Die derzeitigen Entwicklungen rund um die L-QIF, die der Schweiz eine mit dem luxemburgischen RAIF vergleichbare kollektive Anlageform bescheren werden, seien äusserst interessant, sagt Philippe Zufferey von der Banque Cantonale Vaudoise. Diese neue Kategorie von kollektiven Kapitalanlagen könnte dafür sorgen, Arbeitsplätze und Wertschöpfung in der Schweiz zu behalten und das in Luxemburg deponierte Geld von Pensionskassen in die Schweiz zurückzuführen. 

Immobilienanlagen verzeichneten 2019 das beste Jahr seit 1997. Wie sind Ihre Annahmen und Überlegungen bezüglich der zukünftigen Entwicklung?

Philippe Zufferey: In der Tat verzeichneten die Schweizer Immobilienanlagen 2019 ein starkes Wachstum und für die BCV-Depotbank war es eines der erfolgreichsten Jahre. Der Markt für indirekte Immobilienanlagen konnte das schwierige Jahr 2018 mehr als wettmachen. Der Immobilienfondsindex verzeichnete ein deutliches Plus, das vom Index der Immobiliengesellschaften sogar noch übertroffen wurde. Was die künftige Entwicklung betrifft, so erwarten wir eine Normalisierung mit einem moderateren Wachstum sowie etwas mehr Volatilität. Aufgrund der soliden Fundamentaldaten, der weltweit freundlichen Konjunkturaussichten und insbesondere der anhaltenden Attraktivität von Immobilienanlagen mit Renditen, die nach wie vor mehr als drei Prozentpunkte über denen von Schweizer Anleihen liegen, sind wir jedoch weiterhin zuversichtlich. Zudem ist ein deutlicher Zinsanstieg im kommenden Jahr unwahrscheinlich.

Der positive Trend hält also an, die ersten Kapitaltransaktionen sind bereits in der Pipeline. Doch auch die Risiken steigen weiter.

Mit über 30 Prozent liegen die Agios in bestimmten Segmenten nahe den Rekordwerten von 2015 und 2017. Im Zuge der technischen Neubewertung der NAV ist jedoch mit einer Korrektur zu rechnen. Die FINMA hat jüngst erneut vor Risiken gewarnt. Es stimmt zwar, dass es Ähnlichkeiten zur letzten Immobilienkrise gibt, vor allem bei den Entwicklungen am Markt von Renditeliegenschaften, wie wachsende Leerstände, eine fehlende Nachfrage und steigende Preise. Doch gibt es einen grossen Unterschied: Die SNB erhöhte damals unerwartet den Diskontsatz von 3,5 Prozent auf 6 Prozent. Ein solches Szenario ist aber nach wie vor unwahrscheinlich. Die hohen Bewertungen sind zudem vor dem Hintergrund zu betrachten, dass die Dividendenrenditen der Immobilienanlagen nach wie vor deutlich über den Renditen der Schweizer Anleihen liegen.

Die hohe Dividendenausschüttung ist einer der grossen Assets einiger Produkteanbieter. Sie machen sich dadurch attraktiv. Steigt da nicht die Gefahr, die Substanz zu vernachlässigen?

Die Dividenden spielen eindeutig eine wichtige Rolle, aber auch der NAV und das Agio sind von Bedeutung. Der Markt für Immobilienanlagen bleibt ein sehr professioneller und anspruchsvoller Markt. Die Akteure sind sich bewusst, dass die Qualität des Portfolios von entscheidender Bedeutung ist. Sehr wichtig sind den Anlegern zudem die Strategie des Produkts, die Auswahlkriterien bei den Immobilienobjekten, deren Preis und Instandhaltungskosten, die Diversifikation usw. Bei der BCV-Depotbank legen wir sehr viel Wert auf die Qualität der Produkteanbieter.

Immer mehr Anbieter drängen in den Markt der Kollektivanlageprodukte. Dadurch steigt aber die Marktverwässerung. Wann werden die Investoren die Bremse ziehen?

