Die Asset Management Association Switzerland (AMAS) hat Mindestanforderungen an die Offenlegung von umweltrelevanten Kennzahlen von Immobilienfonds entwickelt. Diese Kennzahlen äussern sich namentlich zu den vom Immobilienbestand der Immobilienfonds verursachten Treibhausgasemissionen. Sie traten am 1. Juli 2022 in Kraft. «Wenden sämtliche Immobilienfonds denselben Standard an, lassen sich in Zukunft die Produkte miteinander vergleichen», sagt Sandra Schneider-Frey, Head Legal & Regulatory Affairs bei der AMAS.

Keine Woche vergeht, ohne dass Immobiliengesellschaften oder -Fonds ihre Nachhaltigkeitsbemühungen bekunden. Überprüfbar sind diese eigenen Angaben nicht. Was ist davon zu halten?

Sandra Schneider-Frey: Der Begriff «Nachhaltigkeitsbemühungen» ist sehr allgemein und sagt nichts über die jeweilige Natur der ergriffenen Massnahmen aus. Bei den umweltrelevanten Kennzahlen, die von der Asset Management Association Switzerland Ende Mai publiziert wurden, geht es um die Offenlegung ganz bestimmter umweltrelevanter Informationen und somit ausschliesslich um eine verbesserte Transparenz. Legt ein Immobilienfonds unter anderem den Energieträgermix, den Energieverbrauch und die Treibhausgasemissionen des Gebäudebestands in seinem Portfolio offen, dann können sich dessen Anlegerinnen und Anleger ein besseres Bild vom Immobilienfonds machen. Namentlich geben diese Kennzahlen Auskunft darüber, wie es um die Dekarbonisierung dieses Portfolios bestellt ist. Mit der Offenlegung des Abdeckungsgrads können die Anlegerinnen und Anleger zudem die Entwicklung dieses Immobilienfonds über die Jahre beobachten. Wenden sämtliche Immobilienfonds denselben Standard an, lassen sich zudem die verschiedenen entsprechenden Produkte miteinander vergleichen. Betreffend die Frage der Überprüfbarkeit empfehlen wir, die umweltrelevanten Kennzahlen von einer Revisionsstelle prüfen zu lassen wie dies bereits bei den bisherigen Kennzahlen der Fall ist. Im Übrigen haben Anlegerinnen und Anleger immer das Recht, Dokumentationen und Reportings von Immobilienfonds vertieft zu prüfen und zusätzliche Informationen einzufordern.

Die Asset Management Association Switzerland fordert nun von den Immobilienfonds, Nachhaltigkeitskennzahlen zu erheben und auszuweisen. Wie kann die Energiebilanz von Immobilienportfolios verlässlich ausgewiesen werden?

Die Schweizer Immobilienfonds sind verpflichtet, die für die Berechnung der Kennzahlen notwendigen Daten von ihren Liegenschaftsverwaltungen erhältlich zu machen, die umweltrelevanten Kennzahlen zu berechnen und in ihren Jahres- und gegebenenfalls Halbjahresberichten zu publizieren. Anhand der Kennzahlen bietet sich Anlegerinnen und Anlegern ein umfassender und vergleichbarer Überblick: Sie geben Auskunft überden Energieträgermix, den Energieverbrauch, die Energieintensität, die Treibhausgasemissionen sowie die Intensität der Treibhausgasemissionen. Ausgewiesen werden muss zudem der Abdeckungsgrad, das heisst es ist auszuweisen, für welchen Anteil aller fertigen Bauten im Portfolio der Energieverbrauch erhoben wird.

Die umweltrelevanten Kennzahlen bezwecken die Erhöhung der Transparenz gegenüber den Anlegerinnen und Anlegern. Wie wollen Sie die ausgewiesenen Kennzahlen vergleichen?

Wenden verschiedene Immobilienfonds denselben Standard an, können die Anlegerinnen und Anleger diese miteinander vergleichen. Als Verband der Asset Management Industrie stellen wir mit den umweltrelevanten Kennzahlen ein Instrument zur Verfügung, der diesen Vergleich ermöglicht.

Konkret: Welche CO2-Reduktionsziele sollen angestrebt werden und wie werden diese abgebildet?

Die umweltrelevanten Kennzahlen dienen der Verbesserung der Transparenz. Es werden somit keine CO2-Reduktionsziele vorgeschrieben. Es ist nicht die Aufgabe des Verbands, CO2-Reduktionsziele vorzuschreiben und durchzusetzen, sondern den Informationsgehalt und die Transparenz in den jeweiligen Finanzprodukten in Bezug auf Nachhaltigkeits- und Klimaschutzbemühungen zu erhöhen und sicherzustellen. Die AMAS hat sich aber zu den Klimazielen des Bundes bekannt, bis ins Jahr 2050 bei den CO2-Emmissionen das Ziel «Netto-Null» zu erreichen. Die Publikation der umweltrelevanten Kennzahlen kann allenfalls für Immobilienfonds den Anreiz schaffen, den CO2– Fussabdruck des Gebäudebestandes zu senken und Massnahmen für eine bessere Energieeffizienz zu ergreifen.

Entsteht daraus ein Ranking, welche Fonds die Vorgaben am besten umsetzen?

Weder erstellt die AMAS Qualitäts-Rankings für Fonds oder andere Finanzprodukte noch ist mit der Publikation der umweltrelevanten Kennzahlen ein solches Ranking verbunden. Im Vordergrund steht das Etablieren eines einheitlichen Transparenzstandards für die gesamte Industrie.

Wie wird sich die Erhebung der umweltrelevanten Kennzahlen auf die Handelbarkeit von Immobilienfonds auswirken?

