«Wir müssen den Menschen ins Zentrum setzen, auch bei der Planung von Bürogebäuden und deren Einrichtungen und Flächen», sagt Tanja Pohle, Partnerin und Mitglied der Geschäftsleitung der pom+Consulting AG. Flexibilität und offene Gebäudestrukturen führen dazu, dass Büros immer wieder an neue Bedürfnisse angepasst werden können – sehr wichtig in den Zeiten von vermehrtem Homeoffice.
Stellen Sie sich vor, dass Ihr Unternehmen in der nächsten Zeit eine neue Liegenschaft beziehen müsste. Welche Anforderungen müsste diese Liegenschaft erfüllen?
Tanja Pohle: Ich würde auf eine offene Gebäudestruktur achten, die einen flexiblen Grundriss ermöglichen. So sind zukünftige Veränderungen im Layout besser umsetzbar. In der heutigen Zeit achten wir eher auf eine offene und flexible Gestaltung der Büros, welche Anpassungen für die jetzige, wie auch für die zukünftige Nutzung einfach ermöglichen. Bei denkmalgeschützten Liegenschaften ist das oft nicht möglich, da wird es zunehmend schwierig, diese an die heutigen Bedürfnisse anzupassen. Eigentümer von Büroliegenschaften sollten deshalb darauf achten, eine offene und flexible Gebäudestruktur anbieten zu können. Das ist das A und O und das wichtigste Asset bei Büroliegenschaften.
Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt grundlegend verändert. Welche Auswirkungen hat diese neue Realität auf die Arbeitnehmenden und auf die zukünftige Entwicklung von Büroimmobilien?
Der Ausgestaltung des Arbeitsplatzes kommt heute für die Arbeitnehmenden eine sehr viel höhere Bedeutung zu als früher. Bereits in der Recruiting-Phase wird oft die Frage gestellt, wie das Büro – also der zukünftige physische Arbeitsplatz – aussieht. Natürlich spielen hier auch organisatorische Faktoren eine relevante Rolle, wie zum Beispiel der Anteil an Homeoffice oder die Freiheitsgrade, die in der neuen Tätigkeit möglich sind.
Der Arbeitsplatz wird also heute nicht mehr nur physisch gedacht?
Neben dem Büro kann der Arbeitsort auch im Homeoffice oder auch an einem «dritten Platz» sein, so dass die Mitarbeitenden sich nicht mehr alle zur selben Zeit am gleichen Ort befinden. Wir haben heute also eine hybride Zusammenarbeit – physisch und remote, was auf beiden Seiten Herausforderungen mit sich bringt. Nicht nur der Arbeitsplatz muss sichergestellt werden, sondern auch die technische Infrastruktur muss auf diese verschiedensten Settings perfekt abgestimmt sein.
Die neuen digitalen Technologien und innovativen Arbeitsmodelle haben einen grossen Einfluss auf unseren Alltag. Spätestens seit Corona ist standort- und grenzübergreifendes Zusammenarbeiten in vielen Berufsfeldern eine Selbstverständlichkeit – Stichwort «Anywhere Jobs». Brauchen wir in Zukunft überhaupt noch Büros?
Ja, absolut. Eine Bindung zum Unternehmen kann ich remote nur sehr bedingt herstellen und aufbauen. Der Mensch interagiert sehr gerne auch persönlich mit anderen – mit Kollegen, auf Projektbasis oder im Kundengeschäft. Bis zu einem gewissen Grad kann man zwar sehr viel auf dem digitalen Weg erledigen, aber eine Team- und Unternehmenskultur, entsteht nur begrenzt remote. Das stellt Unternehmen und Mitarbeitende vor grosse Herausforderungen. Innovation und Weiterentwicklung entstehen nur, wenn neue Gedanken mitintegriert werden können. Vor allem bei neuen Mitarbeitenden fällt der informelle Austausch weg, wenn sie keinen Büroarbeitsplatz haben. Es finden ja keine zufälligen Begegnungen statt, wenn ich nur remote arbeite und auch Sitzungen können nicht spontan entstehen. Für alles was im physischen Büro an spontanen Interaktionen stattfindet, gibt es bis heute keinen adäquaten Ersatz.
