Die Kooperation unter den verschiedenen Bauprojektbeteiligten bei Neubauprojekten hat noch viel Luft nach oben. Die einzelnen Leistungsträger stellen zunehmend ihre jeweiligen Interessen vor die übergeordneten Projektziele.

Bei Planungsbeginn herrscht Aufbruchsstimmung, Euphorie und der Wille, den Prozess baldmöglichst zu starten, um schnell ein Zeichen zu setzen. Im Zuge der Abwicklung eines Bauprojektes entstehen dadurch oft Situationen, in welchen ein Vertragspartner am «längeren Ast sitzt» und diese Situation zum Nachteil des Ganzen ausnutzt. Häufen sich diese Situationen, wird dieses kleinere Übel von den Beteiligten stillschweigend akzeptiert – zu Lasten der angestrebten «Win- Win»-Situation. Die gesamte Tragweite dieses sukzessiven Abweichens von den Zielwerten zeigt sich wegen der langen Projektdauer vollumfänglich meist erst am Schluss. Weil der Bauherr auch in der Verantwortung steht, und eine Veränderung zum Positiven dann ohnehin nicht mehr möglich ist, werden diese Vorkommnisse meist kleingeredet.

Professionelle kennen das Problem

Institutionelle Bauherren unterscheiden sich von dieser Situation deutlich. Professionelle Bauherren, die laufend und in hoher Zahl Projekte planen und realisieren (Investoren, Bauabteilungen der öffentlichen Hand etc.) wissen um die Wichtigkeit der Vorarbeiten und der richtigen Wahl des Vergabemodells. Sie sind meist in der Lage, mit erfahrenen Mitarbeitern Projekte gezielt zu steuern und Problemlösungen rechtzeitig und zielorientiert anzugehen.

Branchenfremde Bauherren indessen begleiten diese mit wenig spezifischer Erfahrung, meist unter Zeitdruck und sehr oft ohne genügende, professionelle strategische und operative Definition der zu erreichenden Zielwerte. Projektleiter für grosse Neubauprojekte werden aus dem laufenden Betrieb rekrutiert. Die neue Aufgabe übernehmen sie oft zusätzlich zu den üblichen Aufgaben. Die zugezogenen Bauherrenberater sind wegen des engen Zeitrahmens und der ungenügenden Projektdefinition oft gezwungen, den Weg über Studienwettbewerbe zu suchen. Je nach Ausgestaltung ist damit der Weg für alternative, risiko- und leistungsoptimierte Beschaffungsformen bereits verbaut.

Die Folge davon sind iterative Verfahrensschritte, die den Fokus meist einseitig auf die ersten, meist nur architektonischen Planungsschritte reduzieren. Den für die Zielerreichung zentralen Aspekten wie Lebenszykluskosten, Flexibilität, Modularität und betriebliche Effizienz wird kaum Beachtung geschenkt. Zudem fördern die Schnittstellen der sequentiellen Schritte eine Kultur der Fehlerzuweisung anstelle der Lösungsfindung.

Beschaffungsmodell festlegen

Ist die strategische Ausrichtung des Unternehmens definiert und im Businessplan festgehalten, müssen dieselben Gremien entscheiden, mit welchem Risikoprofil der Businessplan umgesetzt werden soll – oder anders gesagt: welches Beschaffungsmodell ist aufgrund seines Chancen/Risikoprofils am besten geeignet, die festgelegten Ziele zu erreichen? Die Wahl des am besten geeigneten Beschaffungsmodells ist matchentscheidend für die erfolgreiche Zielerreichung am Ende einer meist sehr langen Verfahrensdauer und kann später kaum mehr korrigiert werden.

So stehen für die vielschichtigen Voraussetzungen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung, die ein unterschiedliches Chancen/Risiko Profil aufweisen. Dennoch werden Neubauten mehrheitlich nach dem klassischen Verfahren beschafft: Architekturwettbewerb, Generalplaner oder Einzelmandate, Ausführung mit Generalunternehmer oder wiederum Einzelvergabe. Dieses ist oft nicht das bestgeeignete Modell für die konkrete Aufgabe. Die schlechte oder zumindest suboptimale Eignung führt in der Folge zu grösseren Zielabweichungen. Der Erfolg beschränkt sich auf das fertiggestellte Bauwerk. Ein Vergleich, ob dasselbe mit einem anderen Verfahren besser, schneller oder günstiger realisiert worden wäre ist jeweils nicht mehr möglich. Es interessiert bei Fertigstellung auch kaum jemanden – mit Ausnahme des Betriebs und der Buchhaltung.

