Die Immobilienbesitzer tun viel für die Nachhaltigkeit. Die Investoren honorieren diese Bemühungen noch ungenügend. Grund dafür ist, dass sie ultimativ an der Rendite interessiert sind, die Korrelation von Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit jedoch noch nicht schlüssig nachgewiesen werden kann. Es fehlt an Daten und Methoden. Von Elvira Bieri*

Kaum eine Liegenschaft, die heute in der Schweiz entwickelt wird, folgt nicht den Grundsätzen der Nachhaltigkeit. Man erkennt ein ernsthaftes Bemühen seitens den Bauherrschaften, den Bedürfnissen der natürlichen Umwelt und der Nutzenden gerecht zu werden. So besteht die Bereitschaft, hierfür Mehrinvestitionen über die bereits restriktive Gesetzgebung hinaus in Kauf zu nehmen.

Bei Transaktionen ist die Situation hingegen heterogen. Obwohl gewisse Akteure keinen Handwechsel ohne Nachhaltigkeits-Zertifikat vornehmen, wäre es vermessen zu behaupten, umfassende Sorgfaltsprüfungen seien Routine geworden. Ausschlaggebend für Kaufentscheide sind nach wie vor mehrheitlich die klassischen Bewertungskriterien – angereichert mit der energetischen Qualität der Liegenschaft.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den indirekten Anlagen: Die überwiegende Anzahl der an der Schweizer Börse gehandelten Immobilienfonds und -Aktiengesellschaften nehmen entweder am GRESB-Benchmark teil oder sind im Begriff dazu. Zurzeit gibt es jedoch keine Evidenz dafür, dass die Anzahl der GRESB-Sterne den Handelswert der Anlage systematisch beeinflusst. Ob das auch am Umstand liegt, dass man mit GRESB das Managementsystem und nicht die Gebäudequalität bewertet, sei dahingestellt. Ohne zuverlässige Angaben über die Qualität der Immobilien-Portfolios bekommen Investoren effektiv kein vollständiges Bild.

Erklärung für das Marktverhalten

Die Frage ist, weshalb die Nachhaltigkeit bei Investitionsentscheiden – sei es in direkte oder indirekte Anlagen – stets marginalisiert wird. Die Antwort lautet: Es fehlen die Daten und Methoden, um den Einfluss der Nachhaltigkeit auf den Asset-Wert zuverlässig zu ermitteln. Könnte die positive Korrelation von Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit nachvollziehbar in Franken ausgedrückt werden, dann würde der Investor automatisch diesen Anlagen den Vorzug geben. Aber keine Rechnungslegungsvorschrift erlaubt es, Bilanzen auf der Basis von Hypothesen «aufzublähen». Und so bleiben vorerst die handfesten, herkömmlichen Kriterien ausschlaggebend für den Kaufentscheid.

Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit

Dass Nachhaltigkeit und Werthaltigkeit zusammenhängen, ist in Fachkreisen ausreichend bekannt. So hat die Bewerterbranche bereits 2011 im NUWEL, dem Leitfaden für «Nachhaltigkeit und Wertermittlung von Immobilien», jene Nachhaltigkeitskriterien aufgelistet, die sie als werttreibend identifiziert hat. 2017 wurde dann der Swiss Valuation Standard SVS um ein entsprechendes Kapitel angereichert, in welchem explizit auf NUWEL verwiesen wird. 2022 hat RICS ihre Nachhaltigkeits-Guideline publiziert. Beide Dokumente fordern die Bewerter auf, die Nachhaltigkeit in ihrer Arbeit zu berücksichtigen.

Unsicherheit besteht aber eben darüber, in welchem Ausmass die im NUWEL genannten Kriterien den Wert von Anlagen beeinflussen. Dies betrifft insbesondere die intangiblen Aspekte, also jene, welche sich nicht im Cashflow niederschlagen. Bei denkonventionellen Kriterien wie zum Beispiel die Lage ist der Einfluss auf den Wert belegbar. Doch welche Bedeutung wird die Mieter- oder Käuferschaft in Zukunft den Kriterien Aussenraumqualität, Mobilitätsangebot, Barrierefreiheit, Gebrauchsqualität, Überhitzung, Tageslicht, Strahlung, Abfallinfrastruktur etc. beimessen? Um ein klares Bild zu bekommen, braucht es auch hierzu empirisch erhärtete und laufend aktualisierte Daten. Ein unabhängiger Daten-Pool läge mit SSREI vor, werden doch im Rahmen der Verifikation der Portfolios, die nach diesem Standard bewertet werden, die Daten in anonymer Art erfasst. Je mehr Volumen er hat, desto repräsentativere Erkenntnisse lassen sich daraus generieren, welche wiederum dem Markt zurückgespielt und von ihm genutzt werden könnten.

Die Skeptiker halten dem entgegen, dass sich solche «Komfortansprüche» in Zeiten, wo man sich die Wohnungen aus den Händen reisst und es faktisch keinen Markt gibt, erübrigen. Doch erstens ist nicht die ganze Schweiz ein Ballungszentrum, und zweitens würde sich dies dann eben in den empirischen Daten manifestieren, was entsprechend im Diskontsatz abzubilden wäre.

Nun gibt es aber auch die Kostentreiber, und diese sind um einiges fassbarer. So sind beispielsweise Aspekte wie Sanierung von Altlasten oder Bauschadstoffen quantifizierbar, ebenso die Entsorgungskosten bei Abbruch, welche je nach Anteil an Verbundmaterialien mehr oder weniger hoch ausfallen. Die Notwendigkeit von Schutzmassnahmen gegen Naturgefahren lässt sich ebenfalls eruieren und der Aufwand prognostizieren. Die Implikation von mangelhaftem Unterhalt auf erhöhte Instandhaltungs- respektive frühzeitige Instandsetzungskosten vermögen Fachleute abzuschätzen, ebenso das Risiko von Leerstand bei Gebäuden mit limitierten Umnutzungsmöglichkeiten. Nachhaltigkeit ist Teil des Risikomanagements!

Methodenunsicherheit fördert Willkür

Der heutige Mangel an Daten und Methodik impliziert einerseits Zurückhaltung bei den Bewertern, dürfen diese doch «lediglich» die Realität abbilden; andererseits fördert sie aber die Willkür. Das Gros der Immobilieneigentümer dürfte den Prozess hin zu einer einheitlichen Bewertungsmethodik in Sachen Nachhaltigkeit eher defensiv beeinflussen, befürchten sie doch eine Abwertung ihrer Portfolios. Ruhig schlafen können hingegen diejenigen Akteure, die ein aktives Portfoliomanagement betreiben und die Nachhaltigkeit kontinuierlich vorantreiben. Sie sind an einer umfassenden Bewertungsmethodik interessiert, brächte ihnen dies doch – so, wie die Sachlage heute beurteilt wird – einen Wettbewerbsvorteil. Die Grundlagen für eine verbindliche Bewertungssystematik sind mit NUWEL und SVS geschaffen; die darauf abgestimmten Instrumente zur Datenerfassung (Standards) liegen ebenfalls vor. Packen wir’s an, bevor der Regulator einschreitet.

*Elvira Bieri ist Geschäftsführerin der SSREI AG