit 1.8% bei Eigentumswohnungen und 1.6% bei Einfamilienhäusern auf tiefen Niveaus. Infolge des Nachfragerückgangs schwächte sich das Preiswachstum im 1. Quartal 2023 signifikant ab. Die Preise von Eigentumswohnungen stiegen innert Jahresfrist noch um 3.5%, diejenigen von Einfamilienhäusern um 3.6%. Bis Ende Jahr erwarten die Ökonomen der Credit Suisse noch ein knappes Plus von 0.5% bei Eigentumswohnungen und 1.5% bei Einfamilienhäusern. Ab 2024 sind wegen des anhaltenden Nachfragerückgangs indessen Preisrückgänge im tiefen einstelligen Prozentbereich pro Jahr zu erwarten. Aufgrund der Entwicklung der letzten Quartale gehen die Ökonomen der Credit Suisse davon aus, dass es im Markt für selbstgenutztes Wohneigentum zu einer sanften Landung mit überschaubaren Preiskorrekturen kommen dürfte, nachdem die Preise zuvor während 21 Jahren fast ohne Unterbruch gestiegen sind.

Mietwohnungssuche wird anspruchsvoller
Bei Mehrfamilienhäusern mit Mietwohnungen müssen Anleger demgegenüber bereits im laufenden Jahr mit rückläufigen Preisen rechnen. Sich verbessernde Ertragsaussichten werden die mögliche Preiskorrektur jedoch mildern. Das Angebot an verfügbaren Wohnungen geht rasant zurück und wird immer knapper. Die Angebotsziffer ist im 1. Quartal 2023 im gleitenden Jahresmittel auf 4.4% gesunken – ein Wert der letztmals 2016 unterschritten wurde. Besonders ausgeprägt bleibt die Marktanspannung in der Agglomeration Zürich. Erstaunlich ist die Entwicklung in einigen Regionen fernab der Grosszentren, wo Angebotsziffern und der Vermarktungsaufwand teilweise gar neue Rekordtiefs erreichen. Der Begriff «Wohnungsnot» überzeichnet zwar vielerorts die gegenwärtige Situation, doch die Wohnungssuche ist deutlich anspruchsvoller geworden. Wir rechnen folglich mit einem weiteren deutlichen Rückgang der Leerstände und einem kräftigen Mietpreiswachstum. Für das gesamte Jahr gehen wir bei den Marktmieten von einem Plus von 3% aus.

Steigender Referenzzinssatz führt zu bis 10% höheren Mieten
Nachdem der Referenzzinssatz anfangs Juni von 1.25% auf 1.5% angestiegen ist, dürfte ein zweiter Anstieg auf 1.75% bereits im Dezember folgen. Zu einem Referenzzinssatz von 1.25% berechnete Nettomieten dürften folglich aufgrund des Anstiegs bis April 2024 um 6% steigen. Da Vermieter zusätzlich 40% der aufgelaufenen Teuerung und (üblicherweise) jährlich 0.5% allgemeine Kostensteigerungen geltend machen können, kann der Anstieg gar bis zu 10% betragen. Da Mietzinssenkungen jedoch oft aktiv durch den Mieter eingefordert werden müssen, dürfte der Mietzinsanstieg im Mittel jedoch geringer ausfallen und bis zu 7% betragen. Für viele Mieter kommt der Mietzinsanstieg zur Unzeit, da sie bereits mit massiven Anstiegen bei den Neben- und Energiekosten konfrontiert sind. Gleichzeitig mildern die steigenden Mieterträge den Druck, welchen die gestiegenen Zinsen auf die Liegenschaftswerte ausüben.

ChatGPT und Co.: Revolutioniert künstliche Intelligenz den Immobiliensektor?
Mit ChatGPT ist seit einigen Monaten auch ein anderes Thema sowohl in den Medien und auch im privaten Umfeld äusserst präsent. Viele von uns dürften erste spielerische Versuche mit diesem auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Angebot gemacht haben. Doch welchen Nutzen bringen solche KI-Tools der Immobilienbranche? Die Ökonomen der Credit Suisse haben diese Frage anhand verschiedener Anwendungsbeispiele zu beantworten versucht. Hierfür liessen sie sich von solchen KI-Tools Immobilieninserate schreiben, Grundrisse zeichnen, die optimalen Wohngemeinden für Pendler suchen und Immobilien bewerten. Sie kommen zum Fazit, dass sich Sprachmodelle und andere KI-Anwendungen bereits heute gut in der Praxis einsetzen lassen. Ihr Nutzen ist jedoch noch beschränkt, und teils liefern sie unbrauchbare oder falsche Resultate. In Kombination mit weiteren Technologien sehen sie jedoch enormes Potenzial in den kommenden Jahren.

Metaversum: Zwischen Hype und Ernüchterung
Im Gegensatz dazu hat sich das Interesse am Metaversum, das Ende 2021 einen regelrechten Hype erlebte, jüngst wieder deutlich abgeschwächt. Denn bisher hat das Metaversum nicht die erwarteten Ergebnisse gebracht. Der Übergang zu dieser neuen Technologie ist mit erheblichen Kosten verbunden und vollzieht sich daher nur langsam. Trotz Chancen für die Immobilienwirtschaft gibt es auch diverse Risiken, die es bei einer Präsenz im Metaversum zu beachten gilt. Von einer Metaversum-Revolution kann also vorerst noch keine Rede sein. Dennoch wäre es verfrüht, das Metaversum komplett abzuschreiben, ist doch nicht auszuschliessen, dass es einen ähnlichen Werdegang wie das Internet durchlaufen und in einigen Jahren nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken sein wird.