KI kann heute viele Aufgaben im Property Management unterstützen – von der Analyse über die Planung bis zur Kommunikation. Aber noch ersetzt sie keine menschliche Expertise, sondern erweitert sie, ist Niklas Naehrig, Leiter Consulting & Sustainability bei Wincasa, überzeugt. DieDatenqualität sei zudem eine der grössten Herausforderungen für den erfolgreichen Einsatz von KI.

Künstliche Intelligenz verändert das Property Management grundlegend – von smarter Kommunikation bis zur intelligenten Gebäudeanalyse. KI-Prozesse automatisieren Abläufe, optimieren Kosten und ermöglichen nachhaltige Lösungen. Wo lässt sich KI am besten einsetzen im Property Management?

Niklas Naehrig: Künstliche Intelligenz bietet eine Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten im Property Management – sowohl in administrativen als auch in technischen Bereichen. Besonders effektiv ist sie aktuell in der Datenanalyse und Berichterstattung. Mithilfe von KI lassen sich beispielsweise Kostenanalysen schneller und präziser erstellen, Situationen vorbewerten oder Szenarien simulieren, um fundierte Entscheidungsgrundlagen zu schaffen. Auch bei der Erstellung und Interpretation von Berichten kann KI unterstützen, indem sie grosse Datenmengen verarbeitet und visuell aufbereitet. Ein weiteres wichtiges Feld ist die ‘predictive maintenance’. Bisher wurden Wartungszyklen anhand statischer Tabellen geplant. Heute kann KI – gestützt auf grosse Datenmengen – frühzeitig Hinweise auf mögliche technische Defekte liefern. In diesem Kontext sind Annäherungen an Zeitpunkte ausreichend, was den Einsatz von KI erlaubt. Trotz dieser Vorteile ist es wichtig zu betonen, dass KI-Systeme als Assistenzsysteme zu verstehen sind. Die Verantwortung für finale Entscheidungen liegt nach wie vor bei der Fachperson. Der Mensch fungiert als ‘Gatekeeper’, der die von der KI gelieferten Ergebnisse einordnet und validiert.

Gibt es Unterschiede beim Einsatz von KI?

Nicht alle Bereiche des Property Management eignen sich gleichermassen für den Einsatz von KI. Besonders im Bereich der Abrechnungen – etwa bei Energie oder Wasser – sind gemessene Werte entscheidend. Hier stösst KI an Grenzen, da sie auf interpolierten oder geschätzten Werten basiert. Während solche Annäherungen bei Themen wie Abfallmengen oder Parkplatznutzung vertretbar sind, sind sie bei prüfungsrelevanten Themen – zum Beispiel bei Audits – nicht akzeptabel. Ein weiteres interessantes Einsatzfeld ist der digitale Zwilling, bei dem reale Immobilien digital abgebildet werden. Damit lassen sich Prozesse simulieren, Optimierungspotenziale identifizieren und Betriebsszenarien durchspielen. Das ermöglicht nicht nur ein vorausschauendes Management, sondern auch strategische Entscheidungsfindung auf datenbasierter Grundlage. Kurz gesagt: KI kann heute viele Aufgaben im Property Management unterstützen – von der Analyse über die Planung bis zur Kommunikation. Aber noch ersetzt sie keine menschliche Expertise, sondern erweitert sie.

Integration mit bestehenden Systemen: Die Integration von KI-Lösungen in bestehende IT-Infrastrukturen kann komplex sein. Was sind die Herausforderungen bei der Implementierung von KI im Property Management?

Die grösste Herausforderung bei der Implementierung von KI ist die vorhandene Systemlandschaft. Sie gibt den Rahmen vor und entscheidet letztlich darüber, welche Tools technisch überhaupt integrierbar sind. Dieses Thema ist nicht spezifisch für das Property Management, sondern betrifft nahezu alle Branchen: Je nach Systemarchitektur kann die Anbindung neuer Technologien sehr aufwendig sein.

Wo zum Beispiel?

Besonders bei geschlossenen, proprietären Systemen entstehen zusätzliche Lizenzkosten, während Open-Source-Lösungen zwar kostengünstiger wirken, dafür aber häufig Fragen zur Datensicherheit aufwerfen. Diese Balance zwischen Flexibilität, Sicherheit und Kosten macht die Auswahl und Integration geeigneter KI-Lösungen zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Ein konkretes Beispiel aus der Praxis ist ein Projekt bei Wincasa im Bereich des Kundendienstes: Dort kommt KI zum Einsatz, um eingehende Mieteranfragen zu analysieren und strukturiert aufzubereiten. Solche gezielten Anwendungen zeigen, wie KI bereits heute in bestehende Prozesse eingebunden werden kann – auch wenn der Aufwand für die technische und organisatorische Integration nach wie vor nicht zu unterschätzen ist.

