Die durch die Corona-Krise entstandene «neue Normalität», werde die Nachfrage nach Büroflächen nachhaltig beeinflussen, sagt Franz Fischer, Abteilungsleiter Immobilien bei der SUVA. Das wirke sich auch auf die Flächenanbieter und Arealentwickler aus. Die physische Präsenz am Arbeitsplatz werde aber trotz dem Trend zu Home Office unerlässlich bleiben.
Viele Unternehmen mussten in den letzten Wochen die Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmenden umstellen, und auf Homeoffice wechseln. Was bedeutet dies für die Zukunft der Büromärkte?
Franz Fischer: Der Büroflächenmarkt ist aufgrund der Corona-Pandemie mit einer nie dagewesenen Situation konfrontiert. Die Akzeptanz von Home-Office sowie virtuellen Sitzungen bzw. Konferenzen hat sich in kurzer Zeit markant erhöht. Diese «neue Normalität» wird die Nachfrage nach Büroflächen nachhaltig beeinflussen. Wir sind jedoch überzeugt, dass die physische Präsenz am Arbeitsplatz unerlässlich bleiben wird – und auch gewünscht angesichts des Bedürfnisses nach sozialer Interaktion.
Wie wirkt sich das auf die Nachfrage aus?
Im Bereich der Büroflächen rechnen wir kurz- und mittelfristig mit einer abnehmenden Nachfrage, bedingt durch den Beschäftigungsrückgang und dem verstärkten Trend zu mobilem Arbeiten. Dagegen könnte längerfristig der Trend zu mehr Home-Office im Falle einer wieder steigenden Beschäftigung kompensiert werden. Doch unabhängig davon beobachten wir im Büroflächenmarkt seit einiger Zeit eine rückläufige Neubautätigkeit. Eine Auswirkung der Corona-Pandemie gilt für den ganzen Markt: Das Tempo der digitalen Transformation hat sich deutlich beschleunigt.
Unternehmen optimieren nun die vorhandenen Büroflächen und planen durch Anpassung der Arbeitsmodelle bereits eine Reduktion der Flächen. Gibt es dazu bereits Zahlen?
Die Tendenz zu Flächenoptimierungen wird sich fortsetzen. Erhärtete Zahlen liegen derzeit nicht vor. Die künftige Büro- und Layoutplanung wird von der neuen Normalität mitgeprägt sein. Dies wird beispielsweise dazu führen, dass die maximale Nutzungskapazität in Grossraumbüros und Sitzungszimmer neu definiert wird.
Externe Coworking-Flächen werden nun beliebter. Wird Coworking die Nachfragerückgänge bei den Büroflächen ausgleichen können?
Die Nachfrage nach Coworking Spaces rührt nicht nur von Freelancern und Startups, sondern vermehrt auch von KMU und sogar von Grossfirmen. Die Auslastung von zentral gelegenen, modernen Coworking Spaces, die als Arbeitsplätze, Meeting- oder Schulungsräume genutzt werden können, wird steigen. Coworking wird den Nachfragerückgang bei den Büroflächen jedoch nur teilweise kompensieren, da mobiles Arbeiten auch im öffentlichen Raum – in Restaurants und in der Bahn beispielsweise – oft gut möglich ist.
Es ist davon auszugehen, dass sich der konventionelle Büromarkt in den kommenden Jahren fundamental verändern wird. Müssen Flächenanbieter nun vermehrt mit kürzeren Mietlaufzeiten rechnen?
Die Entwicklung zu kürzeren Vertragslaufzeiten bei Büronutzungen, verbunden mit einer erhöhten Mieterfluktuation, war bereits vor Corona feststellbar. Sie wird sich weiter akzentuieren und «early breaks» zum Standard machen. Kürzere Vertragslaufzeiten verlangen für Immobilienprodukte eine höhere nutzungs- und gebäudetechnische Flexibilität.
Eine weitere oft gehörte Forderung sind voll ausgebaute Flächen.
Voll ausgebaute Flächen sind immer ein gutes Vermarktungsargument, sofern das Produkt auf den Endnutzer abgestimmt ist. Der Komplettausbau führt jedoch zu einem höheren Mietpreis, da die Ausbaukosten über eine feste Laufzeit zu amortisieren sind.
