Ausgabe 42/2024 vom 18.10.2024.

«La Crème de la Semaine»: Der Rückblick auf das Beste der Immobilienwoche. Kuratiert und redigiert.

Veränderung der Angebotsmieten stark kantonsabhängig

Im September sind die Angebotsmieten in der Schweiz insgesamt leicht gestiegen. Dabei zeigen sich jedoch je nach Kanton deutliche Unterschiede, sowohl mit Blick zum Vormonat als auch im Vorjahresvergleich. Gegenüber September 2023 sind die Angebotsmieten teilweise gar über elf Prozent gestiegen. Dies zeigen die aktuellen Zahlen des Homegate-Mietindex.

Im September zeigt sich in vielen Kantonen keine, respektive lediglich eine leichte Veränderung der Angebotsmieten. So haben sich diese nur in rund einem Drittel der Kantone über die Marke eines halben Prozentpunktes nach unten oder oben bewegt. Am stärksten zugenommen haben die Angebotsmieten im Kanton Schwyz (plus 3.1 Prozent), gefolgt von Uri (plus 1.3 Prozent) sowie Freiburg und Basel-Stadt (je plus 1 Prozent). Ob sich diese sprunghafte Zunahme in Uri halten wird, werden die kommenden Monate zeigen. Zurückgegangen sind die Angebotsmieten im September hingehen in Schaffhausen (minus 1.4 Prozent), im Kanton Graubünden (minus 1 Prozent) sowie im Wallis (minus 0.7 Prozent). Dagegen zeigt sich im Vorjahresvergleich für alle Kantone ein Anstieg, welcher in den Kantonen Schwyz (plus 11. 4 Prozent) und Zug (plus 11.1 Prozent) sogar zweistellig ausfällt.

Veränderung in den Städten
Bei den untersuchten Städten nahmen die Angebotsmieten mit einem Plus von 1.1 Prozent insbesondere in Basel zu, während sie in Lausanne um 0.5 Prozent zurückgingen. Alle weiteren untersuchten Städte weisen Veränderungen zwischen 0 und 0.5 Prozent auf. Im Vergleich zum September 2023 zeigen sich auch hier ausschließlich positive Werte, allen voran in Luzern (plus 8.2 Prozent) und Zürich (plus 6.8 Prozent).

Der Homegate-Mietindex für Angebotsmieten wird vom Immobilienmarktplatz Homegate in Zusammenarbeit mit der Zürcher Kantonalbank (ZKB) erhoben. Er misst die monatliche, qualitätsbereinigte Veränderung der Mietpreise für neue und wieder zu vermietende Wohnungen anhand der aktuellen Marktangebote. Gegenüber dem Vormonat hat sich der Index im September um 0.2 Punkte erhöht und steht nun bei 128.1 Punkten (plus 0.2 Prozent). Gegenüber dem Vorjahr konnten die Angebotsmieten schweizweit um 3.9 Prozent zulegen.

Mit dem Alter ändern sich die Wohnanforderungen

Mit dem Alter ändern sich die Wohnanforderungen, und viele Menschen stehen vor der Frage, ob sie in ihrem vertrauten Zuhause bleiben oder eine altersgerechte Wohnform wählen sollen. Die aktuelle Immo-Barometer-Befragung 2024 von Wüest Partner, SVIT Schweiz und HEV Schweiz beleuchtet diese Thematik erstmals im Detail. Die vorliegenden Ergebnisse bietet wertvolle Einblicke in die Einstellungen und Präferenzen dieser wachsenden Zielgruppe.