Das Angebot deckt die Nachfrage bei Weitem nicht. Beispielsweise diejenige von Pensionskassen, die unter dem Druck stehen, auf einem Negativzinsmarkt eine positive Rendite zu erzielen. Anleger setzen weiterhin auf diese Anlageklasse. Der Markteinstieg neuer Anbieter bedeutet für die Investoren mehr Auswahl, mehr Vielfalt und damit ein breiteres Universum an konkurrierenden Produkten. Dies schafft einen gesunden Wettbewerb und zwingt die Anbieter, im Rahmen einer klar definierten und kommunizierten Immobilienstrategie eine solide Performance zu liefern.

Als grösste Real-Estate-Depotbank ist die BCV von den Regulierungstendenzen von Bund und Kantonen betroffen. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft?

Neue regulatorische Bestimmungen sind wichtig, um gewisse Risiken im Griff zu behalten oder zu beseitigen, bevor sie zum Problem werden, was gut ist. Regulierungen, die sich direkt auf die Branche der Schweizer Immobilientitel auswirken, verfolgen wir natürlich besonders aufmerksam. Insbesondere die derzeitigen Entwicklungen rund um die L-QIF, die der Schweiz eine mit dem luxemburgischen RAIF vergleichbare kollektive Anlageform bescheren werden. Diese Kategorie von kollektiven Kapitalanlagen (insbesondere Fonds und SICAV) ist qualifizierten Anlegern, wie Pensionskassen, Versicherungen, vermögenden Privatpersonen, vorbehalten und unterliegt nicht mehr der Genehmigungspflicht der FINMA. Ebenso gelten für sie weniger strenge Anlagebeschränkungen, wodurch die Entstehung atypischer Produkte begünstigt und damit das verfügbare Anlageuniversum erweitert wird.

Wie beurteilen Sie das?

Dies ist eine erfreuliche Entwicklung, die es der Immobilienverbriefungsbranche in der Schweiz ermöglicht, ein attraktives Anlagevehikel anzubieten, Arbeitsplätze und Wertschöpfung im Land zu behalten und das allzu oft in Luxemburg deponierte Geld unserer Pensionskassen in die Schweiz zurückzuführen. Die Depotbank wird auch in diesem veränderten regulatorischen Rahmen eine zentrale Rolle spielen, da ihre Verantwortung für die Vermögensverwahrung und Produktaufsicht gegenüber der FINMA unverändert bleibt.

Die ESG-Performance (Environment, Social and Governance) der Fonds bildet eine wichtige Komponente des Investmentprozesses. ESG hat einen Effekt auf alle Stakeholder in der Immobilienbranche. Wie hoch schätzen Sie den positiven Effekt der Nachhaltigkeit ein?

Der Faktor Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren auch bei Immobilienanlagen an Aufmerksamkeit und Bedeutung gewonnen. Richtig umgesetzt dient eine solche Strategie nicht nur der Umwelt, sondern auch den Liegenschaftsbesitzern, die bei deren Betrieb Kosten sparen. Die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit von Anlagen ist auch ein Wettbewerbsvorteil zur Überzeugung von Anlegern. Denn bei der Bewertung einer Investition in Immobilien achten immer mehr Anleger auf eine integrierte Nachhaltigkeitsstrategie des Produkteanbieters.

Was sind die Auswirkungen auf die einzelnen Fonds?

In einer Zeit, in der immer mehr Vermögensverwalter und Kunden versuchen, eine ESG-Strategie in ihr Portfolio zu integrieren, haben demnach Immobilienfonds, die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, die Möglichkeit, sich abzuheben und davon zu profitieren.

Die BCV ist ja eine grosse Bank aus der Romandie und auch in der Deutschschweiz aktiv. Wie würden Sie die beiden Landesteile bezüglich Real Estate unterscheiden?

