Mit der Lancierung des Swiss Sustainable Real Estate Index (SSREI) soll der Branche ein weiteres Nachhaltigkeitsinstrument zur Verfügung stehen. Immobilienbesitzer und Investoren sollen ihr Portfolio nach klar definierten Kriterien bewerten und diese Selbstbewertung durch die SGS verifizieren zu lassen, sagt Elvira Bieri von der SGS Société Générale de Surveillance SA. 

Wie wollen Sie sich gegenüber den bestehenden Nachhaltigkeitslabels positionieren?

Elvira Bieri: Der durch die MV Invest lancierte Swiss Sustainable Real Estate Index (SSREI)  ist ein Instrument zur Bewertung der Werthaltigkeit und Nachhaltigkeit eines Immobilien-Portfolios. Hierbei gilt es sogleich zu differenzieren, dass es sich beim SSREI um einen Index handelt, und nicht um ein weiteres Gebäudelabel wie beispielsweise Minergie, SNBS, SGNI oder LEED.

Welche Anhaltspunkte liefert das Tool?

Aus den Bewertungen der einzelnen Komponenten der Indexfamilie, ergibt sich folglich ein Benchmark, an dem sich die Investoren messen und – so die Absicht – ihr Portfolio gezielt verbessern können. Das SSREI Portfoliobewertungstool liefert dem Anwender entsprechende Anhaltspunkte und unterstützt dabei proaktiv bei der sukzessiven Erreichung der angestrebten Nachhaltigkeitsziele.

Woran orientiert sich der SSREI?

Der SSREI orientiert sich inhaltlich am SNBS (Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz). Er beinhaltet alle Aspekte, welche gemäss aktuellem Stand des Wissens zur langfristigen Werthaltigkeit eines Gebäudes beitragen. Ein global anerkannter und aktuell gehaltener Benchmark ist im Weiteren der GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark). Dieser unterscheidet sich in der Konzeptionierung aber deutlich vom SSREI, fokussiert er doch auf die Qualität eines gesamten Immobilien-Portfolios. Unter anderem anhand eines umfassenden Monitorings sowie auf die Art, wie dieses gemanagt wird, also anhand von Policies. Die einzelnen Gebäude hingegen werden nicht spezifisch bewertet; da beruft sich GRESB auf die bestehenden, international geltenden Labels wie LEED, BREEAM, SGNI oder auch den SNBS. Liegen solche Zertifikate vor, dann wird dies mit Punkten honoriert. Beim SSREI geht es insbesondere darum, eine aussagekräftige Einschätzung über die Qualität der einzelnen Objekte zu erhalten und diese Resultate für das ganze Portfolio zu aggregieren. Somit stehen SSREI und GRESB nicht in einem eigentlichen Konkurrenzverhältnis zueinander, vielmehr ergänzen sie sich.

Sie kündigen Informationen zur Marktvergleichbarkeit, Beurteilung der Werthaltigkeit sowie der Transparenzsteigerung in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Immobilienportfolios an. Wie kommt SSREI an diese Informationen heran?

Ziel ist es, möglichst viele Marktteilnehmer – sprich Immobilienbesitzer und Investoren – dazu zu motivieren, sich am SSREI zu beteiligen, das heisst ihr Portfolio nach klar definierten Kriterien zu bewerten und diese Selbstbewertung durch die SGS verifizieren zu lassen. Je mehr Akteure sich dem SSREI anschliessen, desto besser vermag er den Markt zu reflektieren. Gelingt es also – und davon bin ich überzeugt – die gewichtigsten Investoren und schliesslich die überwiegende Mehrheit der Marktakteure für den SSREI zu gewinnen, so eröffnet sich die Chance eines repräsentativen Vergleichs mit dem Gesamtmarkt aber auch unter den einzelnen Akteuren.Dieser «Nachhaltigkeitswettbewerb» schafft Dynamik; schneidet ein Portfolio unter dem gewichteten SSREI Index Benchmark ab, so entstehen Anreize, gezielt zu sanieren, um das Portfolio in eine werthaltige Zukunft zu führen.SSREI ist also ein Anreizsystem für einen guten Zweck.

Die SSREI­-Instrumente erlauben zudem eine Schätzung über das mögliche Verbesserungspotenzial und des damit verbundenen Investitionsbedarfs vorzunehmen. Wo liegen die Unterschiede zur bestens eingeführten DCF-Methode?

Die DCF-Methode basiert auf empirischen Daten. Mit der fortschreitenden Etablierung des SSREI im Markt werden mit der Zeit entsprechende Daten zur Verfügung stehen. Diese werden es alsdann erlauben, die zu erwartende Korrelation zwischen Nachhaltigkeit und Rendite herzuleiten. Aktuell handelt es sich bei den Aussagen zum Investitionsbedarf um individuelle Schätzungen des Investors, das heisst um Erkenntnisse, welche sich aus der Bewertung, welcher mitunter eine DCF-Methode zugrunde liegt, ableiten lassen.

Auf welchem Raster beruht der Index?

SSREI orientiert sich, wie einleitend erwähnt, am SNBS, adaptiert auf Bestandesliegenschaften. Der SNBS ist der erste umfassende Standard für nachhaltiges Bauen in der Schweiz. SNBS gehört zur Gebäudelabel-Familie von EnergieSchweiz (Bundesamt für Energie) und ist ein wesentliches Instrument zur Umsetzung der Energiestrategie 2050.

Was sind die Bedingungen für die Aufnahme in den SSREI?