KI benötigt qualitativ hochwertige und gut strukturierte Daten, um effektiv zu funktionieren. Wie sieht es mit der Datenqualität und -verfügbarkeit aus?

Die Datenqualität ist eine der grössten Herausforderungen für den erfolgreichen Einsatz von KI. Zwar verfügen viele Unternehmen der Immobilienbranche über grosse Datenmengen – allerdings sind diese häufig unstrukturiert, lückenhaft oder nur in analogen Formaten vorhanden. Ein klassisches Beispiel sind Verbrauchsdaten, die oft noch als eingescannte PDFs vorliegen oder aus Excel-Dateien mit unterschiedlichen Formaten stammen. Diese Ausgangslage macht den Einsatz von KI schwierig, denn intelligente Systeme benötigen strukturierte, digital erfasste und möglichst standardisierte Daten, um Muster zu erkennen, Prognosen zu erstellen oder Empfehlungen abzuleiten. Gerade im Bereich Energieverbrauch, Unterhalt oder Flächenmanagement ist eine konsistente Datenbasis unerlässlich.

Was sollte hier verbessert werden?

Bevor KI in der Breite genutzt werden kann, müssen wir an der Datengrundlage arbeiten. Das bedeutet konkret: Prozesse zur Datenerhebung und -pflege müssen neu gedacht, digitalisiert und vereinheitlicht werden. Es braucht verbindliche Standards in der Erfassung – sei es bei Mieterdaten, Gebäudeinformationen oder technischen Anlagen. Auch die systematische Pflege und Aktualisierung der Daten spielt eine zentrale Rolle. Solange diese Grundlage fehlt, bleibt der Einsatz von KI weitgehend theoretisch. Die Systeme funktionieren nur so gut wie die Daten, mit denen sie gefüttert werden. KI kann vieles – aber Datenlücken, Inkompatibilitäten oder manuelle Erfassungsfehler kann sie nicht automatisch korrigieren. Deshalb ist der Aufbau einer robusten, qualitativ hochwertigen Datenbasis der erste – und entscheidende – Schritt auf dem Weg zu einer intelligenten Immobilienbewirtschaftung. Ein Schritt in diese Richtung ist unser ESG-Reporting, das als Komplettlösung die strukturierte Erfassung, Auswertung und – auf Wunsch – auch die auditierbare Aufbereitung von Nachhaltigkeitsdaten in der Immobilienbewirtschaftung ermöglicht.

Der Umgang mit grossen Datenmengen erfordert strenge Datenschutz- und Sicherheitsmassnahmen. Wie steht es mit dem Datenschutz und der Sicherheit?

Obwohl wir es in der Immobilienbranche mit grossen Datenmengen zu tun haben– etwa zu Gebäuden, Mietern, Verbräuchen oder Instandhaltung – handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um „Big Data“. Denn echte Big Data zeichnet sich durch strukturierte, vernetzte und kontinuierlich aktualisierte, also dynamische Datensätze aus. In der Immobilienwelt hingegen sind die Daten meist statisch und dazu fragmentiert, uneinheitlich erfasst und in Silos gespeichert – von Papierordnern bis hin zu isolierten Excel-Dateien oder proprietären Datenbanken.

Diese fehlende Standardisierung und mangelnde Datenintegration erschweren nicht nur die Nutzung von KI, sondern stellen auch ein Risiko in puncto Datensicherheit und Datenschutz dar. Viele dieser Informationen enthalten personenbezogene oder betriebsrelevante Angaben, die besonders geschützt werden müssen. Je mehr Daten zusammengeführt und analysiert werden, desto mehr steigen die Anforderungen an Sicherheit, Transparenz und rechtliche Absicherung. In der Praxis wäre der Nutzen von KI besonders hoch in automatisierten, sensorbestückten Gebäuden, die laufend Daten zu Temperatur, Licht, Bewegung, Türkontakten oder Energieverbrauch liefern. Solche Systeme würden nicht nur eine fundierte Datenbasis schaffen, sondern es auch ermöglichen, Gebäude in Echtzeit zu optimieren.

Wie weit ist die Schweiz denn hinsichtlich smarter Gebäude?

