Projektallianzen als partnerschaftliche Modelle könnten einen signifikanten Beitrag zur Förderung einer nachhaltigen Projektentwicklung leisten, sagt Planungswissenschafter und Architektursoziologe Joris Van Wezemael. Durch die frühe Integration aller Beteiligten und die gemeinsame Verantwortung für das gesamte Projekt können solche Modelle dazu beitragen, das traditionelle Silo-Denken zu überwinden und nachhaltigere, kreislauffähige Bauweisen zu fördern.

Die Herausforderungen für eine verbesserte Innenverdichtung sind gross: Strenge Bewilligungspraxis und Lärmschutzvorschriften sowie das wachsende Unbehagen der Bevölkerung behindern das Bauen in den Zentren. Könnte eine Erweiterung der urbanen Dichte in die Agglomerationen Abhilfe schaffen?

Joris Van Wezemael: Traditionelle Stadtplanungen legen oft den Fokus auf individuelle Mobilität und Verkehrsinfrastruktur, was zu einer Zersiedelung und monofunktionalen Zonen geführt hat und weiter führt. Eine zeitgemässe Stadtplanung, die auf eine sinnvolle Ausdifferenzierung zwischen Stadt und Landschaft achtet, kann die negativen Effekte dieser Entwicklung umkehren. Durch die Einbeziehung übergeordneter Strukturen und öffentlicher Räume sowie eine bessere Integration von Nutzungen könnte eine Erweiterung der urbanen Dichte in die Agglomerationen nicht nur räumliche, sondern auch soziale und ökonomische Vorteile bieten. Darüber hinaus ermöglicht die gezielte Planung in Agglomerationen auch, den Natur- und Landschaftsschutz stärker zu berücksichtigen. Dies führt zu einer höheren Lebensqualität und kann das Unbehagen der Bevölkerung gegenüber neuen Bauprojekten in den Zentren reduzieren. Indem Raum für gemischte Nutzung und zeitgemässe, mobil-flexible Arbeitsformen geschaffen wird, kann zudem die Abhängigkeit von individueller Mobilität verringert und eine nachhaltigere Stadtentwicklung gefördert werden. Die strategische Entwicklung der Agglomerationen als integraler Bestandteil urbaner Verdichtung ist daher eine Hauptaufgabe zeitgemässer Stadt- und Raumentwicklung.

Um den komplexen Anforderungen an künftige Gebäude- und Energiesysteme gerecht zu werden, raten EMPA-Forscher zu einem Paradigmenwechsel bei der Planung: einen stärker automatisierten und auf Modellen beruhenden Planungsprozess, wie er in der Computer-Chip- und Autoindustrie längst üblich ist. Wie könnte so ein Paradigmenwechsel aussehen?

Ein Paradigmenwechsel in der Planung, wie er von EMPA-Forschern empfohlen wird, könnte durch die Einführung von integrierten Projektabwicklungsmodellen wie Design-Build realisiert werden. Diese Modelle fördern eine frühzeitige und enge Zusammenarbeit zwischen allen Schlüsselakteuren eines Bauprojekts, insbesondere von Planenden und Unternehmern. Für nachhaltige Bauprojekte sind effiziente Prozesse entscheidend. Organisatorische Strukturen in Projektabwicklungsmodellen bestimmen, wie Akteure kooperieren und Entscheidungen treffen. Das traditionelle Phasenmodell unterteilt den Bauprozess in sequenzielle Schritte, was ganzheitliches Lebenszyklusdenken und Kreislaufwirtschaft behindert, da Synergien und Ressourceneffizienz oft ungenutzt bleiben.

Wie könnten die neuen Prozesse und Modelle aussehen?

Integrierte Modelle wie Design-Build fördern die frühzeitige Zusammenarbeit und sind für Kreislaufwirtschaft zentral. Sie erlauben Design und Konstruktion mit modularen, wiederverwendbaren Komponenten, die die Lebenszyklusbewertung und Materialnutzung optimieren. Effektive Entscheidungsprozesse und Anreizsysteme sind für die Implementierung kreislauffähiger Lösungen unerlässlich und erfordern ein integriertes Informationsmanagement durch alle Projektphasen.

Also mit Unterstützung von digitalen Werkzeugen?

Die Nutzung digitaler Werkzeuge und eines durchgängigen Datenmodells (also: nicht nur BIM / Building Information Modeling) unterstützt diesen Ansatz durch transparente und effiziente Informationsflüsse, was zu einer Reduzierung von Bauzeiten und -kosten sowie zu einer Erhöhung der Projektqualität führen kann.

Die EMPA-Forscher weisen in ihrer Studie darauf hin, dass die Planungsprozesse von Gebäude- und Energiesystemen trotz der Bemühungen, das «Silo-Denken» zu überwinden, noch immer stark nach Disziplinen organisiert und zu wenig Interaktion zwischen den Disziplinen herrsche. Teilen Sie diese Ansicht?

Ja, ich teile die Ansicht der EMPA-Forscher, dass die Planungsprozesse von Gebäude- und Energiesystemen noch immer stark nach Disziplinen organisiert sind. Es mangelt erstens an ausreichender Interaktion zwischen den Disziplinen. Aber auch, zweitens, wie oben schon ausgeführt, zwischen Unternehmern und Planenden. Der durch den späten Einbezug von Unternehmern in den Planungs- und Entwicklungsprozess entstandene Grundsatz, möglichst lange produktneutral zu planen, ist aus Sicht kreislauffähigen Bauens zurückzuweisen. Dieses doppelte „Silo-Denken“ kann die Effizienz und Innovation innerhalb von Bauprojekten beeinträchtigen, da es die Integration von umfassendem Wissen und den Austausch von Best Practices zwischen den Fachbereichen behindert.