Unterschiedliche Sichtweisen

Im Bestellprozess treffen zwei Perspektiven aufeinander: diejenige des Bestellers (Bauherr) und diejenige des Leistungserbringers (Markt).

Perspektive Bauherr: Welche Grundlagen und Ziele muss der Bauherr erarbeiten bzw. erreichen, damit er die Entscheidungsfreiheit behält? Es lassen sich zwei Extrempositionen unterscheiden:

Beschaffungsmodell «Planungsleistung»: Wenige Grundlagen sind vorhanden und die Ziele sind auf einen konkreten Bedarf konzentriert, keine weiteren Ziele sind bekannt. Aufgrund der ungenügenden Vorbereitung erarbeitet der Bauherr alles sequentiell mit Planern. Weil das Ziel zu wenig präzise bekannt ist, kann auch kaum der richtige, schnellste und kostengünstigste Weg ins Ziel gewählt werden, sondern nur derjenige zum nächsten Zwischenziel. Die Bemessung des Erfolgs und der Leistung erfolgt nach dem Planungsaufwand, und nicht nach dem Grad der Zielerreichung.

Beschaffungsmodell «Werklieferung»: Die Grundlagen sind erarbeitet, die Ziele sind detailliert bekannt. Der Bauherr formuliert die Ziele präzise nach messbaren Kriterien bezüglich Nutzwert, Verfügbarkeit, Flexibilität, Multifunktionalität, Modularität, Qualität, Kosten und Terminen und verfügt über die Grundlagen, welche die Planer für die Erarbeitung benötigen. Die Entwicklung wird zudem geführt über messbare Vorgaben bezüglich Betriebsstrukturen, Betriebskosten und Lebenszykluskosten. Die Bemessung des Erfolgs richtet sich sodann nach dem quantitativen Grad der Zielerreichung.

Während der Bauherr im ersten Modell weitgehend alle Risiken selber trägt, ist es ihm im zweiten Modell möglich, einen grossen Teil der Risiken an den Anbietermarkt verbindlich zu delegieren. Entsprechend dem Theorem des Risikomanagements sollen die Risiken an den bestgeeigneten Risikoträger übertragen werden. Oder anders gesagt: im ersten Modell muss der Bauherr umfangreiche Ressourcen bereitstellen, um die Einhaltung von Qualität, Kosten und Termine zu kontrollieren – eine Sicherstellung ist aufgrund der Struktur faktisch unmöglich. Die Leistungserbringer haben hier keinen Leidensdruck; der Bauherr bezahlt Planungs- und Ausführungsänderungen ohnehin. Im zweiten Modell führt der Bauherr über messbare Vorgaben und delegiert deren Risiken weitestgehend an die Leistungsanbieter. Der Mehraufwand des Bauherrn in der Vorbereitungsphase wird durch deutlich höhere Effizienz in der Planungs- und Ausführungsphase mehr als kompensiert. Insbesondere kann er seine eigenen Ressourcen für das Projekt auf das wesentliche beschränken.

Für den Bauherrn stellt sich die Frage, wie und allenfalls mit wem seine Ziele des Bauprojektes umfassend erreicht werden können. Wie werden die Rollen und der Einfluss seiner Spezialisten definiert? Welche Berater sind in der Lage, passende Modelle für sein Projekt richtig auszusuchen und zu begleiten? Für welche Entscheide, Grundlagen, Planungen (strategisch und operativ) trägt der Bauherr die Verantwortung? Welche Aufgaben/Arbeiten kann er wirkungsvoll an wen delegieren?

Die Wahl des geeigneten Vergabemodells ist ein strategischer Entscheid, welcher den Erfolg des Projektes massgebend steuert. Dieser Entscheid muss vom Bauherrn in einer frühen Phase selber und bewusst gefällt werden. Er sorgt auch verantwortlich dafür, dass dieser strategische Entschluss tatsächlich durch seine Projektverantwortlichen und Berater vollständig umgesetzt wird.

