Die Schweizerische Nationalbank hat den Leitzins um 50 Basispunkte auf minus 0.25 Prozent angehoben. Damit ist das vorläufige Ende der Negativzinsen absehbar, was nach über sieben Jahren mit einem unveränderten Leitzins einen Paradigmenwechsel darstellt. Die Erhöhung der Leitzinsen und der Anstieg der Anleihenrenditen in diesem Jahr dürfte die derzeit sehr hohe Nachfrage nach Immobilien etwas schmälern, schreibt Wüest Partner in einer Einschätzung zur Leitzinserhöhung der Nationalbank. Dennoch dürfte der Druck auf die Preise vorerst limitiert bleiben.

Es werden aktuell wenig Liegenschaften zum Verkauf angeboten, das reale Zinsniveau ist nach wie vor sehr tief, die Wohnungsleerstände zeigen sich rückläufig und die Nachfrage am Nutzermarkt bleibt aufgrund des anhaltenden Wirtschaftswachstums intakt. Das Interesse an schweizerischen Renditeliegenschaften war in den letzten Monaten trotz der gestiegenen Anleihenrenditen gross, sodass die Zahlungsbereitschaft auf einem hohen Niveau verharrte. Aus diesem Grund wurden bei Transaktionen weiterhin tiefe Anfangsrenditen verbucht. Im Mittel aller beobachteten Transaktionen von Schweizer Renditeliegenschaften (Wohn- und Geschäftsnutzungen) wurde bis Mai 2022 eine Nettoanfangsrendite von 3.0 Prozent verbucht, was dem Vorjahresmittel entspricht.

Dass die Anfangsrenditen bei Immobilientransaktionen bis anhin auf dem Vorjahresniveau liegen, ist erstens darauf zurückzuführen, dass die realen Renditen von Anleihen weiterhin negativ ausfallen. Zweitens verzeichnet der Immobilienmarkt eine dynamische Nutzernachfrage nach Mietwohnungen und Büroflächen, was zu sehr stabilen Einnahmen führt. Drittens werden weiterhin sehr wenige Renditeliegenschaften zum Kauf angeboten. Und viertens wurde in der Vergangenheit ein «Time Lag» von typischerweise 2 bis 4 Quartalen beobachtet, bis Immobilienanfangsrenditen auf Zinsveränderungen reagierten. So gesehen ist es durchaus möglich, dass sich die Zahlungsbereitschaft für Immobilieninvestitionen erst noch anpassen wird.

Indirekte Immobilienanlagen

Bei den indirekten Immobilienanlagen mussten in den letzten Wochen starke Kursverluste verbucht werden. Damit folgt diese Anlageklasse grundsätzlich den Entwicklungen an den weltweiten Aktienmärkten. Die Performance der kotierten Immobilienfonds (gemäss WUPIX-F) seit Anfang Jahr beträgt minus 19.0 Prozent (Stand: 16. Juni 2022). Bei den kotierten Immobilienaktiengesellschaften wurde in diesem Jahr (bis 16. Juni 2022) eine Performance von minus 9.7 Prozent verzeichnet (gemäss WUPIX-A). Zum Vergleich: Der Swiss Performance Index schlägt seit Anfang Jahr mit einem Minus von 18.1 Prozent zu Buche.

Die negative Performance in diesem Jahr folgte auf eine Periode mit überdurchschnittlichen Gesamtrenditen. Die aktuellen Kursstände liegen bei den Immobilienfonds auf dem Niveau von Juli 2020 und bei den Immobilienaktiengesellschaften auf dem Level von Dezember 2020.

Dynamische Nachfrage nach Wohnraum

Die Zahl der inserierten Wohnungen war jüngst weiter rückläufig, nachdem bereits im letzten Jahr die Anzahl leerstehender Wohnungen abgenommen hat. Zurückzuführen ist dies erstens auf die stagnierende bis leicht rückläufige Neubautätigkeit. Zweitens ist die Nachfrage aufgrund des stärkeren Bevölkerungswachstums und wegen der regen inländischen Haushaltsbildung weiterhin dynamisch und dürfte auch bei einer leicht tieferen Kaufkraft nicht abnehmen. Gesucht sind vor allem grössere Wohnungen mit Möglichkeiten zum Homeoffice, die sich durchaus auch ausserhalb der Zentren befinden dürfen.

Aufgrund der stagnierenden Neubautätigkeit auf der einen und der schwungvollen Nachfrage auf der anderen Seite nehmen die Leerstandsrisiken ab. Hinzu kommt, dass in Zeiten hoher Inflation die Marktmieten generell steigen. Somit geht Wüest Partner von leicht steigenden Wohnungsmieten beim inserierten Angebot aus.

Vorerst stabiler Referenzzinssatz

Der für bestehende Mietverhältnisse massgebende hypothekarische Referenzzinssatz dürfte trotz des Zinsanstiegs vorerst auf dem Niveau von 1.25 Prozent verbleiben. Zwar sind die Hypothekarzinsen in den letzten Monaten gestiegen, der Referenzzinssatz reagiert jedoch aufgrund der Erhebungs- und Berechnungsmethodik stark zeitverzögert. Mit einem Anstieg ist bis Ende 2023 nicht zu rechnen.

Die Nachfrage nach Wohneigentum hat jüngst ein wenig nachgelassen. Seit Anfang Jahr ist gemäss Realmatch360 die Zahl der Suchabos gesunken, bei Eigentumswohnungen um 7.2 Prozent und bei Einfamilienhäusern um 9.1 Prozent (Stand: Juni 2022). Für diese Entwicklung gibt es mehrere Ursachen: Erstens sind die Hypothekarzinsen spürbar gestiegen, während zweitens gleichzeitig die Realeinkommen ein wenig gesunken sind. Drittens wurden aufgrund der wirtschaftlichen Verunsicherung viele Kaufentscheide etwas zurückgestellt; Indizien dafür zeigten sich anlässlich der neusten Befragung zur Konsumentenstimmung durch das SECO, bei der die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Wirtschaftsentwicklung markant negativer ausfielen. Viertens schliesslich stagnieren derzeit die Ersparnisse und Vermögen.

Auch wenn die Nachfrage nach Wohneigentum etwas zurückgegangen ist, liegt sie immer noch höher als das Angebot. Deshalb dürften die Preise weiter leicht steigen, wenn auch nicht mehr so stark wie in den letzten Monaten. Im 1. Quartal 2022 wuchsen die Preise von Einfamilienhäusern um 8.7 Prozent und diejenigen von Eigentumswohnungen um 7.5 Prozent (jeweils gegenüber dem Vorjahresquartal).

Stark steigende Baukosten

Die Schweizer Baubranche ist weiterhin mit Versorgungsschwierigkeiten und stark steigenden Materialpreisen konfrontiert. Zwar hat das Bundesamt für Statistik die offiziellen Zahlen über die Baupreisentwicklung im ersten Halbjahr 2022 noch nicht publiziert. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass im Hochbau die Jahresteuerung im Vergleich zum letzten Jahr nochmals angestiegen ist, wodurch Neubau- sowie Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten weiter spürbar zunehmen dürften. Im zweiten Halbjahr 2021 stiegen die Baupreise im Hochbau im Vergleich zum Vorjahreshalbjahr um 4.6 Prozent.