Die Publikation der Kennzahlen wird keinen direkten Einfluss auf die Handelbarkeit von Immobilienfonds haben. Grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Fonds, deren Dokumentation umfassend und transparent ist, ihre Attraktivität für Anlegerinnen und Anleger erhöhen. Damit dürfte unterm Strich auch die Nachfrage nach solchen Fonds eher steigen.

Werden damit nicht vor allem diejenigen Kapitalanlagegefässe bevorzugt, die über neue Gebäude im Portfolio verfügen?

Welche Anlagen sie bevorzugen, entscheiden die Anlegerinnen und Anleger selbst. Die Kennzahlen erhöhen lediglich die Transparenz und verbessern somit die Grundlage für den Anlageentscheid im Einzelfall. Es steht dem Immobilienfonds frei, auch weitere Informationen zum Gebäudebestand offenzulegen.

Der Gebäudepark in der Schweiz besteht aber vornehmlich aus Bestandesliegenschaften, die energetisch teils sehr schlecht dastehen. Um diese zu sanieren, braucht es viel Geld. Gehen Sie davon aus, dass die Mieten dadurch steigen werden?

Es ist nicht an der AMAS, Prognosen zur Entwicklung der Mieten zu machen. Wir weisen aber immer wieder darauf hin, dass die Transformation zu einer CO2-freien Wirtschaft und das Erreichen des «Netto-Null Zieles» mit Kosten verbunden ist. Da dürfen wir uns keine Illusionen machen.

Immobilienfonds werden mit diesen Auflagen vor grosse Herausforderungen gestellt. Vor allem kleinere Fonds werden kaum in der Lage sein, die Anforderungen zu erfüllen. Wächst hier die Gefahr von Greenwashing?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Wir beobachten, dass sich Greenwashing-Vorwürfe in erster Linie dann ergeben, wenn die Transparenz mangelhaft ist. Das heisst, es geht um Fälle, in denen Finanzprodukte als nachhaltig bezeichnet werden, obwohl sie diese Bezeichnung – wie auch immer sie definiert wird – nicht verdienen. Mit den umweltrelevanten Kennzahlen werden keine Aussagen zur Nachhaltigkeit gemacht. Es wird lediglich die Transparenz von Schweizer Immobilienfonds erhöht, was Greenwashing entgegenwirkt. Die Kennzahlen können im Übrigen auch von Fondsleitungen publiziert werden, die erst über wenige Daten verfügen. Deren Abdeckungsgrad ist dann einfach kleiner als bei Fondsleitungen, die bereits über etablierte Prozesse verfügen. Aber klar ist, dass jene Fondsleitungen, die die notwendigen Prozesse erst noch etablieren müssen, einen grösseren Aufwand zu vergegenwärtigen haben. Dies anerkennen wir auch.

Werden die Bewertungen nach der Einführung der Transparenzstandards unter Druck geraten?

Der Beitrag der AMAS darin, Anlegerinnen und Anlegern mehr Nachhaltigkeits-Informationen zur Verfügung zu stellen. Umso besser können diese einen fundierten Anlageentscheid treffen.

Interview: Remi Buchschacher

 

Was wird berechnet?

Die Asset Management Association Switzerland (AMAS) hat Mindestanforderungen an die Offenlegung von umweltrelevanten Kennzahlen von Immobilienfonds entwickelt. Diese Kennzahlen äussern sich namentlich zu den vom Immobilienbestand der immobilienfonds verursachten Treibhausgasemissionen. Sie traten am 1. Juli 2022 in Kraft. Die Umsetzungsfrist beträgt 18 Monate. Erstmals zu publizieren sind die umweltrelevanten Kennzahlen von Immobilienportfolios in allen Jahresberichten mit Abschlussdatum am oder nach dem 31. Dezember 2023.

  • Definition: Der Abdeckungsgrad ist die massgebliche Fläche der fertigen Bauten in qm im Verhältnis zur Gesamtfläche aller fertigen Bauten in qm.
  • Als massgebliche Fläche gilt entweder die Energiebezugsfläche (EBF) oder die vermietbare Fläche, für die der Energieverbrauch gemessen oder berechnet wird, in Quadratmeter (qm).
  • Als Methode des Messens gilt entweder das effektive Erheben der Daten mittels Zähler (manuell oder automatisch) oder das nachträgliche Erfassen mittels Belegen und Rechnungen.
  • Als Methode des Berechnens gilt das Modellieren der Daten anhand von Vergleichswerten (Benchmarks). Die verwendete Berechnungsmethode ist kurz zu erläutern.
  • Es ist offenzulegen, welche Methode für die Definition des Abdeckungsgrads verwendet wird.
  • Längerfristig sollte es das Ziel sein, dass sämtliche Daten gemessen werden.
  • Die gewählte Flächengrösse (EBF oder vermietbare Fläche) ist durchgehend über alle Kennzahlen zu verwenden. Es ist auszuweisen, welche Flächengrösse verwendet wird.
  • Die vermietbare Fläche entspricht der vermietbaren Fläche gemäss Mieterspiegel.
  • Bei der Berechnung des Abdeckungsgrads zu berücksichtigen sind alle Liegenschaften gemäss Liegenschaftsverzeichnis des Portfolios. Darunter fallen namentlich Wohnliegenschaften, kommerziell genutzte Liegenschaften sowie gemischte Bauten unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung als Stockwerkeigentum, Miteigentum, Single Tenant
  • Nicht als «fertige Bauten» gelten angefangenen Bauten, Bauprojekte, Bauland und Abbruchobjekte.
  • Eine Baute muss spätestens 18 Monate nach Erwerb oder Fertigstellung in die Berechnung aufgenommen werden.
  • Der Abdeckungsgrad ist in jedem Fall auszuweisen.

Sandra Schneider-Frey ist Head Legal & Regulatory Affairs bei der Asset Management Association Switzerland.