Die Befragung zeigt, dass viele Menschen über 50 Jahre grundsätzlich bereit sind, ihre Wohnsituation im Alter anzupassen. Fast drei Viertel der Mieter und mehr als zwei Drittel der Eigentümer können sich vorstellen, im höheren Alter umzuziehen. Dies weist auf eine hohe Bereitschaft hin, sich den veränderten Anforderungen im Alter zu stellen. Der Besitzstatus spielt jedoch eine wesentliche Rolle: Mieter sind erwartungsgemäss am ehesten bereit, ihre Wohnsituation zu ändern. Aber auch unter den Eigentümern von Einfamilienhäusern zeigt sich eine bemerkenswerte Offenheit (siehe dazu die Ergebnisse in der Grafik). Am niedrigsten ist die Bereitschaft unter den Bewohnern einer Eigentumswohnung. Die typischerweise grössere Barrierefreiheit und der niedrigere Flächenverbrauch im Bereich der Eigentumswohnungen dürfte dafür ein wesentlicher Grund sein. Hinzu kommt der geringere Aufwand für den Unterhalt der Aussenflächen ebenfalls von Bedeutung sein. Zu hohe Wohnkosten und zu grosse Häuser und Wohnungen werden häufig als Umzugsgründe genannt. Die Gründe für einen möglichen Umzug im Alter variieren je nach Wohnsituation: Mieter über 50 Jahre nennen vor allem finanzielle Aspekte. Bei Eigentümer insbesondere von Einfamilienhäusern steht der Aufwand für den Unterhalt im Vordergrund. Mit zunehmendem Alter scheint es vielen schwerzufallen, die Instandhaltung von Haus und Garten alleine zu bewältigen. Bei der Suche nach einer altersgerechten Wohnung spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Für ältere Mieter stehen die Wohnkosten an erster Stelle. Auch die Infrastruktur im Wohnumfeld – wie ein guter Anschluss an den öffentlichen Verkehr und nah gelegene Einkaufsmöglichkeiten – trägt zur Lebensqualität bei.

https://www.svit.ch/de/immo-barometer-2024-wie-wollen-sie-im-alter-wohnen

 

Wohnbau als wichtiger Faktor für die Standortpolitik

Wohnungsmangel als Wachstumsbremse: Die Förderung der Wohnbautätigkeit dürfte zu einem wichtigen Instrument der Standortpolitik werden. Eine dynamische Bautätigkeit kann in Zukunft regionale Standortvorteile bringen.

Das Wachstum der Erwerbsbevölkerung stellt einen bedeutenden Pfeiler für das Wirtschaftswachstum dar. Dieses setzt allerdings eine entsprechende Ausweitung des Wohnraums voraus. Bisher ist die Rechnung aufgegangen: In der Dekade ab 2011 verzeichnete die Schweiz einen Anstieg der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von knapp 39 000 Personen jährlich bei zeitgleich 55 000 Baugesuchen.

Doch dieses Gleichgewicht droht nun zu kippen. Denn in den nächsten Jahren gehen die bevölkerungsstarken Jahrgänge der Babyboomer-Generation in Pension, während zahlenmässig kleinere Jahrgänge in die Erwerbsbevölkerung nachrücken. Die Erwerbsbevölkerung der Schweiz würde ohne Zuwanderung bis 2030 um 4 Prozent schrumpfen, wobei die Kantone Werte zwischen 1 Prozent in der Waadt bis fast 8 Prozent im Kanton Nidwalden verzeichnen. Das Wachstumspotenzial der Schweizer Wirtschaft droht als Folge fehlender Arbeitskräfte mittel- bis langfristig um 0,5 Prozentpunkte zu sinken. Soll das Beschäftigungswachstum der vergangenen Dekade hingegen gehalten werden, bräuchte es eine entsprechend hohe Zuwanderung, die den demografisch bedingten Mangel der Erwerbsbevölkerung aufwiegt. Wir schätzen, dass bis 2030 dafür 55 000 bis 60 000 Wohnungen pro Jahr entstehen müssten. Jedoch schränken derzeit sinkende Leerstände und eine rückläufige Baupipeline die Verfügbarkeit von Wohnraum für Zuzügerinnen und Zuzüger ein.

Das grösste Defizit bei der Wohnbautätigkeit lässt sich in der Genferseeregion feststellen. Dort werden aktuell nur halb so viele Wohnungen geplant, wie nötig wären, um das hohe Beschäftigungswachstum der Vergangenheit zu ermöglichen. Auch der Grossteil der wachstumsstarken Zentralschweizer Kantone und der Grossraum Zürich weisen diesbezüglich deutliche Defizite auf. Doch auch bei bisher unterdurchschnittlich wachsenden Kantonen kann sich die künftige Wohnbautätigkeit als Flaschenhals erweisen, wobei die Gründe vielfältig sind. So werden in Basel-Stadt und Schaffhausen aktuell deutlich weniger Baugesuche gestellt als in den letzten Jahren. In den Kantonen Nidwalden und Bern hingegen dominiert der Alterungseffekt der Erwerbsbevölkerung, der eine höhere Einwanderung erfordern würde.

