Ethisch, ökologisch, sozial: Welchen Kriterien muss eine nachhaltige Kapitalanlage genügen? Das Potenzial der ESG-Kriterien ist gross, ihre Nützlichkeit wird auf breiter Front anerkannt und sie helfen Risiken zu erkennen. Doch ein isoliertes Screening ist oft nicht nachhaltig.

Der Vergleich lässt sich manchmal nicht verhindern: «Alter Wein in neuen Schläuchen», heisst ein Spruch, der die gegenwärtige Diskussion über die Nachhaltigkeit von Immobilien gut beschreibt.  Das Thema findet – endlich könnte man sagen – den Weg immer häufiger in Analysten- und Investorenkreise. Es wird oft an Vorträgen und Präsentationen zitiert. ESG-Kriterien spielen bei nachhaltigen Investitionen eine immer wichtigere Rolle, der Verkauf von Liegenschaften wird in Zukunft massgeblich davon abhängen. Dies ist ein Grund, warum Investoren ihr Portfolio zunehmend anhand von ESG-Werten überprüfen und ihren Anlageprozess entsprechend ausrichten. Doch wo steht die Branche heute betreffend der Umsetzung nachhaltigen Investierens und nachhaltigen Verhaltens und bei der Umsetzung ausgewählter ESG Kriterien? Das Thema Nachhaltigkeit ist im Immobiliensektor ja nicht neu: bereits vor zehn Jahren erhielt das Schweizer Label Minergie Konkurrenz aus dem Ausland, was zu einem «Labelsalat» mit lautstarker Marketing-Unterstützung führte. Kaum eine Immobiliengesellschaft, die nicht auf die Vorzüge des von ihr gewählten Labels aufmerksam machte. Ein Überblick war kaum möglich, die Labels wiesen grosse Unterschiede auf. Doch der Aufmerksamkeitseffekt wirkte.

Qualität der Daten entscheidend

Und nun die ESG-Kriterien. Auch diese beruhen auf der Qualität der zugrundeliegenden Daten. Und um diese zu bekommen, führt kein Weg am eigenen Research vorbei. Denn nicht jedes Unternehmen ist gleich, obschon es durch standardisierte ESG-Methoden so behandelt wird. Deshalb führen Investoren und Analysten eigene Untersuchungen durch – mit Befragung der einzelnen Anbieter – wie diese nach ausgewählten Aspekten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung die Vermögensverwaltung betreiben. Damit werden die Provider dazu angeregt, Zielvereinbarungen zu treffen und danach entsprechende Datenerhebungen zu implementieren.

Eines lässt sich dabei bereits feststellen: umfassende, entsprechend für einen Provider aufwändige Ratings – wie GRESB – sind nur für wenige und vor allem grosse Provider tragbar und entsprechend geeignet. Und hier beginnt bereits ein weiteres Dilemma. Denn es wäre falsch, den Investitionsansatz für nachhaltiges Investieren in Schweizer Immobilien-Kollektivanlagen damit umzusetzen, nur Anlagen mit einem GRESB Rating zu bevorzugen. Damit wäre den Investoren nicht gedient. Vielmehr braucht es von Investorenseite eigene Anstrengungen – in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Providern – die Screening-Instrumente auch bei jenen Gesellschaften anzuwenden, welche kein GRESB-Rating haben und den Dialog mit ihnen voranzutreiben. Dabei sollten die Beurteilung der bestehenden Situation und die Management Ambitionen der Gesellschaft im Vordergrund stehen und auch die Transparenz und die Vorgehensweise, um die nachhaltigen Ziele zu erreichen. Das sind Erkenntnisse, die kein Tool erfassen kann.

Bereitschaft ist entscheidend

Doch letztendlich zählen nur zwei Kriterien: welchen Mehrbetrag ist der Käufer bereit zu bezahlen für ein Gebäude mit nachhaltiger Zertifizierung? Und wird der Mieter eine höhere Miete akzeptieren, wenn er in einem solchen wohnen oder arbeiten kann? Beide Kriterien lassen sich gegenwärtig noch nicht in Franken und Rappen beziffern, doch die bisherigen Erfahrungen zeigen es deutlich: die Bereitschaft ist gering.

Remi Buchschacher