Bei der Entwicklung der kollektiven Anlagen in der Westschweiz hat das Steuerumfeld eine besonders wichtige Rolle gespielt. Angesichts der im Vergleich zur Deutschschweiz deutlich höheren Handänderungs- und Gewinnsteuern ging der Trend in der Westschweiz vor allem zu kollektiven Immobilienanlagen gemäss KAG. Dabei liegt der Fokus auf «Buy & Hold»-Strategien, bei denen die stetige Wertsteigerung der zugrundeliegenden Immobilien im Mittelpunkt steht.Da die indirekt verwalteten Immobilienanlagen in der Deutschschweiz weniger von diesem doppelten Steuerzwang betroffen sind, sind sie eher als börsenkotierte Immobiliengesellschaften strukturiert. Diese profitieren zudem von einem wesentlich flexibleren regulatorischen Rahmen in Bezug auf Transaktionen und Hebeleffekte.

Wie wird sich der Verbriefungsmarkt entwickeln?

Eine neue L-QIF-Regelung dürfte dazu führen, dass der Verbriefungsmarkt die kollektiven Anlagen gegenüber den börsenkotierten Immobiliengesellschaften bevorzugt. Denn während die derzeitigen Haupthindernisse (Time-to-Market, Begrenzung des Hebeleffekts, Anlagebeschränkungen) beseitigt werden, bleiben die Vorzüge eines Anlagevehikels, das unter der Aufsicht der FINMA geführt, verwaltet und bei Spezialisten verwahrt wird, erhalten.

Wo sehen Sie die Schwerpunkte der BCV bezüglich Real Estate in diesem Jahr?

Die BCV ist schon seit vielen Jahren in den Bereichen Asset Management und Corporate Banking auf dem Zürcher Finanzplatz präsent – und seit dem 1. Januar dieses Jahres auch als eine der grössten Depotbanken für kollektive Immobilienanlagen. Vertreten wird die BCV-Depotbank in der Deutschschweiz durch Giliana Niffeler, die zu Jahresbeginn zur Bank stiess.

Ungeachtet jeglicher Zinsüberlegungen glauben wir, dass sich der Trend zur Verbriefung – das heisst der Umwandlung von direktem in indirektes Immobilieneigentum – fortsetzen wird, zum einen aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen wie Professionalisierung, Vielfalt der Strukturen, Einhaltung von Umweltstandards usw., zum anderen wegen der immer höheren Anforderungen der Investoren bezüglich Performance, Transparenz, Diversifikation usw. Daher möchten wir unser Angebot im Bereich der Schweizer kollektiven Immobilienanlagen weiter ausbauen.

Welches Ziel verfolgen Sie?

Unser Ziel ist es, die Produkteanbieter bei ihren Vertriebsaktivitäten, dem Sekundärmarkthandel sowie der Kommunikation mit den Anlegern professionell zu unterstützen, ihnen Zugang zu exklusiven Marktdaten zu bieten und ihnen ein Team von Experten in den Kernbereichen des Depotbankgeschäfts – wie Vermögensverwahrung, Überwachung von NAV und Fondstransaktionen, Zahlungsdienstleistungen und Kapitalerhöhungen – zur Verfügung zu stellen. Mit mehr als 30 kollektiven Immobilienanlagen, die 50 Prozent des Marktes für «White Label»-Produkte repräsentieren, der Zusammenarbeit mit sieben Immobilienfondsleitungen und einem Team von sieben Spezialisten, die sich mit rechtlichen, steuerlichen und technischen Fragen befassen, ist die BCV bestens positioniert, um die Entwicklung des Verbriefungsmarktes zu begleiten.

Interview: Remi Buchschacher

Philippe Zufferey ist Leiter der Abteilung Depotbank bei der Banque Cantonale Vaudoise. Der dipl. Betriebswirtschafter ist als Dozent und Experte gut vernetzt, etwa als Vizepräsident von Coptis (Fachverband für Immobilienverbriefung). Früher war er beim Bankverein (heute UBS) und bei PwC tätig. Seit 1998 steht er im Dienst der BCV und verantwortete dort unter anderem die Neupositionierung der Segmente Private Label- und Immobilienfonds.