Nicht nur in der Schweiz sind wirklich smarte Gebäude noch selten – oft fehlt die technische Infrastruktur oder es entstehen zusätzliche Wartungskosten, die Investitionen bremsen. Viele Liegenschaften sind schlicht nicht bereit für KI. Zudem variiert der Bedarf je nach Gebäudetyp: Während im Wohnbereich ein hoher Grad an Automatisierung häufig als Eingriff in die Privatsphäre empfunden wird, kann Sensorik in komplexen Nutzungen wie Laboren, Spitälern oder Forschungsgebäuden einen echten Mehrwert bieten.

Entstehen hier auch rechtliche Probleme?

Aktuell ist KI im Immobilienbereich weniger eine Anwendungstechnologie als ein Compliance-Thema. Die rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen sind noch nicht abschliessend geklärt – zumal viele KI-Systeme von Anbietern aus den USA oder China stammen. Das wirft zusätzliche Fragen zur Datenhoheit, Ethik und geopolitischen Abhängigkeiten auf, die über rein technische Aspekte hinausgehen. Kurz gesagt: Die Technologie ist grundsätzlich bereit, aber es braucht klare Rahmenbedingungen und gezielte Investitionen, um ihr Potenzial sicher und verantwortungsvoll nutzen zu können. Der Fortschritt hängt nicht nur von den Fähigkeiten der Tools ab, sondern auch vom gesellschaftlichen Konsens, wie weit künstliche Intelligenz in sensiblen Bereichen wie Wohnen und Arbeiten gehen darf.

Es bedarf qualifizierter Mitarbeiter, um KI-Systeme zu implementieren, zu betreiben und zu warten. Wir stark bremst hier der Fachkräftemangel?

Der Fachkräftemangel ist auch im Zusammenhang mit KI ein Thema – allerdings nicht im klassischen Sinn. Es braucht nicht unbedingt spezialisierte KI-Expertinnen und -Experten, sondern vor allem Mitarbeitende, die bereit sind, mit neuen Technologien umzugehen und sie sinnvoll einzusetzen. Die grösste Herausforderung liegt im Spannungsfeld zwischen den Generationen: Jüngere Mitarbeitende bringen oft eine hohe technologische Affinität mit, während erfahrenere Kolleginnen und Kollegen wichtige Fähigkeiten mitbringen, um KI-Ergebnisse zu hinterfragen, einzuordnen und die Qualität zu sichern.

Also ein Austausch zwischen den Generationen?

Die Property Management Branche befindet sich in einem Transformationsprozess: Neben der klassischen Immobilienbewirtschaftung und einem technischen Grundverständnis – etwa für Sensorik – braucht es zunehmend auch die Kompetenz, digitale Zwillinge und virtuelle Gebäudemodelle aktiv zu betreuen. KI im Property Management ist kein Spezialistenthema – sie betrifft langfristig alle, die mit Immobilien arbeiten.

Die Implementierung von KI-Lösungen kann initial hohe Investitionen erfordern. Wie stark hemmt das die Umsetzung im Markt?

Tatsächlich sind die Einstiegskosten nicht zu unterschätzen – insbesondere, wenn Sensorik nachgerüstet werden muss. Auch Stromverbrauch und Speicherplatz sind zu berücksichtigen. Dennoch gilt: Je länger KI-Systeme im Einsatz sind, desto effizienter werden sie. Das Problem ist häufig, dass der Nutzen anfangs schwierig messbar ist – was die Kostenrechtfertigung erschwert. Hier helfen Pilotprojekte mit klar definierten Nutzergruppen, um Erfahrungswerte und Ergebnisse sichtbar zu machen. Gerade in der langfristigen Bestandsentwicklung liegt das Potenzial dieser Technologien.

Niklas Naehrig leitet den Bereich Consulting & Sustainability bei Wincasa und bringt umfangreiche Erfahrung in der Architektur und der Immobilienwirtschaft mit. Mit einem Doktorat der ETH Zürich und Weiterbildungen in strategischem Bau- und Asset-Management ist er ein Experte in der Entwicklung von nachhaltigen Immobilienstrategien. Seine Schwerpunkte liegen in der ESG-Integration und im Energiemanagement, wo er Zertifizierungsprozesse wie GRESB und BREEAM begleitet. Durch seine frühere Tätigkeit als Dozent und seine langjährige Projektleitungserfahrung prägt er massgeblich die Nachhaltigkeitsentwicklung im Immobiliensektor. Seit 2017 ist er in verschiedenen Funktionen für Wincasa tätig.