Mietzinssenkungen könnten die Lösung für die wachsenden Leerstände in den Innenstädten sein, sagt Sreten Petkovic von der Swiss Retail Solutions AG. Doch mit Vorsicht: Meistens würden die grossen Retailer davon profitieren, was den Mieter-Mix wiederum einschränke.

Der Onlinehandel setzt den Innenstädten massiv zu. Es gibt deutlich weniger Läden, in die man Einkaufen geht. Altstädte veröden. Was kann dagegen getan werden?

Sreten Petkovic: Viele Faktoren müssen für eine Kehrtwende berücksichtigt werden. Dabei gilt es die erfolgsversprechenden Hebel zu betätigen, die allerdings für die Mehrheit der Vermieter wiederrum obsolet erscheinen. Unsere institutionellen Kunden befinden sich oft in Lauerstellung und beobachten die Trends akribisch. Das beobachten wir oft in disruptiven Märkten. Einmal mehr ertappen wir uns dabei, wie im Spiel «Mikado». Wer zuerst das Stäbchen bewegt, der verliert.

Ein Patentrezept für lebendige Altstädte gibt es nicht, hört man immer wieder. Und trotzdem wird das Problem immer grösser.

Natürlich trübt die Zeit der Pandemie die Wahrnehmung der Lebendigkeit der Altstädte enorm. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Bevölkerung den Drang nach Erlebnissen sowie Ausgeh- und Shoppingmöglichkeiten immer noch verspürt. Das durch die Pandemie neu geweckte Bewusstsein hinsichtlich Konsumbereitschaft und erhöhter Sensibilisierung zu Preis/Leistung ist sicherlich ein nicht zu unterschätzender Treiber für diese negative Entwicklung. Auch wir als strategische Berater sind auf den weiteren Verlauf der Konsumentenverhalten nach COVID19 gespannt und inwiefern einschneidende Anpassungen auf der Angebotsstruktur stattfinden müssen.

Es gibt Städte, die das Thema nicht so wichtig nehmen und Magnete in Aussenquartieren bewilligen. Was raten Sie diesen?

Im Grundsatz sind wir der Ansicht, dass Behörden weder die Quelle noch ein allfälliger «Retter» des Negativtrends sind. Vielmehr muss der Fokus zuerst auf die Vermieter gelegt werden. Einerseits nimmt der Investitionshunger durch den hohen Anlagedruck weiterhin zu, andererseits spüren wir aufgrund des Bewertungsdrucks die geringere Bereitschaft zu neuen Ideen sowie Problemlösungen. Aus dieser Perspektive betrachtend liegt somit das Problem der Innenstädte weniger beim Konsumenten oder den Städten selber, wobei genau diese beiden Interessensfelder suchen vehement, schon fast verzweifelt nach Lösungen.

Wie könnte so eine Strategie aussehen?

Drei grundlegende Ansätze: Koordinierte Mietzinsherabsetzung – Förderung von neuen Trends – weniger grosse Modeketten.

Wie stark ist die Bereitschaft der Vermieter, ihre Strategie anzupassen?

Leider sind die meisten Vermieter – vor allem institutionelle – passiv und ganz wenige extrovertiert aufgestellt. Nach wie vor wird die Challenge mit externer Mandatsverteilung abgeschoben, um die eigenen Bemühungen durch namhafte externe Unternehmen zu schützen. Nach dem Motto: Den Weg des geringsten Widerstandes.

Nun greift die Politik ein: Die Stadtberner Regierung möchte künftig nur noch jenen Läden Räume im Erdgeschoss vermieten, die man auch betreten kann – ohne vorgängig einen Termin zu vereinbaren. Darüber wird in Bern im Herbst abgestimmt. Sind noch mehr Gesetze der richtige Weg?

Nein definitiv nicht. Das löst das Problem der hohen Mietzinse und die ungenügende Förderung von neuen Trends und innovativen Brands nicht. Die Politik aber auch die Retailer müssten sich vielmehr damit auseinandersetzen, wie die hohen Preisunterschiede zwischen dem Online- und Auslandhandel zu erklären sind. Sind die Mehrpreise mit dem geschärften Preisbewusstsein der Konsumenten vertretbar? Weshalb?

 

Jede Reglementierung bremst die Kreativität derjenigen, die für lebendige Innenstädte sorgen sollten. Im Grunde geht es ja auch um die Verweildauer der Besucherinnen und Besucher. Wie können diese angelockt und zum Verweilen gehalten werden?

Das ist nicht Teil unserer Beratungen, damit befassen sich ja die Raum- und Städteplaner. Wir legen den Schwerpunkt vor allem auf die Vermietersicht.

Es gibt auch die gegenteilige Strategie: In Rheinfelden zu Beispiel wurden sogenannte Wohngassen eingeführt. Dort ist es erlaubt, im Erdgeschoss eines Altstadthauses zu wohnen. Ist das sinnvoll?

Zum Glück gibt es auch gegenteilige Strategien. Nicht jede Innenstadt ist als Retailstandort geeignet.

In Luzern zum Beispiel leidet die Pfistergasse in der Innenstadt unter einem grossen Leerstand in den Erdgeschossen. Einige Ladenlokale stehen schon seit längerer Zeit leer. Müssten die Mieten gesenkt werden, um die Innenstädte zu beleben?

Absolut! Eine koordinierte Mietzinssenkung ist der erste richtige Schritt, aber Vorsicht: Meistens profitieren die grossen Retailer davon und stehen als Erstes auf der Matte. Eine Mietzinssenkung mit der gezielten Anpassung des Mieter-Mixes für neue Unikate ist aufgrund unserer Analysen äusserst erfolgsversprechend – für Vermieter, Mieter und hauptsächlich für die Innenstädte.

Wie sieht der Vergleich unter den europäischen Städten aus?

Erlauben Sie mir auch eine subjektive Erfahrung zu teilen. In meiner Freizeit durfte ich viele Teile Europas bereisen und dabei neue spannende Kulturen kennenlernen. Diese Erfahrung habe ich mit Beobachtungen im Kaufverhalten erweitert und spannende Erkenntnisse gewonnen. Jedes Land und jede Stadt tickt auf seine Art und Weise unterschiedlich. So können wir auch in der Schweiz ein Erfolgsrezept der Berner Innenstadt nicht für die Luzerner Innenstadt adaptieren. Jede Region besitzt eine eigene Konsumkultur. Durch das Verstehen des individuellen Kaufverhaltens erschaffen wir lebendige Innenstädte.

Sreten Petkovic ist Verwaltungsrat der Swiss Retail Solutions AG