Die Immobilienwirtschaft legt den Fokus immer stärker auf die Themen rund um Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit. Diese Entwicklung sei sehr erfreulich und aktiviere auch die Kräfte des Facility Managements, sagt Christian Hofmann, Präsident der FM Kammer des SVIT. Das FM sei gefordert, hierzu Lösungsansätze und Unterstützung anzubieten.

«Die neuen Arbeitswelten» heisst der Titel der nächsten Veranstaltung «Good morning FM» der SVIT FM-Kammer im November. Wie stark verändern sich diese?

Christian Hofmann: In der Arbeitswelt sind seit Jahren verschiedene Trends erkennbar, welche durch die Pandemie nun noch eine Verstärkung erfahren haben. Insbesondere das mobile Arbeiten mit grosser Arbeitsplatzflexibilität hat sich mittlerweile als Standard etabliert. Das wird uns sicher erhalten bleiben und sich weiterentwickeln.

Hat das primär mit den Auswirkungen der Pandemie zu tun, oder können junge Menschen nicht mehr für die «alten Arbeitswelten» motiviert werden?

Die Pandemie war sicher ein Beschleuniger, aber die Flexibilisierung der Arbeitswelten entspricht vor allem einem arbeitskulturellen Bedürfnis und folgt auch technologischen Errungenschaften. Diese Entwicklung nach einer Individualisierung der Arbeitsumgebung ist ein gesamtgesellschaftlicher Trend und bietet Chancen bei Kosten, Effizienz und Effektivität für Unternehmen, für die Umwelt und die Berufstätigen.

Wir erleben also neue Arbeitswelten, Kollaborationsmodelle und eine eingeschränkte Mobilität. Was können wir daraus lernen?

Flexibel zu bleiben! Rahmenbedingungen und Umstände werden sich immer wieder ändern, das ist nicht neu. Neu war nur der völlig unerwartete Zeitpunkt. Und auch wenn das zynisch klingt, hat doch jede Krise auch Chancen, welche uns erhalten bleiben. Alles fliesst!

Wie kann sich hier das Facility Management einbringen?

Wenn im Immobilienzyklus Nutzungsänderungen eintreten sind das FM und die Bewirtschaftung immer betroffen. Die FM Dienstleister sollen die Nutzer beraten, d.h. Empfehlungen oder Erfahrungen von anderen Kunden einbringen und letztlich die Anpassungen oder Umnutzungen des Immobilienbetriebs aktiv mitgestalten und umsetzen.

Sie vermissen richtig innovative Ansätze, sagten Sie vor einem Jahr in einem Interview. Für integrale Planungsansätze argumentiere das FM immer noch aus der dritten Reihe, ohne gehört zu werden. Wie sehen Sie das heute?

Stimmt, aber die Bemerkung war natürlich schon auch etwas als Provokation gedacht. Tatsächlich haben gerade die letzten anderthalb Jahre gezeigt, welche Flexibilität, Tatkraft sowie innovativen Kräfte und Lösungsansätzen in unserer Branche vorhanden sind. Dann gibt es eine Reihe positiver Entwicklungen: einmal die Nachfrage nach den Berufen und Ausbildungen im FM Sektor, dann entwickelt sich BIM zunehmend zu einem Steigbügelhalter für unsere Branche in der Planung. Ausserdem steigt der Fokus auf die Immobilienwirtschaft grundsätzlich durch die ganzen Themen rund um Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit. Diese Entwicklung ist insgesamt sehr erfreulich und aktiviert ihre Kräfte!

Vermutlich werden die angestrebten Klimaziele ohne regulatorische Eingriffe nicht erreicht. Ist das FM diesen Herausforderungen gewachsen?

Der energie- und ressourcenschonende Immobilienbetrieb steht auf der Klimaagenda weit oben. Die FM Branche, insbesondere das technische Gebäudemanagement, stehen hier besonders in der Verantwortung, das wissen wir. Wir sind diesen Aufgaben in weiten Teilen gewachsen, erkennen aber gleichzeitig grossen Entwicklungsspielraum, den wir nun angehen werden. Mit steigenden Energie- und Abgabenkosten, wie wir das aktuell bei Gas und Heizöl erleben, steigt der Druck hier einzugreifen und energetisch und technisch zu optimieren.