Das Büro erhält also eine ganz neue Bedeutung?
Das Büro muss heute grundsätzlich anders gedacht werden. Es ist nicht mehr nur ein Arbeitsplatz und «Produktionsstätte», wie es früher war. Es übernimmt ganz neue Funktionen. Online und hybrid haben wir Meetings, die sind wichtig und funktionieren gut, vor allem wenn es um einen informativen Abgleich geht. Sie stehen aber nicht für Kollaboration im eigentlichen Sinne. Ein Büro ist viel mehr, es ist auch ein Ort der Inspiration und Innovation sowie des persönlichen Austausches und Identität.
Die Büroimmobilienmärkte sind oft mit Leerständen konfrontiert. Die Flexibilisierung der Arbeitsplätze nimmt spürbar zu. Was tun diejenigen Unternehmen, die zuviel Fläche haben?
Jedes Unternehmen hat eine andere Ausgangslage. Nehmen wir eine Organisation, die flächenmässig bereits grosszügig aufgestellt ist und eine hohe Homeoffice-Rate hat. Das kann natürlich dazu führen, dass Teile des Büros mit zunehmender Flexibilisierung der Arbeitsplätze als verwaist erscheinen. Das andere Extrem ist ein Unternehmen, das sich bereits an der flächenmässigen Kapazitätsgrenze befindet und eine beengte Büroatmosphäre aufweist. Hier kann die Steigerung der Homeoffice-Rate und Flexibilisierung der Arbeitsplätze zu einem besseren Bürokonzept führen, da mehr Platz zur Verfügung steht. Wichtig ist immer, dass wir bei unseren Kunden das ganze Portfolio betrachten und auch die Strategie des Unternehmens miteinbeziehen. Es geht darum, ob zum Beispiel eine Wachstums- oder Auslagerungsstrategie besteht, was die Büroplanung natürlich massgeblich beeinflusst. Dieser Weitblick ist unbedingt nötig, zusammen mit der Fragestellung «wie arbeiten wir zukünftig»? Denn alles andere greift zu kurz und wird nicht die gewünschten Resultate liefern.
Es geht also auch darum, ob der Standort des Arbeitsplatzes Sinn macht?
Ja, das ist eine wichtige Frage. Man muss sich fragen, ob der Standort überhaupt für die Zukunft geeignet ist? Manchmal macht es für Unternehmen Sinn, das Objekt zu wechseln, bevor ein umfangreicher Umbau am jetzigen Standort ausgelöst wird. Wo sind die Arbeitnehmenden, die ich erreichen möchte, plane ich zentral als Hub ausgestaltete Arbeitsplätze oder ist eine dezentrale Strategie vorgesehen? Daraus leiten sich unterschiedliche Flächenbedürfnisse ab. Und: Wie verhalten sich die Mitarbeitenden? Die Balance zu finden zwischen remote und vor Ort ist zentral. Hier ist es wichtig, dass die Unternehmen deutliche Akzente setzen und gemeinsam Verbindlichkeiten zum Umgang mit der Flexibilität schaffen. In Bezug auf die Atmosphäre und den Zweck des Büros als Austausch- und Begegnungsort würde ich lieber ein kleines, attraktives Büro, als grosse, leere Hallen bevorzugen.
Unter den Branchen, die stark wachsen, stechen vor allem die Informationstechnologie und Kommunikation, Unternehmensführung und -beratung, Architektur sowie das Finanz- und Versicherungswesen hervor. Also alles Arbeitsplätze, die nicht an einen Standort gebunden sind?
Wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden vorschreiben, wie hoch die Anwesenheitspflicht zu sein hat, ist das immer problematisch. Diejenigen Organisationen hingegen, die ein attraktives Arbeitsumfeld schaffen, haben hier Vorteile. Dort sind die Büros in der Regel gut besetzt. Also lieber einen Pull- statt Push-Prinzip verfolgen, so dass die Mitarbeitenden gerne ins Büro kommen – auch wenn keine fixen Team-Termine anstehen. Es geht also immer um die Frage, welche Arbeit lässt sich besser von zuhause aus erledigen und wann macht es Sinn, wenn ich vor Ort anwesend bin. Das ist natürlich eine Frage der Unternehmenskultur aber auch der Selbstorganisation des Mitarbeitenden im Rahmen der Flexibilität, die das Unternehmen bietet.
