Der Aufschrei in der Immobilienbranche war laut und weit herum zu hören: TX Group, Ringier und Die Mobiliar planen mit Unterstützung des US-amerikanischen Private Equity Unternehmens General Atlantic ein Joint Venture, in welches sie einen Grossteil ihrer digitalen Marktplätze einbringen. Die Branche könnte in ungewollte Abhängigkeiten geraten.  

Was in der Tourismus-Branche schon geschehen ist, passiert zur Zeit in der Immobilienbranche: Finanzinvestoren, Banken und Versicherungen drängen auf den Markt mit dem Ziel, den Kontaktpunkt mit dem Kunden zu besetzen und bestmöglich zu monetarisieren. Die etablierten Anbieter werden bedrängt und geraten in gefährliche Abhängigkeiten. TX Group, Ringier und Die Mobiliar planen mit Unterstützung des US-amerikanischen Private Equity Unternehmens General Atlantic ein Joint Venture, in welches sie einen Grossteil ihrer digitalen Marktplätze einbringen. Unter anderem führt dies dazu, dass zahlreiche Immobilienmarktplätze – wie Homegate und Immoscout24 – zukünftig unter einem Dach agieren.

Enorme Auswirkungen

Der Verein Branch Do Tank hat in einer Stellungnahme die Risiken einer solch drohenden Monopolstellung der Immobilienplattformen skizziert. Auch wenn die Organisation, welche sich aus Unternehmen und Fachkräften der Bau- und Immobilienindustrie zusammensetzt, vor allem die Nachteile herausstreicht, wird schnell klar: Die direkten und indirekten Auswirkungen auf die Endkunden sind enorm. Gemäss den Erhebungen des Vereins würde das neue Unternehmen und sein Umfeld mehr als 82 Prozent des Immobiliensuchvolumens für Miet- und Eigenheim-Interessenten auf sich vereinen und damit die Immobiliensuche in der Schweiz beherrschen. Bei einer genaueren Betrachtung zeigen sich aber laut Branch to Tank noch weitere Risiken einer umfassenden Dominanz immobilienwirtschaftlicher Daten und Prozesse aus dem Umfeld der Joint-Venture-Gründer. Der Verein kommt daher zum Schluss, dass aus dieser Konzentration Mietern, Stockwerkseigentum- und Einfamilienhausbesitzern, aber auch grösseren Immobilieneigentümern, -vermarktern, -maklern und -bewirtschaftern und ihrer wichtigen Partner aus dem Banken- und Versicherungsumfeld grundsätzliche Risiken erwachsen können. Zum Beispiel eine verminderte Wettbewerbsfähigkeit, Marktzugangsbeschränkungen und ein Abschöpfen von Monopolrenten.

Neu gemischte Karten

«Die Masse an Daten, die das neue Joint Venture generieren wird, ermöglicht es ihm neue Abhängigkeiten zu generieren. Sie sind damit allen anderen immer einen Schritt voraus. Gleichzeitig monopolisieren sie den digitalen Kundenkontakt. Wer den digitalen Touch Point besetzt, kennt den Kunden und kann ihn am besten monetarisieren», schreibt Next Property, ein Zusammenschluss von Akteuren der Immobilienwirtschaft und den Kantonalbanken, welche die Plattform Newhome betreibt. Newhome wäre mit einer gegenwärtigen Marktabdeckung von rund 17,5 Prozent (zusammen mit dem westschweizer Immobilier) einer der letzten übrig gebliebenen Marktplätze für Immobilienanzeigen, wenn das Joint Venture zustande kommt. «Plattformen werden schnell dominant und verändern die Spielregeln in der Regel zulasten der etablierten Anbieter. Damit entsteht eine Abhängigkeit», warnt Next Property auf der Homepage. Die Organisation ruft deshalb die Marktakteure auf, dem neuen Joint Venture die Stirn zu bieten und sich Next Property anzuschliessen: «Die Immobilienbranche besitzt die Inhalte und entscheidet über die Insertion. Sie haben es damit in der Hand, wo Sie was, wann inserieren. Das funktioniert aber nur, wenn möglichst viele Unternehmen mitmachen». Der Booking.com-Effekt in der Tourismus-Branche habe laut Next Property aufgezeigt, was das für bestehende Anbieter bedeutet: die Portale reissen bis 30 Prozent der Einnahmen an sich und zwingen den bestehenden Akteuren ihre Regeln auf. Was als «nützlicher Helfer» angefangen hat, werde zu einem «parasitären Wegelagerer», sobald eine marktdominante Stellung erreicht ist.