Schlafkantone im Vorteil

Hingegen dürften die übrige Westschweiz, die Ostschweiz und das Tessin über ausreichend Wohnraum verfügen – sofern das aktuelle Niveau der Baugesuche gehalten werden kann. Die Kantone Uri und Neuenburg könnten mit der aktuell hohen Wohnbautätigkeit sogar mehr Beschäftigungswachstum erzielen. In den Kantonen mit dem grössten Wohnungsdefizit wird erwartet, dass die Wohnungsknappheit zunimmt und sich der Druck auf die Mietpreise vergrössert. Kleinere Wohnflächen sowie eine verlangsamte Haushaltsbildung wären weitere Folgen. In der Vergangenheit hat sich Wohnungsnachfrage jeweils in benachbarte Kantone verschoben. So stieg in einigen Kantonen wie Freiburg und Aargau die ansässige Erwerbsbevölkerung schneller als die Zahl der Beschäftigten. In Zukunft wird dieser Effekt aufgrund des Wohnungsdefizits jedoch deutlich schwächer ausfallen.

Wohnbau als Standortfaktor

Beschäftigungsmangel wird sich ohne Produktivitätsschub negativ auf das zukünftige Wirtschaftswachstum auswirken. Kantone mit zu wenig Wohnbautätigkeit verlieren dementsprechend an Standortqualität. Für Arbeitnehmende steigern hohe Mieten die Haushaltskosten und senken so die Wohnattraktivität. Für Firmen wird es in diesen Kantonen schwieriger, Arbeitskräfte zu finden. In Grenzkantonen können noch mehr Grenzgängerinnen und Grenzgänger das Problem der Wohnungsknappheit lindern. Doch ein höheres Verkehrsaufkommen und fiskalische Ausfälle wären die Folge. Auch eine Erhöhung der Erwerbsquote – insbesondere bei älteren Personen – kann Abhilfe schaffen und die Auswirkungen des demografischen Wandels lindern. Aktuell zeigt der Wohnbautrend in die falsche Richtung. Die Zahl der Wohnbaugesuche liegt im Durchschnitt der Kantone rund 20 Prozent tiefer als zwischen 2011 und 2021. Hinzu kommt, dass die Baubewilligungen praktisch überall länger hängig sind. Letztlich dürfte aber die Förderung der Wohnbautätigkeit zu einem wichtigen Instrument der Standortpolitik werden. Eine dynamische Bautätigkeit dürfte in Zukunft regionale Standortvorteile bringen.

Autoren: Matthias Holzhey, Economist, UBS Switzerland AG; Katharina Hofer, Economist, UBS Switzerland AG

 

Immobilien-Anlageprodukte mit guten GRESB Resultaten

Verschiedene Schweizer Immobilien-Anlageprodukte haben am Global Estate Sustainability Benchmark (GRESB), dem führenden Benchmark für Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche, teilgenommen und gute Resultate erzielt. Bei UBS Real Estate Switzerland wurden über die Hälfte der Immobilienanlageprodukte (16 von 22) im Rating der Bestandsliegenschaften mit 5 bzw. 4 Sternen ausgezeichnet. Auch 1291 Die Schweizer Anlagestiftung erreicht ein gutes Ergebnis bei GRESB 2024. Nach einer Testphase im Vorjahr erreicht die Anlagestiftung mit 3 von 5 GRESB Stars bereits im ersten Jahr ein solides Ergebnis. Die für den Benchmark entscheidenden GRESB Scores zeigen mit 80/100 Punkten eine etablierte ESG-Performance, die in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden soll. Der Schweizer Immobilienfonds Swiss Central City Real Estate Fund (SIX Swiss Exchange: CITY), gemanagt durch Nova Property Fund Management AG, erreicht ebenfalls sehr gute Ergebnisse bei GRESB 2024. Nach einer Testphase im Vorjahr erreicht der Fonds aus dem Stand mit 4 von 5 GRESB Stars ein sehr gutes Ergebnis. Die für den Benchmark entscheidenden GRESB Scores zeigen mit 86/100 Punkten eine sehr gute ESG-Performance. Varia US Properties erzielt 2024 die bisher besten GRESB-Bewertungsergebnisse mit 87 Punkten und 4 Sternen und will die ESG-Verbesserungsziele fortführen.