Der Markt hat die Zeichen der Zeit erkannt, es werden deutlich weniger neue Büroflächen gebaut. Wird das Beschäftigungswachstum die stagnierende Nachfrage durch den Homeoffice-Effekt kompensieren können?
Die Lage der Flächen für die Arbeitsplätze ist immer noch das Top-Kriterium in Bezug auf die Leerstände. An den zentralen Lagen werden neue Büroflächen sehr schnell absorbiert, während die ländlichen Standorte Mühe haben. Viele institutionelle Anleger haben Liegenschaften in ihren Portfolios, die von der Lage und vom Ausbaustandard her nicht mehr den heutigen Anforderungen genügen. Und wenn dann noch die Mietverträge auslaufen, stellt sich die Frage, ob ein Verkauf oder eine Neupositionierung vorgenommen werden soll. Die Bedürfnisse, wie ein Büro auszugestalten ist, haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Wenn die Flächen, die ich anzubieten habe, diesen neuen Bedürfnissen nicht genügen, werden sich bestehende und potenzielle Mieter eher danach umsehen, wo sie diese Bedürfnisse bezüglich offenen Arbeitsflächen an einem anderen Ort befriedigen können. Leerstand ist also nicht gleich Leerstand. Neue Büroflächen werden heute sehr offen gestaltet, und diese sind am Markt nach wie vor sehr gefragt. Wenn ich aber eher kleinteilige, klassische Bürostrukturen anbiete, können diese zu einem «Ladenhüter» werden. Die Flexibilität des Grundrisses einer Büroimmobilie ist neben der Lage also das wichtigste Kriterium.
Und wie sieht es mit der Erreichbarkeit der Arbeitsplätze aus?
Der Anschluss an das öffentliche Verkehrsnetz und an die Autobahn ist heute noch wichtiger geworden. Früher verbrachten die Mitarbeitenden in der Regel den ganzen Arbeitstag an ihren Standorten, während heute die Anwesenheit öfter auch nur noch stundenweise dauert. Wenn Arbeitnehmende nur für eine Sitzung oder ein Gespräch ins Büro kommen, erhält natürlich die Erreichbarkeit des Standortes ein ganz neues Gewicht. Die Mobilität ist daher sehr wichtig.
Die Arbeit soll den Arbeitnehmenden dienen und nicht umgekehrt. Lässt sich dieser Vergleich in einer wirtschaftlich angespannten Zukunft aufrechterhalten?
Es besteht zurzeit schon ein gewisser Konkurrenzdruck bezüglich der Attraktivität der Arbeitsplätze. Doch die Arbeitnehmenden können nicht erwarten, dass überall das Niveau eines Google Offices oder eine Ausgestaltung mit teuren Vitra-Möbeln vorhanden sein muss. Es geht vielmehr darum zu unterstreichen, was ein Unternehmen ausmacht, in welcher Branche es ist und was für eine Kultur dort herrscht. Wir müssen den Menschen ins Zentrum setzen, was aber nicht heisst, dass Mitarbeitende eine Bestellung abgeben können, wie der Arbeitsplatz auszusehen hat. Da komme ich wieder zum Ausgangsvotum: Wozu ist das Büro da? Es ist dafür da, dass ich dort mit meinen Kolleginnen an einem Ort zusammenarbeite, mich regelmässig austausche und ein ausgezeichnetes Produkt oder eine Dienstleistung entsteht. Aber um Ressourcenverschwendung zu vermeiden, sollte ich immer den Menschen ins Zentrum stellen, um damit sicherzustellen, dass ich nicht an den Bedürfnissen vorbeiplane.
Tanja Pohle ist Partnerin und Mitglied der Geschäftsleitung der pom+Consulting AG.