Welche Wege können aus diesem Dilemma herausführen?

Integrierte Projektabwicklungsmodelle bieten Lösungsansätze, um diese Herausforderungen zu überwinden. Durch die frühzeitige und durchgängige Einbindung aller relevanten Stakeholder in den Planungs- und Bauprozess wird eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gefördert, die dazu beiträgt, Barrieren zwischen den einzelnen Fachgebieten abzubauen. Solche Modelle unterstützen eine ganzheitliche Betrachtung des Projekts, wodurch sich innovative und nachhaltigere Lösungen realisieren lassen, die sowohl die Energieeffizienz als auch die Gesamtleistung des Gebäudes verbessern können.

Die in der Konzeptionsphase getroffenen Entscheidungen bestimmen den grössten Teil der konkreten Materialisierung eines Gebäudes. Was braucht es für Kompetenzen für eine effektivere Transformation der Siedlungsräume zu mehr ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit?

Was bereits bei der Planung und später in der Umsetzung nachhaltig gedacht wird, kann den Lebenszyklus eines Gebäudes erheblich verlängern. Ein in seiner Grundstruktur gut gebautes Gebäude kann über einen langen Zeitraum vielfältig genutzt werden, ohne dass es abgerissen werden muss. Die (Haus-)Technik hingegen hat das Ende des Lebenszyklus natürlich bereits viel vorher erreicht. Sie muss nach einer gewissen Zeit ausgewechselt und saniert werden. Die Kompetenzen der Planer müssen dafür sorgen, dass Materialien verwendet werden, die wiederverwendet werden können. Die Kreislaufwirtschaft hilft, graue Energie zu minimieren. Es braucht aber bereits in der Planungsphase klare Forderungen und Anweisungen der Bauherrschaft – etwa eine Vorgabe zu «Design for Re-Assembly», damit diese kreislauffähigen Konstruktionsweisen und Materialien auch eingesetzt und verbaut werden. Wer also nachhaltig gebaute Immobilien will, muss diese Botschaft früh und klar definieren und ebenso dezidiert einfordern.

Wie gut ist ökologisch nachhaltiges und kreislauffähiges Bauen in den bestehenden Aus- und Weiterbildungen für Architektur- und Ingenieurwesen in der Schweiz bereits verankert?

Ökologisch nachhaltiges und kreislauffähiges Bauen erfordert eine Integration von Lebenszyklusdenken und Ressourceneffizienz in allen Phasen eines Bauprojekts. Obwohl kreislauffähige Lösungen und die Notwendigkeit eines durchgängigen Informationsmanagements von allen Seiten gefordert werden, dominiert auch in der Lehre weiterhin die traditionelle Herangehensweise, die den Bauprozess in sequenzielle Schritte unterteilt, ganzheitliches Lebenszyklusdenken und Kreislaufwirtschaft behindert und Synergien und Ressourceneffizienz verpasst. Fortschrittlichere, integrierte Modelle wie Design-Build, die eine frühe und enge Zusammenarbeit aller Akteure fördern und Lebenszyklusbewertungen sowie die Optimierung von nachhaltigen Materialien von der Planung bis zum Rückbau ermöglichen, müssen stärker in den Lehrplänen verankert werden. Entsprechende Initiativen laufen derzeit in einem Dialog zwischen verschiedenen Hochschulen.

Wichtig an integrierten Abwicklungsmodellen ist auch die ökonomische Seite. Wird dadurch das Bauen günstiger?

Integrierte Abwicklungsmodelle unterstützen nicht nur eine nachhaltigere Bauweise, sondern auch eine kostengünstigere Projektabwicklung, indem sie die Effizienz steigern und durch frühzeitige Fehlervermeidung und optimierte Prozessabläufe Kosten einsparen. Integrierte Projektabwicklungsmodelle wie Design-Build verbessern die Kosteneffizienz durch die frühe Integration aller Beteiligten und die effiziente Nutzung von Ressourcen. Indem Planer, Bauunternehmen und Auftraggeber von Anfang an zusammenarbeiten, können Doppelarbeiten vermieden und Planungsänderungen, die später im Prozess teuer zu stehen kommen könnten, reduziert werden. Damit steigt auch die Terminsicherheit. Durch die gemeinsame Verantwortung und die Transparenz innerhalb integrierter Projektteams sinkt die Wahrscheinlichkeit von Konflikten und teuren Nachtragsforderungen. Diese Zusammenarbeit führt zu einer genaueren Kostenvorhersage und -kontrolle. Darüber hinaus ermöglicht die Anwendung von Lean-Management-Prinzipien eine weitere Optimierung der Bauprozesse, was zu einer Reduktion der Gesamtbaukosten beitragen kann.

Interview: Remi Buchschacher

Joris Van Wezemael ist Dr. sc. nat. und Inhaber der de plek GmbH in Zürich. Als Raumplaner und Strategieberater verfügt er über verschiedene Mandate in Verwaltungsräten und strategischen Gremien. Zudem ist er Privatdozent an der ETH Zürich. Nach Abschluss seiner akademischen Bildung in Wirtschaftsgeographie / Raumentwicklung hat er sich kontinuierlich weitergebildet in den Bereichen Verhandlung/Vermittlung, Digitalisierung und Finanzen.