Auch die Fonds Realstone RSF und Solvalor 61 sowie die Anlagegruppe Realstone Wohnimmobilien Schweiz (RIRS) haben im GRESB-Benchmark gute Ergebnisse erzielt. Der Fonds Realstone RSF erzielte 84/100 am Standing Investments Benchmark (+5 Punkte gegenüber 2023) und 99/100 am Development Benchmark (+9 Punkte). Der Fonds Solvalor 61 erreicht 85/100 am Standing Investments Benchmark (+2 Punkte) und 99/100 am Development Benchmark (+9 Punkte). Die Anlagegruppe Realstone Wohnimmobilien Schweiz (RIRS) erreichte am Standing Investments Benchmark 77/100 (+4 Punkte), während sie am Development Benchmark nicht teilnahm, da sie im Berichtsjahr keine Projekte entwickelte.

Akara Diversity PK: Kapitalaufnahme im November geplant

Die Fondsleitung der Swiss Prime Site Solutions plant, eine weitere Kapitalerhöhung für den Akara Diversity PK durchzuführen. Die Zeichnungsfrist der 13. Kapitalerhöhung ist auf Montag, 11. November bis Freitag, 29. November 2024 terminiert. Angestrebt ist eine Kapitalaufnahme im Umfang von CHF 50 – 80 Mio. Die Liberierung der Fondsanteile erfolgt am Freitag, 13. Dezember 2024. Die detaillierten Emissionskonditionen werden vor Zeichnungsbeginn publiziert. Die Kapitalerhöhung wird unter Wahrung der Bezugsrechte der bestehenden Anteilinhaber erfolgen. Sollte es freie Bezugsrechte geben, haben neue Investoren die Möglichkeit, am Fonds zu partizipieren. Die Kapitalaufnahme werde überwiegend für den strategiekonformen Ausbau des Portfolios eingesetzt, schreibt die Fondsleitung. Exklusive Transaktionsopportunitäten konnten bereits gesichert werden. Zudem werden laufende Projekte finanziert sowie nach Möglichkeit die Fremdkapitalquote weiter reduziert. Der Akara Diversity PK mit einem Gesamtanlagevermögen von rund CHF 2.8 Mrd. steht in der Schweiz domizilierten, steuerbefreiten Vorsorgeeinrichtungen sowie Sozialversicherungs- und Ausgleichskassen offen.

Elvira Bieri: «Einheitliche Standards führen zu verbesserter Transparenz»

Elvira Bieri ist Geschäftsführerin der SSREI AG. Als ehemalige und langjährige Länderchefin der SGS Société Générale de Surveillance SA verfügt sie über ausgewiesene Erfahrung im Bereich Standards und Zertifizierung. Sie antwortet auf elf Thesen zum Thema Standards zur Klärung von Missverständnissen.

 Standards sind wichtig, sie regeln nicht nur das Zusammenleben, sie sind in der Wirtschaft nicht wegzudenken. Warum harzt es mit den Standards ausgerechnet im Nachhaltigkeitsbereich bei Immobilien? Die Menge an Gebäudestandards in der Schweiz überblickt niemand mehr.

Viele Länder haben noch keine Gebäudestandards, in der Schweiz haben wir zu viele, insbesondere deshalb, weil ausländische Standards zur Anwendung kommen. Um den Gebäudebestand nachhaltig zu betreiben sowie weiterzuentwickeln, und um Bauvorhaben nachhaltig auszuführen, steht uns mit den Schweizer Standards jedoch ein vollständiges Instrumentarium zur Verfügung: SNBS respektive Minergie fürs Bauen, SSREI respektive GEAK für die Bestandsqualität, SGNI – DGNB-GiB für den Betrieb und, wer eine umfassend nachhaltige Unternehmensführung anstrebt, der lässt sich nach GRESB benchmarken. Im Leitfaden «Nachhaltigkeits-Standards für Immobilien» (siehe Kästchen) wurden die in der Schweiz bekannten Gebäudestandards für den Bestand beschrieben und einander gegenübergestellt. Den Überblick verloren haben wir trotz der Menge nicht.

 Ausländische Standards sind also ungeeignet für die Schweiz.