All diese Massnahmen schützen nicht vor weiteren Firmen-Konkursen. Wie hoch schätzen Sie die Zunahme der Leerstände in Ihrem Portfolio?
Wir rechnen für unser Portfolio in den nächsten zwei bis drei Jahren mit leicht steigenden Leerständen. Insbesondere Gewerbe- und Geschäftsliegenschaften an B-Lagen sowie Nutzungen in besonders exponierten Branchen werden stärker unter Druck geraten. Trotz der bundesrätlichen Unterstützungsmassnahmen werden Corona-bedingte Konkurse nicht verhindert werden können, was die Leerstände grundsätzlich erhöhen wird. Bei existenzgefährdeten Mietern mit einem zukunftsgerichteten Businessplan streben wir individuelle Lösungen an, damit sie diese schwierige wirtschaftliche Situation überstehen. Die Suva gehört zu den ersten Vermietern, die aktiv auf diese Mieter zugegangen ist.
Ein wachsendes Überangebot stellt jetzt auch den Mietwohnungsmarkt auf die Probe. Zwar sinkt die Anzahl neuer Baugesuche, die Fertigstellung neuer Mietwohnungen dürfte trotzdem auch dieses Jahr auf hohem Niveau bleiben. Bringen die Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie jetzt auch den Mietwohnungsmarkt aus dem Gleichgewicht?
Einerseits wird infolge des konjunkturellen Einbruchs die Zuwanderung dieses Jahr tiefer ausfallen und dadurch die Nachfrage nach Mietwohnungen sowie die Angebotsmieten reduzieren. Der Umfang des Rückganges wird von der Dauer des Konjunktureinbruchs abhängen und sich entsprechend auf den Mietwohnungsmarkt niederschlagen. Andererseits erwarten wir, dass die abnehmende Neubautätigkeit stabilisierend wirkt. Objekte an attraktiven Lagen sowie gute Wohnprodukte mit USPs werden gefragt bleiben.
Der Wohnimmobilienmarkt gilt trotz schwächelnder Flächennachfrage als sicherer Hafen für Investoren. Wird das so bleiben?
Die Renditen von Wohnliegenschaften in Zentren und Agglomerationen werden sich seitwärts entwickeln. Die UBS rechnet dagegen im Segment Wohnen für die nächsten zwölf Monate mit steigenden Leerständen und einer längeren Absorptionsdauer. Für uns als institutioneller Investor bleibt der Wohnimmobilienmarkt im Hauptfokus. Dabei steht die Lagequalität im Vordergrund.
Viele Mieter dürften die Standort- und Wohnqualitäten ihres Zuhauses durch die Erfahrungen im Home-Office nun in einem neuen Licht sehen. Wird sich dies auf die Areal- und Wohnraumentwicklung der SUVA auswirken?
Eine frühzeitige Definition von Zielgruppen, Produkt und Pricing sind die entscheidenden Faktoren bei Projektentwicklungen. Arbeitsmodelle wie Home-Office oder Co-Working erleben dank Corona einen substanziellen Schub. Die gesellschaftlichen Anforderungen und Entwicklungen bei der Produktedefinition sind bei Um- und Neubauten weiterhin zu berücksichtigen – daran hat auch Corona nichts geändert.
Gibt es bei der Suva bezüglich der Fertigstellung neuer Projekte durch die Corona-Krise Verzögerungen?
Wir können unsere Bauprojekte im Rahmen BAG-Vorgaben, insbesondere betreffend Hygiene und Abstand halten, normal weiterführen. Es gibt keine substanziellen Verzögerungen.
Interview: Remi Buchschacher
Franz Fischer leitet seit 2015 die Abteilung Immobilien bei der Suva in Luzern. Damit ist er für eines der grössten institutionellen Portfolios der Schweiz verantwortlich, das 178 Liegenschaften zu einem Marktwert von 5,4 Milliarden Franken umfasst. Dies entspricht rund zehn Prozent des gesamten Anlagevermögens der Suva.