WEKO soll eingreifen

Die angekündigte Konzentration in der Immobiliensuche ist aus Sicht des Vereins Branch to Tank untersuchungswürdig und müsse in der Immobilienwirtschaft und der Finanzbranche breit diskutiert werden. In der Tat: Marktanteile auf Plattformen sind nicht nur eine Frage der Qualität der Marktleistung, sie werden in einem erheblichen Ausmass auch erkauft: Visibilität wird in einer digitalen Welt durch Suchbegriffe erzielt und Suchbegriffe werden beworben. Wenn die Suchbegriffe gemeinsam beworben oder effizienter eingesetzt werden können, haben die zusammen verbundenen Unternehmen einen grossen Vorteil im Generieren von neuen Visitors und Leads. Für Branch to Tank ist deshalb klar: Einerseits soll sich die Wettbewerbskommission WEKO dem Thema annehmen und andererseits müsse die Branche gemeinsam Gegensteuer geben. Branch to Tank unterstützt deshalb die Bemühungen von Next Property und dem Portal Newhome.

 

Initiative kommt zu spät

Für Heinz M. Schwyter, Branchenkenner und Betreiber von proptechnews.ch, kommt die Initiative der Branchenakteure zu spät. Die Anzeichen für das Joint Venture waren abzusehen. Er befürchtet, dass die Innovation darunter leiden wird.

TX Group, Ringier und Die Mobiliar planen mit Unterstützung des US-amerikanischen Private Equity Unternehmens General Atlantic ein Joint Venture, in welches sie einen Grossteil ihrer digitalen Marktplätze einbringen. Welche Auswirkungen kommen damit auf die Immobilienbranche zu? 

Heinz M. Schwyter: Wie ich schon in meinem Blog geschrieben habe, wird mit der Fusion ein Monopol zementiert. Da spielen die Beurteilung der WEKO und die Beschwichtigungen der Akteure keine Rolle. Mit dem Zusammenschluss wird der bisherige Wettbewerb unter den Marktplätzen wegfallen, das heisst die Innovation wird darunter leiden. Die vier Partner des Joint Ventures haben angekündigt, dass mittelfristig ein Börsengang geplant ist. Bis dahin muss die Braut schön gemacht werden zum Beispiel mit höheren Preisen.

Gemäss Einschätzung von Marktakteuren würde das neue Unternehmen und sein Umfeld mehr als 82 Prozent des Immobiliensuchvolumens für Miet- und Eigenheim-Interessenten vereinen und damit die Immobiliensuche in der Schweiz beherrschen. Birgt das für die Immobilienbranche mehr Chancen oder mehr Risiken?

Ich sehe mehr Risiken. Der Wettbewerb ist ausgeschaltet. Inserenten haben keine valable Alternative mehr.

Die Immobilienbranche hat ja bereits vor über zwei Jahren zusammen mit den Kantonalbanken die Plattform Next Property lanciert. Wird das reichen, um den neuen Joint Venture die Stirn zu bieten? 

Ich meine, nein. Immoscout24.ch und homegate.ch sind bei den Inserenten wie auch den Suchenden «Top of Mind». Diese Position haben sie mit enormen Marketingmitteln erreicht. newhome.ch, das gemeinsame Portal von Kantonalbanken und Immobilienfirmen, hat schlicht nicht die Mittel, um den Abstand zu den zwei führenden Marktplätzen zu verringern. Zudem wird das neue Gebilde über interessante Zusatzservices wie die Maklersoftware CasaOne, die Bewerberplattform flatfox.ch oder die Zusammenarbeit mit der Bewirtschaftungssoftware GaraioREM verfügen. Da kann newhome.ch praktisch nichts bieten. newhome.ch wird nicht über eine Nischenposition hinauskommen. Die Initiative der Immobilienfirmen kommt schlicht zu spät.

Heinz M. Schwyter ist Betreiber der Plattform proptechnews.ch und publiziert die PropTech Map Switzerland. Er war früher CEO von homegate.ch.