Baunormen sind stets lokal und Nachhaltigkeit hat etwas mit der lokalen Baukultur zu tun. Zwar sind die Themen weitgehend überschneidend, jedoch nicht gleich ausgeprägt, was sich in den Standards niederschlägt. So sind beispielsweise Ausnützung und Nutzungsdichte in der Schweiz wegen der Wohnungsknappheit eminent wichtige Themen, welche sich in ausländischen Standards in dieser Ausprägung nicht finden. SIA hat mit der Norm 112/1 «Nachhaltiges Bauen – Hochbau» ein einheitliches Verständnis von nachhaltigen Gebäuden geschaffen. SNBS respektive SSREI sind Umsetzungen dieser Kriterien in Gebäudebewertungsinstrumente. Wenn wir die Transformation des Schweizer Gebäudebestands in konsistenter Art und Weise vollziehen und unsere Baukultur stärken wollen, dann ist die Branche angehalten, unsere Standards anzuwenden.

 Gebäudestandards ändern sie permanent und es kommen neue auf den Markt.

Die SIA 112/1 «Nachhaltiges Bauen – Hochbau» wurde 2004 erstmals publiziert und 2017 nachjustiert, aber in den Grundsätzen nicht angepasst. Standards werden üblicherweise periodisch verbessert; so kennt die ISO den 5-Jahres-Zyklus.

Nachhaltige Anlagen sind ein «Hype», der verschwinden wird, wie er gekommen ist. Wie beurteilen Sie diesen Satz?

Nachhaltigkeit ist längst Teil des Risiko-Managements der Wirtschaft. Ebenso ist der Gesetzgeber nachgezogen. Wie immer bei einem jungen Gebiet kommen zuerst unzählige Lösungen unkoordiniert auf den Markt. Danach folgt die Phase der Konsolidierung, woraus dann Struktur und Ordnung entsteht. Solange die offenkundigen Probleme nicht gelöst sind, ist diese Thematik nicht aus unserer Wirtschaft und Gesellschaft wegzudenken.

Standards tragen also zu dieser Ordnung und letztlich zur Lösung bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung bei. Befinden sich die richtigen Standards im Eigentum von Non Profit Organisationen?

Die Rechtsform ist kein Kriterium für die Anerkennung von Standards. Wesentlich ist, dass die Standards sogenannte Certification Schemes sind, das heisst, öffentlich zugänglich sind und durch unabhängige Dritte kontrolliert werden. buildingSMART International Ltd., welche Standards für die digitale Transformation der Baubranche entwickelt, ist eine privatrechtliche Organisation. Die BSI Group, SGS – wo der SSREI seinen Ursprung hat – und viele mehr gehören zu den internationalen Marktführern für Normen und Zertifizierung.

 Organisationen, die Beratung/Bewertung und Zertifizierung anbieten, verhalten sich also regelwidrig?

Beratungsfirmen dürfen als Prüfer tätig sein – aber nicht beim selben Kunden. Bietet eine Firma beide Dienstleistungen an, so muss sie sich bei jedem Kunden für eine der beiden entscheiden. Die Logik ist: Man darf seine eigene Arbeit nicht überprüfen.

 Normen und Standards haben keine echte Bedeutung; verbindlich sind demnach nur Gesetze?

Das Produktesicherheitsgesetz (PrSG) verlangt die Erfüllung der Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen und verweist dabei auf die technischen Normen. Firmen sind oft nicht lieferfähig, wenn sie keine Managementsystem-Zertifizierung nachweisen können. Standards und Normen haben demnach quasi-regulativen Charakter. Gerade im Schweizer Immobilienmarkt setzt man auf Selbstregulierung, das heisst auf privat vereinbarte Regeln.

Standards schaffen Transparenz und Vergleichbarkeit. Doch niemand will diese. Sind Transparenz und Vergleichbarkeit gar nicht gewünscht?

Man muss unterscheiden zwischen inhaltlicher und methodischer Transparenz. REIDA, ein Standard für Energie-Monitoring und -umrechnung in CO2-Emissionen, beweist, dass methodische Transparenz erwünscht ist. Unterschiedliche Methoden führen zu unterschiedlichen Ergebnissen, was weder im Sinne der Immobilienbesitzer noch der Anleger ist. Bei den umfassenden Standards für den Bestand geht es nicht nur um die Energiedaten, sondern um den Bilanzwert. Dieser darf nicht der Willkür des Bewerters ausgesetzt sein, wogegen es nur ein Mittel gibt: Einheitliche Methodik, sprich Standard.

Ist also das Thema Nachhaltigkeit bei den Bewertern noch nicht angekommen?

