Die Umwelt profitiert stark von energetischen Sanierungen. Eine Studie von Wüest Partner zeigt auf, dass die Treibhausgasemissionen aus dem Betrieb von Erstwohnliegenschaften insgesamt um 91 Prozent, der Energiebedarf um 91 Prozent und der Wärmebedarf um 63 Prozent sinken. Das hat aber seinen Preis: Um die 931’000 noch nicht nachhaltig beheizten Erstwohngebäude der Schweiz umfassend energetisch zu sanieren, bedarf es Bruttoinvestitionen von rund CHF 228 Mrd.
Was sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der energetischen Sanierung des Schweizer Wohngebäudeparks? Wüest Partner hat dazu mit Unterstützung von EnergieSchweiz eine Studie verfasst. Es geht dabei um Fragen wie Investitionsbedarf, Attraktivität von energetischen Sanierungen für Eigentümer und finanzielle Folgen für Mietende. Dabei hat WUP die wirtschaftlichen Auswirkungen für jedes der 931’000 noch nicht nachhaltig beheizten Erstwohngebäude in der Schweiz modelliert unter Berücksichtigung von Fördergeldern und Auswirkungen auf die Steuerlast. Bisher fehlte eine solch umfassende, quantitative Studie zu den ökonomischen Auswirkungen einer energetischen Ertüchtigung des Schweizer Gebäudeparks. Der öffentliche Diskurs zur ökonomischen Gesamtwirkung ist daher wenig datengestützt. Die WUP-Studie will dazu beitragen, dies zu verbessern. Es wurden zwei Umsetzungsszenarien betrachtet: Im Basisszenario werden alle nicht nachhaltigen Heizungen substituiert und, wo angezeigt, die Gebäudehülle nachgedämmt. Im Szenario Heizungssubstituiton werden ausschliesslich die Heizungen ersetzt. Die Sanierungsmassnahmen gemäss Basisszenario sind umfassend und dessen Investitionskostenschätzung ist deshalb als Benchmark im oberen Bereich zu interpretieren. Die Sanierung gemäss Szenario Heizungsersatz ist minimal und dessen Kosten stellen somit eine untere Grenze dar.
Sanierungsszenarien und Investitionen
Um die 931’000 noch nicht nachhaltig beheizten Erstwohngebäude der Schweiz umfassend energetisch zu sanieren, bedarf es gemäss Basisszenario Bruttoinvestitionen von rund CHF 228 Mrd. (entspricht CHF 25’000 pro Einwohner gesamthaft bis 2050 oder CHF 950 pro Einwohner und Jahr, zu heutigen Preisen), wovon CHF 37 Mrd. über Steuerersparnisse und CHF 28 Mrd. über Fördergelder finanziert werden können. 77 Prozent der Investitionen entfallen auf die Sanierung von Dächern, Fassaden und Fenstern, 23 Prozent auf den Ersatz von Heizungen. Nach Abzug der staatlichen Unterstützung beläuft sich der Nettoinvestitionsbedarf für die Eigentümer auf rund CHF 162 Mrd. Die gesamten Bruttoinvestitionskosten für die Sanierung aller 931’000 noch nicht nachhaltig beheizten Erstwohnsitz-Gebäude belaufen sich gemäss Szenario Heizungssubstitution auf 52 Mrd. CHF. Nach Abzug staatlicher Unterstützungsbeiträge verbleiben für die Eigentümer Nettoinvestitionen von 37 Mrd. CHF. Dem steht eine Marktwertsteigerung von ca. 81 Mrd. CHF gegenüber, die sich wie folgt zusammensetzt: 29 Mrd. CHF aufgrund Kapitalisierung Nettomieterhöhung; 39 Mrd. CHF aufgrund Prämie fossilfrei; 13 Mrd. CHF aufgrund getätigter Instandsetzung.
Die Markwertsteigerung übersteigt die Nettoinvestitionen also deutlich. Der Heizungsersatz ist für die Eigentümer sehr attraktiv. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede je nach Gebäude und insbesondere je nach Nutzung. Aber 74 Prozent der energetischen Sanierungen sind wirtschaftlich attraktiv für den Entscheidungsträger (aus Perspektive Weiternutzung). Auch die staatliche Unterstützung ist wichtig, um die Rentabilität von energetischen Sanierungen zu gewährleisten. Der reine Heizungsersatz wäre in vielen Fällen jedoch auch ohne staatliche Unterstützung rentabel.