Bedingung für die Aufnahme in den SSREI ist die Selbstevaluation der Liegenschaften auf der Basis des SSREI Portfoliobewertungstools und abschliessend die externe und unabhängige Verifikation durch SGS, als beauftragte Prüfstelle. Dabei handelt es sich um ein Expertenteam – die Indexkommission – welches die folgenden Disziplinen abdeckt: Architektur, Mobilität, Facility Management, Nutzerbedürfnisse, Wirtschaftlichkeit, Umwelt und Gesellschaft.

Wie werden die Bedingungen überprüft?

Basis für die Verifikation sind definierte Nachweise. Dabei handelt es sich massgeblich um Grundrisspläne, Mieterspiegel, Betriebskosten, Sanierungshistorien etc., das heisst um fundamentale Informationen, welche bei einem professionellen und geordneten Portfolio-Management grundsätzlich bereits verfügbar sein sollten und nicht spezifisch aufgearbeitet werden müssen. Was – das möchte ich an dieser Stelle sogleich anmerken – den Aufwand für die teilnehmenden Akteure wesentlich determiniert. Diese Selbstbewertung wird schliesslich anhand von Stichproben vom Prüfgremium der SGS nachvollzogen.

An wen richtet sich der SSREI?

Grundsätzlich richtet sich SSREI an institutionelle Investoren jeglicher Grösse, sprich Inhaber von Immobilien-Portfolios, in erster Linie an Immobilienaktiengesellschaften, -Fonds, Anlagestiftungen und Pensionskassen.

Ein Index wird erst interessant, wenn ihm möglichst viele Daten zugrunde liegen. Der SSREI wurde mit der Aufnahme desEdmond de Rothschild Real Estate SICAV (ERRES) vor einigen Wochen offiziell eröffnet. Welche Ziele streben Sie an und wie hat sich der Index zwischenzeitlich entwickelt?

Korrekt, ein jeweiliger Index geniesst erst dann eine aussagekräftige Repräsentativität, wenn die gelisteten Index-Komponenten den Markt in ausreichender Weise abbilden. Mit SSREI sind Bestrebungen im Gange, um die Aussagekraft in Bezug auf die nachhaltigkeitsspezifische Marktsituation und -Entwicklung zeitnah generieren zu können. Dies um schliesslich die zugrundeliegende Intention der Vergleichbarkeit,  Beurteilung der Werthaltigkeit, Transparenz und eine an sich nachhaltige Immobilienwirtschaft weiter voranzutreiben. Unter Berücksichtigung der Lancierung Anfang dieses Jahres – es handelt sich schliesslich um den ersten und einzigen Index dieser Art in der Schweiz – ist die bisherige Entwicklung durchaus erfreulich. Drei weitere Produkte befinden sich schon im Selbstevaluationsprozess. Abschliessende Gespräche mit weiteren namhaften Akteuren finden ebenfalls statt. Die Marktteilnehmer sind also bereit ihre diesbezügliche Verantwortung gegenüber ihren Anspruchsgruppen und der Gesellschaft wahrzunehmen.

Welchen Mehrwert bietet eine Aufnahme in den SSREI, insbesondere im aktuellen Marktumfeld?

Mehrwerte resultieren für verschiedene Akteure.Die Nachhaltigkeit spielt bei der strategischen Ausrichtung eine immer wichtiger werdende Rolle. Mit dem SSREI erhält der anwendende Investor ein effizientes Arbeitsinstrument für die Umsetzung der entsprechenden Nachhaltigkeitsstrategie, die Möglichkeit entsprechende Fortschritte als auch einen Track-Record verifiziert vorzuweisen und sich mit den anderen Marktteilnehmern und dem Gesamtmarkt zu vergleichen. Die in die einzelnen Index Komponenten investierenden Endinvestoren, welche bereits seit längerer Zeit und vermehrt, diesbezügliche Bemühungen von den Akteuren einfordern, profitieren von der neu geschaffenen Transparenz und werden bei ihren Entscheidungsprozessen unterstützt, das Anlagevolumen in nachhaltige Anlagen verzeichnet ja seit Jahren beträchtliche Mittelzuflüsse. Und nicht zuletzt für unsere Gesellschaft und Umwelt, welche schliesslich auch von einer nachhaltigen Entwicklung profitiert.

Wie garantieren Sie die Qualität?

Eine Verifizierung ist hierbei eine wichtige und zwingende Voraussetzung und ein Qualitätsgarant. Soll die Selbstevaluation aussagekräftig und glaubwürdig sein, so kommt man um eine Qualitätssicherung nicht umhin. Deshalb stossen entsprechende Qualitätssiegel auf breites Interesse und Anerkennung.

Besteht die Möglichkeit oder das Bestreben den Index mit anderen Instrumenten/Benchmarks wie zum Beispiel IAZI oder GRESB zu verknüpfen und vergleichbar zu machen?

Es gibt zurzeit viele individuelle Ansätze, das Immobilien-Portfolio im Hinblick auf seine Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit zu beurteilen. Das Ziel von SSREI ist es, Einheit und damit Vergleichbarkeit und folglich Konsistenz in diesem dispersen Markt zu schaffen. Zudem sollte dieses Instrument vom Ansatz her pragmatisch und auch für kleinere Immobilien-Portfolios anwendbar sein. Es geht um eine qualitative Bewertung welche – wiederum im Direktvergleich zum GRESB – keine umfassenden und aufwendigen Monitorings verlangt und somit kosten- und zeiteffizient umsetzbar ist.

Interview: Remi Buchschacher

Elvira Bieri ist Managing Director der SGS Société Générale de Surveillance SA in Zurich. Zudem ist sie Mitglied des Executive Committees des «Europa Forums Luzern» und Mitglied des Nachhaltigkeits-Beirates der ehemaligen Swisscanto, heute ZKB. Weitere Informationen zum Swiss Sustainable Real Estate Index (SSREI): www.ssrei.ch.