Verdichtung von Siedlungen, Quartieren und ganzen Stadtteilen ist das raumplanerische Gebot der Stunde. Hierfür entwickelt sich ein breiter Konsens. Wenn es aber um die konkrete Umsetzung geht, macht die Bevölkerung oft nicht mit. Lösungsansätze werden am nächsten Swiss Real Estate Research Congress präsentiert und diskutiert.

Die Bauzonen an gefragten Immobilienstandorten werden immer rarer und die Preise an exponierten Lagen steigen weiter. Aber auchdas Bedürfnis nach städtischem Wohn- und Arbeitsraum nimmt zu. Wie lässt sich dieses Dilemma lösen? Raum- und Städteplaner raten zur Verdichtung, doch diese stösst zunehmend auf Widerstand in der Bevölkerung, bei Behörden und Verbänden. Doch wo nicht verdichtet werden kann, wird die Zersiedelung zunehmen.

Das aktuelle und dringliche Problem des ungebremsten Landverbrauchs und der damit einher gehenden Zerstörung der Landschaft ist nicht nur für Fachleute einleuchtend. Darüber herrscht ein breiter Konsens. Das Thema droht allerdings zu einer Mode zu verkommen – oder zu einer trendigen Verdichtungseuphorie. Die hitzigen Diskussionen sind allerdings nicht neu: Die Städte haben sich seit dem 18., spätestens aber seit dem 19. Jahrhundert immer wieder vor exzessiver Verdichtung zu befreien und zu schützen versucht. «Bei der Verdichtung der Siedlungsfläche stellt sich die Frage, worauf diese beruht. Eine ausgereifte, fundierte und breit abgestützte Vision für den Ort kann einen wesentlichen Beitrag leisten den Konflikt zu entschärfen. Eine Vision sollte zu verschiedenen Themen eine Aussage treffen», sagt dazu Claudio Däscher von Nüesch Development. Für eine breite Akzeptanz der Vision seien für deren Entwicklung verschiedenste Gruppen einzubeziehen. Bewohner, Unternehmungen (Arbeitgeber), Interessensvertreter. «Dieser partizipative Prozess muss jedoch zielgerichtet gesteuert werden, da ansonsten die Gefahr besteht, dass man sich vor lauter Mitwirkung verliert.»

Vorteile hervorheben

Ähnlich sieht es Roman Streit von der ETH Zürich: «Einerseits gilt es die positiven Aspekte einer Siedlungsentwicklung nach innen – oder Verdichtung, wie sie etwas einseitig genannt wird – hervorzuheben: Kulturland kann geschützt und Infrastrukturen, Verkehrserschliessungen besser ausgelastet und entsprechend pro Person kostengünstiger bereitgestellt werden.» Gewisse Qualitäten, die von breiten Bevölkerungskreisen geschätzt werden, wie etwa eine gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr oder die Versorgung des Quartiers mit Geschäften, Gastronomie, Betreuungsangeboten, erfordern für einen wirtschaftlichen Betrieb allerdings eine bestimmte Mindestdichte an dort lebenden Personen. Diese Zusammenhänge gelte es in Planungsprozessen den von «Verdichtungsprojekten» betroffenen Personen darzulegen. «Gleichzeitig sind durch die geschickte Anordnung von Nutzungen, Bauvolumen sowie öffentlichen und privaten Räumen die Konflikte zu minimieren», fordert Roman Streit.

Bauliche Dichte kann jedoch nicht allein das Ziel sein. Das Verdichten und insbe­sondere das Nachverdichten bestehen­der Siedlungen stellt eine grosse städte­bauliche und architektonische Heraus­forderung dar. Dichter zusammenleben ohne deutlich mehr Siedlungsqualität ist zum Scheitern verurteilt.Experten raten deshalb vermehrt dazu, nicht nur zu verdichten sondern auch zu entdichten. Doch wie lässt sich ein solches Konzept umsetzen? «Verdichtung bedingt, dass man Freiräume schafft. Je dichter die Menschen nebeneinander leben, desto mehr Frei-, Grün- und Ruheräume benötigen sie. Blockrandsiedlungen etwa können lärmgeschützte Innenräume ermöglichen, die Geborgenheit bieten. Ausgleichsräume mit einer hohen Aufenthaltsqualität sollen zum Verweilen einladen», rät Jörg Schläpfer von WuestPartner. Eine Entdichtung sei allerdings nicht einfach zu erreichen, gibt Jean-David Gerber von der Universität Bern zu bedenken, die Raumplanung müsse sich stets mit den Interessen der Grundeigentümer auseinandersetzen. Er rät deshalb zur Vorsicht: «Das bebaute Gebiet ist ein extremes Geflecht aus verschiedenen rechtlichen Interessen, die es abzuwägen gilt. Jede Intervention schafft Gewinner und Verlierer».