Um welche Aufgaben handelt es sich, was steht auf der FM Agenda betreffend Energiewende?

Konkret heisst das, dass wir unsere Gebäudefachleute in energetischen Fragen befähigen müssen. Wir müssen in der Lage sein, bestehende technische Gebäudeinfrastruktur zu optimieren und bei Modernisierungen beratend zur Seite zu stehen. Leider waren diese Kompetenzen für den laufenden Betrieb von Immobilien in der Vergangenheit nicht wirklich relevant, weil die Kosten für Energie vergleichsweise gering waren. Oder die Kosten wurden über die Mietnebenkosten auf die Nutzer umgelegt, und sind damit nicht im Fokus des Eigentümers. Ich bin daher optimistisch, dass die FM Branche mit diesen neuen Herausforderungen und Aufgaben aus Sicht der Eigentümer und Nutzer an Relevanz sowie an Attraktivität für uns Berufsleute gewinnt.

Wie wirkt sich die CO2-Debatte auf die FM Branche aus?

Die Schweiz hat sich einem klaren Netto-Null-Ziel in den CO2-Emmissionen verschrieben. Der Immobilienbestand ist nach dem Verkehr der zweitgrösste Emittent von Treibhausgasen in der Schweiz. Der Druck auf die Immobilienwirtschaft, an der Dekarbonisierung tatkräftig mitzumachen, wird dadurch immens zunehmen. Den Bestandsliegenschaften, welche wir FM-Betreiber betreuen, kommt dabei die grösste Bedeutung zu, dort liegt das Potenzial. Es wird folglich auch unsere Aufgabe sein, hierzu Lösungsansätze und Unterstützung bei unseren Kunden anbieten zu können.

Das Innovationspotenzial und die Vielseitigkeit in der Immobilienbranche sind erheblich, und das Facility Management ist ein Teil davon. Welche Rolle fällt dabei der SVIT FM Kammer zu?

SVIT ist der grösste Immobilienwirtschaftsverband in der Schweiz mit einer grossen Reichweite in alle Sektoren und Regionen. Die Fachkammern des SVIT stehen dabei einerseits in der Verantwortung und der Rolle als Vermittler, Botschafter und Netzwerker innerhalb der Immobilien-Branche. Andererseits sind wir zusammen mit unseren FM-Partnerverbänden aus dem In- und Ausland engagiert in der Wissensvermittlung und der Entwicklung von Standards, best practices etc.

Welche Themen werden in der nächsten Zeit aus FM-Sicht im Vordergrund stehen?

Die folgenden Kernthemen stehen bei uns aktuell zuoberst auf der Agenda: Die neuen Arbeitswelten und die Nachhaltigkeit aus den eben beschriebenen Gründen. Daraus abgeleitet ergeben sich viele offene Fragen zu den Themen der Rollenmodelle im FM sowie, mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung, viele Fragen zum Datenmanagement, auch im BIM, digitale Betreiberlösungen etc. Mit diesen Schwerpunkten glauben wir den Nerv der Branche und den Nutzen unserer Mitglieder zu treffen.

Good Morning FM: «Auf zu neuen Ufern»
Die Umnutzung und Neugestaltung von Bestandsimmobilien wird immer wichtiger. Landreserven sind knapp und die Lebenszyklen von Immobilien werden immer kürzer. Die Neuausrichtung einer Immobilie soll eine möglichst flexible Nutzung ermöglichen. Und auch die potenziellen Nutzer erwarten möglichst grossen Handlungsspielraum in der Gestaltung ihrer Arbeitswelten und Kollaborationsmethoden. «Auf zu neuen Ufern – die neuen Arbeitswelten» heisst deshalb der Titel des nächsten Frühstücksanlasses «Good Morning FM» des SVIT FM Schweiz. Er findet am 17. November um 8 bis 11.45 Uhr im Geschäftshaus JED in Schlieren (ZH) statt. Es sind Referate von Karin Voigt, Chief Portfolio Officer Swiss Prime Site Immobilien AG; Anna von Sydow, Geschäftsführung Renovationen Halter AG und Wolfgang Krull, Chief Operation Officer Region Ost Bouygues Energies & Services Schweiz AG zu hören. Der Anlass ist kostenlos. Informationen und Anmeldung unter https://fm-kammer.ch/events/goodmorningfm/2021/