Die Knappheit am Schweizer Mietwohnungsmarkt verschärft sich praktisch im ganzen Land weiter. So- gar bisher verschmähte Ladenhüter finden mittlerweile Mieter. Der Mangel an Wohnungen ist bald so gross, dass er den Megatrend der Individualisierung zu stoppen vermag. Verdichtet wird nun mangels Planung und wegen ausgebremsten Angebots zwangsweise – über den Preis.

Die Leerstände im Schweizer Wohnungsmarkt schmelzen weiter in hohem Tempo dahin. 2023 ist die schweizweite Leerstandsquote von 1.31% auf 1.15% gesunken. Sie notiert damit nun unter ihrem Mittelwert der letzten 25 Jahre. Angebotsseitige Impulse sind für die nächsten Jahre noch immer nicht abzusehen, wie sich an den auf tiefem Niveau stagnierenden Baugesuchen für Wohnungen ablesen lässt.

Zuwanderung auf Rekordkurs

Die Nachfrage nach Wohnungen wird derzeit hauptsächlich durch die sehr hohe Zuwanderung getrieben. Und diese strotzt vor Stärke trotz eingetrübter Wirtschaftsaussichten, da der Hunger der Schweizer Wirtschaft nach ausländischen Arbeitskräften nach wie vor ungestillt ist. Sogar ein Übertreffen des bisherigen Rekordjahres 2008 bleibt weiterhin möglich, sollte sich die Migrationsdynamik gegen Ende Jahr nicht spürbar abschwächen.

Selbst letzte Ladenhüter werden vermietet

Angeführt wird das unaufhaltsam voranschreitende Abdriften in Richtung Wohnungsknappheit von den Entwicklungen am Mietwohnungsmarkt. Der Mangel an Mietwohnungen ist mittlerweile so gross, dass ausgeschriebene Wohnungen innert kurzer Zeit einen Mieter finden. Die mittlere Vermarktungsdauer von Mietwohnungen ist mit 27 Tagen auf tiefem Niveau weiter rückläufig. Vor einem Jahr mussten Mietwohnungen im Mittel noch eine Woche länger inseriert werden, um einen Abnehmer zu finden. Der Markt ist meistenorts bereits derart ausgetrocknet, dass sogar bisher nicht marktfähige Wohnungen Mieter finden. So hat die Zahl der Mietwohnungen, die mehr als 180 Tage auf Onlineportalen aufgeschaltet sind, innert Jahresfrist um mehr als zwei Drittel abgenommen. Deren Anteil hat sich von 17.5% auf 7.9% massiv reduziert.

Knappheit breitet sich aus

Einzig in strukturschwachen Randregionen der Schweiz, insbesondere im Jura, bleiben die Leerstände hartnäckig hoch, ja haben hier teilweise sogar zugenommen. Ansonsten geht die Zahl der leerstehenden Wohnungen in fast allen Regionen der Schweiz deutlich zurück. Am stärksten ist diese Dynamik derzeit in den Grossregionen Zürich und Ostschweiz. Dabei fällt auf, dass kein Zusammenhang zwischen der Höhe der grossregionalen Leerstandsniveaus und dem Rückgang der Zahl der leerstehenden Wohnungen besteht. Die Menschen ziehen in die Regionen, in denen sie einen Job finden. Innerhalb dieser Regionen lässt man sicher eher dort nieder, wo noch ein etwas flüssigeres Angebot verfügbar ist. Nicht ganz freiwillig zwar, denn in den begehrten Städten ist der Wohnungsmarkt meist stark ausgetrocknet. Man wird dort als Wohnungssuchender schon länger nur noch mit sehr viel Glück, Geduld oder «Vitamin B» fündig. Dies gilt insbesondere für die Grosszentren Zürich, Bern, Genf und Lausanne. Aber auch in vielen kleineren Zentren wie Chur, Thun, Wädenswil, Wettingen, Winterthur und Zug liegt die Leerstandsziffer deutlich unter einem halben Prozent. Ausgehend von ihren wirtschaftlichen Zentren frisst sich die Wohnungsknappheit in der ganzen Schweiz immer weiter und breiter in die Peripherie hinein.

Der Preis als Verdichter

Dass Knappheit und Preis nun zum Verdichter werden, ist eine Nebenwirkung der ungenügend umgesetzten Raumplanung, welche keine angemessenen Rahmenbedingungen für die gebotene Siedlungsentwicklung nach innen zur Verfügung stellt. Verdichtung ist zwar das Ziel, aber geplant war das natürlich nicht auf diesem Weg. Vorgestellt hat man sich, dass vermehrt in die Höhe und dichter gebaut wird und nicht, dass wir für weniger Wohnraum immer mehr bezahlen. Damit künftig wieder das Angebot auf die Nachfrage und nicht wie heute die Nachfrage auf das Angebot reagiert, müssen bestehende Grundsätze in den Bau- und Zonenordnungen dringend hinterfragt werden und Anreize für den Bau von zusätzlichen Wohnungen geschaffen werden. Denn sonst drohen weitere unnötige Wohlstandsverluste und immer grössere Härten in den weniger privilegierten Bevölkerungsschichten.

Verdichtung stockt weiter

Bis es so weit ist, muss weiter unter den bestehenden Rahmenbedingungen gebaut werden. Die neusten Zahlen zeigen hier zwar, dass die Verdichtung zunimmt. Die Zahl der Abbrüche von Wohnungen, ein Indikator für Ersatzneubauten, sowie der bauliche Zugang an Wohnungen durch Umbauten steigt kontinuierlich an. Aber diese immer noch sehr verhaltenen Verdichtungstendenzen reichen bei weitem nicht aus, um genügend Wohnraum zur Deckung der hohen Nachfrage zu schaffen.

Da aufgrund der herrschenden Knappheit derzeit praktisch jede gebaute Wohnung auch Mieter anzieht, dürfte die Bautätigkeit der nächsten Jahre die künftige regionale Bevölkerungsentwicklung zu einem grossen Teil bestimmen. Der Blick auf die aktuelle Projektpipeline zeigt, wo in den nächsten 1-2 Jahren am meisten gebaut wird. Über diese kurze Frist hinaus dürfte bis auf weiteres die Verfügbarkeit von unbebautem Bauland mit guter Erschliessung die Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklungen bestimmen.

Autoren: Fredy Hasenmaile, Michel Fleury Francis Schwartz Alexander Koch