Digitalisierung von Immobilien: wer nicht digitalisiert wird sterben. Internet of Things als Gegenmittel wird von der Branche noch viel zu wenig erkannt. Big Data und Datenanalyse sind offenbar die grösste Baustelle der Immobilienbranche. Von Anita Horner* 

In Zeiten des COVID-19 wird uns in diversen Bereichen aufgezeigt, wo sich die Grenzen gewisser Muster befinden. Der Digitalisierungsprozess vieler Unternehmungen wurde wegen – oder Dank – dem Lockdown beschleunigt. Was bis anhin immer wieder auf die lange Bank geschoben wurde, konnte plötzlich innert weniger Tage umgesetzt werden und ganze Belegschaften digital mobil gemacht.

Natürlich sind die meisten Immobiliendienstleister längst digital unterwegs – virtuelle Besichtigungen werden zur Norm, Dokumente fleissig digitalisiert, Bots beantworten die häufigsten FAQs auf Webseiten. Doch wie sieht es mit Immobilien aus? Die technische Digitalisierung befindet sich in unserem Land noch in den Kinderschuhen. Gemäss der EY-Studie zum Thema Digitalisierung in der Immobilienbranche gaben nur sechs Prozent der befragten Unternehmungen an, über einen Chief Digital Officer zu verfügen!

Aus derselben Studie von April 2019 geht erschreckend hervor, wie ernst die Lage in der Schweiz ist: So ist beispielsweise I.o.T für zehn Prozent der Befragten ein unbekanntes Thema. Weitere 24 Prozent stufen es als nicht relevant ein. Kann es sein, dass der Mehrwert und die beinahe unzähligen Optimierungsmöglichkeiten – und dies sowohl in finanzieller als auch in funktionaler Hinsicht – (noch) nicht erkannt werden?

Ein reiner Kostentreiber?

Verständlich ist, dass neue Technologien und aktive Datenanalysen für viele Immobilienfachleute wie ein Buch mit sieben Siegeln erscheint. Gemäss einer weltweiten Umfrage des Marktforschungsinstituts Vanson Bourne ist die Situation ernüchternd: nur ein Viertel der Chefs verstehen ohne Hilfe von Data Scientists ihre eigenen Daten. Big Data und Datenanalyse sind offenbar die grösste Baustelle der Immobilienbranche.

Viele sehen die technische Digitalisierung heute nur als Kostentreiber: Hier wird oftmals gespart. Zu wenig erkennbar sind noch die Antworten auf die Fragen: was, wie und wozu? Zu viele Eigentümer wiegen sich noch in einer falschen Sicherheit, dass die Gebäude-Digitalisierung keine Notwendigkeit sei, weil sie den entsprechenden Nutzen noch zu wenig erkennen.

Immobilieneigentümer täten sich gut daran, die Kosten einer Gebäudedigitalisierung genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit einem präzisen Gebäude- oder gar Quartier-Monitoring liessen sich tausende von Franken sparen. Datenbasiert und nutzerzentriert könnte man das Leben einer Immobilie oder eines Portfolios besser antizipieren und so die Erträge nachhaltig sichern.

Grosses Einsparpotenzial vorhanden

Den Wert solcher Anwendungen wird ebenfalls oft okkultiert oder ist einfach nicht bekannt. Vernetzte Gebäude können Reparaturprozesse wesentlich verkürzen, indem gewisse – bis anhin geltende – Arbeitsschritte schlichtweg nicht mehr notwendig sind. Und ganz nebenbei lassen sich damit Daten sammeln und auswerten, um so bessere Entscheidungen zu treffen. Oder wie es William Edward Deming sagte: «Ohne genaue Daten sind Sie nur eine weitere Person mit einer Meinung.»

Immobilieninvestoren wären gut beraten, ihre Investments in Zukunft vermehrt auf kundenbasierte, datenzentrierte Liegenschaften oder Portfolios zu richten. Ansonsten gehen sie das Risiko ein, in unbekannte Gewässer mit einem blinden Kapitän zu segeln. Ähnlich wie die Autobranche, die vom Automobilhersteller zum Mobilitätsdienstleister mutiert, muss sich auch die Immobilienbranche mit ihrer digitalen Zukunft auseinandersetzen. Ihr Überleben basiert darauf, wie gut sie ihre Produkte und Kunden kennt. Nur so können Prozesse effizient – wenn auch nicht komfortabel – umgestaltet werden, Kundenbedürfnisse frühzeitig erkannt und entsprechende Dienstleistungen und Produkte entwickelt werden. Firmen, die diesen Zug verpassen blicken in keine gute Zukunft.

*Anita Horner, Präsidentin von wipswiss und Immobilienexpertin bei Real Butler