Mit NUWEL, dem Leitfaden «Nachhaltigkeit und Wertermittlung von Immobilien», hat sich die Bewerterbranche der DACH-Länder bereits 2011 zur Nachhaltigkeit geäussert. 2017 wurde der SVS um ein Nachhaltigkeitskapitel ergänzt und das Schätzerhandbuch angepasst. 2022 hat RICS die Guideline «Sustainability and ESG in commercial property valuation and strategic advice» herausgegeben. Die Grundlagen sind also da. Noch fehlt die Umsetzung, weil Nachhaltigkeitskriterien oft «intangibel» sind und der Schätzer auf empirisch erhärtete Daten angewiesen ist. Diese werden einmal mehr aus den standardisierten Portfolioanalysen gewonnen.

 Das Gros der Immobilienbesitzer will offenbar keine verbindlichen Bewertungsregeln, geht doch damit das Risiko von Bilanzbereinigungen einher. Was ist die Konsequenz davon?

Man stelle sich die Finanzrevision ohne einvernehmliche Methoden wie Swiss GAAP FER respektive IFRS oder die Bewertungsbranche ohne definierte Methoden wie DCF vor! Es wird zu Bilanzbereinigungen in beide Richtungen kommen. Aber der Eigentümer hat es in der Hand, die Richtung mit geeigneten Massnahmen zu beeinflussen.

Es braucht kein aktives Portfolio-Management – es reicht, wenn man Nachhaltigkeit im Rahmen von Sanierungen vorantreibt, wird etwa als Argument eingebracht. Verliert das Thema Nachhaltigkeit dadurch nicht an Bedeutung?

«Im Betrieb liegt das Potenzial», so die Aussage von Andreas Meyer, Geschäftsführer Minergie (Quelle: RICS-HSLU-Webinar vom 23.6.2023). Und dies gilt nicht nur für das Thema Energie. Die Standards für den Bestand sind so ausgelegt, auch operative Opportunitäten aufzudecken. Diese ungenutzt zu lassen, ist eben kein (aktives) Portfolio-Management, sondern passive Bewirtschaftung.

Das Geld sollte nicht in die Portfolio-Analyse, sondern in die Verbesserungsmassnahmen fliessen. Werden hier Vorgehensweisen gegeneinander ausgespielt?

Analysen führen bekannterweise noch nicht zu Verbesserungen, aber ohne sie kann die Verbesserung nicht gezielt eingeleitet werden. Sie müssen umfassend und aussagekräftig genug sein; Mikromanagement in dieser Phase halte ich aber für die falsche Flughöhe.

Interview: Remi Buchschacher

 

Leitfaden schafft Transparenz

Als gewichtiger CO2-Emittent und Energiekonsument steht die Immobilienbranche vor einer dringend notwendigen, nachhaltigen Transformation. An Instrumenten, mit welchen die verschiedenen Herausforderungen angegangen werden können, mangelt es hingegen nicht. Im Gegenteil, die Auswahl an entsprechenden Standards ist äusserst divers. Hierbei die Übersicht zu behalten ist nicht immer einfach, sodass eine zielführende Einordnung dieser Standards besonders wichtig ist.

Mit dem Leitfaden «Nachhaltigkeits-Standards für Immobilien», welchen Elvira Bieri zusammen mit weiteren Standard-Eignern erstellt hat, wird hier nun Abhilfe geschaffen. Mittels einer Gegenüberstellung der gängigsten Nachhaltigkeitsstandards für den Schweizer Immobilienmarkt, wird den Akteuren eine wichtige Orientierungs- und Entscheidungshilfe in die Hand gegeben. Die Einordnung erfolgt dabei in Bezug auf den Zweck, das Konzept sowie auch bezüglich Aufwand respektive Kosten. Mit der «Landkarte Standards und Labels» existiert zudem bereits ein analoges Papier für die nachhaltigen Bau-Standards.

Der Leitfaden für Bestandsgebäude führt Immobilieneigentümer durch den Entscheidungsprozess und unterstützt, in Abhängigkeit der spezifischen Ausgangslage und Zielsetzung, bei der Wahl des richtigen Instruments. Ausschlaggebend für die Wahl des geeigneten Standards ist dabei stets die individuelle Nachhaltigkeitsstrategie: sie schafft den Rahmen für die Bestandsanalyse, aus welcher schliesslich die Immobilienstrategie abgeleitet wird. Das diesbezügliche, methodische Vorgehen wird im Leitfaden ebenfalls erläutert.

Der Leitfaden kann hier https://mvinvest.ch/de/#downloads kostenlos heruntergeladen werden.