Meinungen gehen auseinander

Als städtebauliches Resultat dieser Entwicklung etabliert sich zunehmend das Urbane Quartier, welches auf einer abgegrenzten Fläche alle Vorzüge des städtischen Lebens verkörpern soll. Doch darüber, was darunter zu verstehen ist, gehen auseinander. «Grundsätzlich gibt es nicht das Urbane Quartier. Denn ein urbanes Quartier hat viel mit Identität zu tun, welche an jedem Ort etwas anders aussieht und im besten Fall von den Nutzern des Quartiers geprägt wird», definiert Claudio Däscher. Generell könne gesagt werden, dass ein urbanes Quartier eine bestimmte Personendichte aufweise, welche sich sieben Tage die Woche im Quartier aufhält. Das müssten aber nicht immer die gleichen Personen sein. «Aber es hat immer Personen darin.» Relevanter sei die Personendichte als die Geschossflächen-Dichte. «Es hilft nicht, wenn zwar sehr viel Wohnraum vorhanden ist, aber nur bestimmte Nutzergruppen, wie zum Beispiel Singles oder Doppelhaushalte, die Wohnungen bewohnen und am Wochenende auswärts sind. Wichtig ist auch innerhalb der Nutzungen ein breiter Mix an Angeboten über verschiedene Bevölkerungsschichten.»

Doch wie hat ein urbanes Quartier auszusehen? Dazu Roman Streit: «Die Festlegung einer Norm für die Gestaltung solcher Quartiere ist kaum möglich – sie hängt jeweils von den lokalen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung ab. Wichtig ist festzuhalten, dass sich Urbanität letztendlich nicht abschliessend planen lässt. Bauten wie auch öffentliche und private Aussenräume sind daher adaptierbar zu gestalten, damit sie für verschiedene mögliche Entwicklungen in der Zukunft gewappnet sind.» Jean-David Gerber von Universität Bern stellt fest, dass in den Diskussionen über die Entwicklungen in den Städten der Aspekt der Erschwinglichkeit oft verloren geht: «Die ökonomischen und ökologischen Aspekte stehen meistens im Vordergrund. Doch gerade in den Städten wird die Forderung nach erschwinglichem Wohnraum immer lauter. Die Städte sollten eine soziale Durchmischung anstreben und unterschiedliche Lebensstile ermöglichen – die Rezepte zum Erreichen dieses Ziels sind allerdings noch nicht gefunden worden.»

Wem gehört die Stadt?

Das führt unweigerlich zur Frage, wem die Stadt eigentlich gehört. Den Bewohnern, den Behörden oder den Investoren? «Im Grunde genommen kann man auf dem Grundbuchamt nachschauen, wem die Stadt gehört. Aber das ist eigentlich gar nicht die Frage, die relevant ist», sagt Claudio Däscher von Nüesch Development. Schlussendlich gehe es darum, dass die Rahmenbedingungen so ausgestaltet werden, dass alle drei – Bewohner, Behörden und Investoren für sich einen Mehrwert erkennen. «Dementsprechend ist es relevant, dass bei der Entwicklung der Stadt alle drei ihre Interessen und Vorstellungen einbringen und diese in einem ausgewogenen Verhältnis berücksichtigt werden.» Das sieht auch Roman Streit von der ETH Zürich so. Er verweist darauf, dass die Frage des Eigentums von Gebäuden und Boden eine sehr gewichtige sei in der Raumentwicklung: «Privateigentum von Boden kann die Freiheitsgrade der Besitzenden in der Entwicklung dieser Flächen erhöhen. Andererseits kann es aber auch die Durchsetzung von öffentlichen Interessen behindern oder gar verunmöglichen – etwa wenn von den Privateigentümerschaften eines Gebiets die Realisierung einer zusätzlichen Bebauung in ihrer Nachbarschaft bekämpft wird.» Dieses NIMBY-Phänomen – not in my backyard – bezeichnet die negative Seite der Haltung gegenüber Verdichtung. Streit fordert deshalb eine aktivere Bodenpolitik der öffentlichen Hand, etwa durch den Zukauf von Boden an strategisch wichtigen Orten. «Damit kann die öffentliche Hand auch einer zu einseitigen Profitorientierung bei der Entwicklung des Bodens entgegenwirken und öffentliche Interessen wie die Schaffung von preisgünstigem Wohn- und Gewerberaum sowie von qualitativ hochwertigen Freiräumen verstärkt durchsetzen.» Abgesehen davon, seien aus seiner Sicht auch neue Formen des Privateigentums denkbar, beispielsweise ein «Eigentum auf Zeit».