Wertvermehrend oder -erhaltend?
Energetische Investitionen gelten grundsätzlich als wertvermehrende Verbesserung gemäss Art. 14 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG). Der Grad der zulässigen Überwälzung der Investition auf den Mietzins bei einer Substitution von fossilen Energieträgern entspricht dem realisierten Anteil an erneuerbarer Energie. Bei einer Wärmepumpe mit PV-Anlage also 100 Prozent (nach Abzug der Kosten für einen gleichen Heizungsersatz). Wenn eine Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt wird, wird die Wärmepumpe als wertvermehrend angesehen, da sie eine energetische Verbesserung darstellt. Allerdings gilt dies nur für den Investitionsbetrag, der den Betrag übersteigt, der für den üblichen Ersatz der Gasheizung angefallen wäre.
Nicht als wertvermehrend, sondern als werterhaltend gelten Investitionen, die keinerlei Verbesserung der Qualität mit sich bringen. Ein Fensterersatz sowie eine Dämmung von Kellerdecke, Dach oder Fassade gelten insbesondere dann als wertvermehrend, wenn sie zu einer Qualitätsverbesserung führen (etwa weniger Lärm). So kann der Eigentümer etwa beim Ersatz von sehr alten Fenstern und bei der Verbesserung einer sehr schlechten Dämmung eine substanzielle Wertvermehrung geltend machen. Eine Erhöhung des Marktwerts ist aber latent und wird erst im Falle eines Verkaufs realisiert. Viele Eigentümer interessieren sich deshalb mehr für Cashflows (Senkung der Nebenkosten, Erhöhung der Nettomieten). Energetische Sanierungen stellen aber auch den zukünftigen Werterhalt sicher, insbesondere im Hinblick auf allfällige Regulierungsverschärfungen. Das Szenario Heizungssubstitution schneidet bezüglich Rentabilität für den Eigentümer deutlich besser ab als das Basisszenario. Der Grund dafür sind die deutlich geringeren Investitionskosten bei gleichzeitig immer noch beträchtlichen Marktwertsteigerungen von CHF 81 Mrd. Somit resultiert gesamthaft über alle Gebäude hinweg eine deutlich positive Rentabilität (ROI +117%). Allerdings reduziert diese Sanierungsvariante den Wärmebedarf nicht. Der Nettoinvestitionsbedarf von CHF 162 Mrd. im Basisszenario entspricht in etwa den infolge der Sanierungen resultierenden Marktwertsteigerungen von CHF 168 Mrd. Somit resultiert gesamthaft über alle Gebäude für die Eigentümer eine neutrale Rentabilität (ROI +4%). Die Marktwertsteigerungen ergeben sich aus den getätigten Instandsetzungen (CHF 84 Mrd.), der Kapitalisierung der höheren Nettomieten (CHF 44 Mrd.) sowie der erhöhten Zahlungsbereitschaft für nachhaltig beheizte Liegenschaften (CHF 40 Mrd.).
Umwelt profitiert
Die Wohnkosten in Mietgebäuden sinken nach einer reinen energetischen Sanierung typischerweise, da der Rückgang der Heizkosten den Anstieg der Nettomiete meist überkompensiert. Diese Aussage gilt für jeden Kanton, jeden Gemeindetyp, beide Umsetzungsszenarien sowie für alle Bauperioden. Somit steht die soziale Nachhaltigkeit der ökologischen Nachhaltigkeit nicht per se im Weg. In der Praxis werden jedoch viele energetische Sanierungen mit der Sanierung weiterer Bauteile kombiniert (Küche, Bad, Böden), sodass viele Sanierungen schliesslich doch zu höheren Wohnkosten führen – bei gleichzeitig höherem Komfort. Aber eines wird deutlich: Die Umwelt profitiert stark von energetischen Sanierungen. Im Basisszenario sinken die Treibhausgasemissionen aus dem Betrieb der Erstwohnliegenschaften insgesamt um 91 Prozent, der Energiebedarf um 91 Prozent und der Wärmebedarf um 63 Prozent.
Remi Buchschacher