Risikomanagement entscheidend

Für jedes Projekt gibt es eine Vielzahl von Risiken:

– Projektimmanente Risiken (Baugrund, Wetter, Organisation, Spezialisten, Planungsfehler, 
Schnittstellen, Verzögerungen/Ausfall/Insolvenz von Leistungsträgern, Qualitätsanforderungen, 
Mängel, Marktentwicklungen, etc.)

– Änderungen im Projekt (aufgrund von Bewilligungsverfahren, aufgrund eigener Zieländerungen, 
Anforderungen der Nutzer, etc.)

– Kosten- und Terminüberschreitungen

– Nichterreichen der gesetzten Ziele bezüglich Nutzwert, Flexibilität, Qualität, Effizienz, 
Lebenszykluskosten, Betrieb

Bauherren gehen vielfach davon aus, dass die wesentlichen Anforderungen (Kosten, Zeit und 
Qualität) durch klare Aufträge/Verträge sicherzustellen sind. 
Dabei wird oft übersehen, dass die qualitativen und schwer quantifizierbaren Kriterien bezüglich des Nutzwertes eines Bauprojektes nur dann mess- und bewertbar sind, wenn die Vorgaben zu 
Beginn ebenso mess- und überprüfbar definiert worden sind. Tatsächlich ist es nicht unüblich, dass mit der Vergabe eines Bauauftrages der Faktor Qualität eingefroren wird. Der Bauherr erwartet, dass die textlich formulierten Qualitätskriterien einzuhalten seien, ein Unterschreiten nicht toleriert und ein Übertreffen nicht zusätzlich honoriert werde. Als variabel werden die Faktoren Kosten und Zeit betrachtet, mit dem Ziel, beide so gering wie möglich zu halten. Gerade die Qualitätskriterien müssen jedoch zur Zielerreichung intensiv verfolgt werden. Betrachtet man den Nutzwert des Gebäudes über eine lange Nutzungsdauer, so erhält der Faktor Qualität eine andere Bedeutung. Dieser Nutzwert ist entscheidend für den ökonomischen Erfolg oder Misserfolg des fertigen Bauwerkes.

Die Krux mit der Zielformulierung

In der Idealvorstellung des Bauherrn streben alle Stakeholder nach dem vorgegebenen Projektziel und stellen ihre jeweiligen Partikularinteressen zurück. Dieses Selbstverständnis ist nicht per se gegeben, da kein Berater, Planer etc. ausschliesslich für die Ziele des Bauherrn arbeitet. Im Gegenteil. Jeder Stakeholder in einem Projekt verfolgt zwei Ziele: Die Interessen und Ziele seines Unternehmens gefolgt von den Projektzielen, welche einander meist diametral entgegenstehen: Hohe Baukosten und lange Beschaffungsverfahren sind Garant für bessere Honorare und von Mehrleistungen und Planungsänderungen können viele Unternehmen direkt profitieren.

Verschiedene Bauherren sind nicht in der Lage, alle Vorbereitungsarbeiten vollständig zu machen, weil sie darin keine oder zu wenig Erfahrung haben. Lücken können jedoch durch ein detailliertes, cleveres Pflichtenheft mit messbaren Beschreibungen der Ziele für Nutzung, Nutzwert des Projektes überbrückt werden. Damit kann ein wichtiger Teil der Risiken an den Anbietermarkt erfolgreich delegiert werden. Dafür gibt es erprobte Beispiele. Kompetente Berater und Bauherrentreuhänder sind in der Lage, entsprechende Pflichtenhefte zu formulieren und so für den Bauherrn nicht nur ein schönes Gebäude mit höchstmöglicher Ausnutzung und niedrigen Kosten, sondern vor allem ein funktionales flexibles und für die Zukunft ausgelegtes Gebäude zu bekommen. Gefragt sind Bauherrentreuhänder, welche nicht darauf abzielen, bis zur Schlüsselübergabe unverzichtbarer Steurer und Korrigierer zu bleiben (für Korrekturen, die ab und zu auch auf eigene Unterlassungen/Fehler zurückzuführen sind).

*Peter Gallmann ist Inhaber der Immexpert GmbH

Legende zur Grafik: Die Grafik zeigt die unterschiedlichen Modelle bezüglich Leistung und Risikotragung durch den Bauherrn bzw. Risikodelegation an den Leistungserbringer.