Ein Zehntel der Schweizer Bevölkerung sucht jährlich eine neue Bleibe. Bei der Wohnortsuche spielen die drei Faktoren lokale Infrastruktur, Freizeitangebot und Wohnkosten eine entscheidende Rolle. Der Wohnattraktivitätsindikator WAI der UBS berechnet für 13 Schweizer Regionen anhand dieser drei Elemente, wo es sich am besten wohnt.

Die im WAI topplatzierten Wohngemeinden sind häufig ein teures Pflaster. Ihre Attraktivität macht sie seit jeher zu einem begehrten Wohnort, was die Immobilienpreise in die Höhe treibt. Doch für diese hohen Wohnkosten wird etwas geboten. So zeichnen sich die höchstplatzierten Gemeinden durch eine hervorragende Infrastruktur aus. Sie bieten ein breites Spektrum an Geschäften, eine gute medizinische Versorgung und schnell erreichbare Schulen sowie Kinderbetreuungseinrichtungen. Auch das Freizeitangebot ist in den attraktivsten Gemeinden vielfältig. Sie bestechen durch zahlreiche kulturelle Einrichtungen, ein breites gastronomisches Angebot sowie vielfältige Sportmöglichkeiten. Oft verfügen sie auch über ausgedehnte Park- sowie Erholungsflächen oder liegen in der Nähe eines Sees.

Aufgrund hoher Wohnkosten sind es jedoch in vielen Regionen nicht die grossen Zentren und prestigeträchtigen Tiefsteuergemeinden, die beim WAI an der Spitze stehen. Die Qualität der Infrastruktur und des Freizeitangebots kann die hohen Lebenskosten nicht immer aufwiegen. So verweisen in der Region Zürich die Gemeinden Aarau und Schaffhausen die Zürichseegemeinden auf die Plätze. In der Westschweiz sind Vevey und Morges attraktiver als Lausanne und im Tessin rangieren Tenero-Contra und Muralto vor Lugano. Es gibt nur wenige Gemeinden, die trotz überdurchschnittlicher Infrastruktur und des guten Freizeitangebots mit unterdurchschnittlichen Wohnkosten auftrumpfen können. Hierzu gehören Schwyz, Schaffhausen, Goldach, Rhein- felden, Yverdon-les-Bains und Delémont. Generell zeichnen sich attraktive Wohngemeinden durch eine ausgeprägte Infrastruktur, ein vielfältiges Freizeitangebot und tragbare Lebenshaltungskosten aus. Idealerweise verfügen die attraktivsten Wohngemeinden über eine gute Mischung aus diesen drei Entscheidungsfaktoren.

Hohe Wohnattraktivität

Auch Agglomerationsgemeinden der Grosszentren bieten eine relativ hohe Wohnattraktivität. Die attraktivsten unter ihnen (zum Beispiel Rheinfelden, Ittigen oder Uster) schneiden bei der Erreichbarkeit und der Lebensqualität sehr gut ab und weisen in vielen Fällen eine geringere Steuerbelastung oder tiefere Wohnkosten als die nahegelegenen Zentren auf. Viele dieser Gemeinden (beispielsweise Köniz, Lancy und Allschwil) sind in den letzten Jahren stark gewachsen. Ein Grund dafür ist, dass sie relativ mehr neuen Wohnraum schaffen konnten als viele Zentren, die von Knappheit geprägt sind. Das trifft auch auf äussere Agglomerationsgemeinden wie Wetzikon, Liestal und Nyon zu. Fern von der Liste der Top-Wohnstandorte bleiben hingegen Gemeinden mit hoher Fluglärmbelastung im Norden Zürichs sowie Nordwesten Genfs oder Gemeinden mit relativ grossen Industriearealen.

Die ländlichen Gemeinden können bezüglich Erreichbarkeit und Infrastruktur naturgemäss nicht mit den suburbanen Gemeinden mithalten. Dennoch bieten die attraktivsten ländlichen Gemeinden im Einzugsgebiet der Grosszentren neben niedrigeren Lebenshaltungskosten auch ein attraktives Freizeitangebot. Dazu tragen etwa die Nähe zu einem See bei (wie in Mont-Vully oder Weesen) und in vielen Fällen auch ein grosses Angebot an Grünflächen und Wäldern (wie in Le Chenit oder Langenbruck).

Wohnkosten als Hürde

Auch für Familien mit überdurchschnittlichen Einkommen und Vermögen gehören Zentren zu den attraktiven Wohngemeinden. Zudem sind Tiefsteuergemeinden interessante Wohnsitze für diese Haushalte, da die hohen Wohnkosten für sie eine unter- geordnete Rolle spielen. Beispiele sind die Gemeinden Freienbach und Lachen in der Region Zürich, in der Zentral- schweiz Zug und Baar, in den Ostalpen St. Moritz, in der Bodenseeregion Appenzell, in der Region Genf-Lausanne Collonge-Bellerive und im Tessin Castel San Pietro. Bei Familien mit unterdurchschnittlichen Einkommen und Vermögen machen Mieten und Steuerausgaben einen grösseren Anteil an den Gesamtausgaben aus. Daher kommen hochpreisige Zentrumsgemeinden für sie generell kaum infrage. Die teuersten Standorte am Zürich- und Genfersee, die Gemeinden Zug und Zermatt sowie das Oberengadin sind für diese Haushalte nicht erschwinglich. Stattdessen gewinnen günstigere Wohnorte ausserhalb der zentrumsnahen Agglomerationen für sie an Attraktivität.

Kein Schönheitsranking

Der WAI berechnet, wie attraktiv Gemeinden als Wohnort für Familien mit zwei Kindern innerhalb einer Region für einen durchschnittlichen Familienhaushalt sind. Abweichende Präferenzen, Haushaltsstrukturen oder Arbeitssituationen können zu anderen bevorzugten Wohnorten führen. Während eine gute Infrastruktur für eine Mehrheit der Bevölkerung ein zentrales Kriterium bei der Wohnortwahl darstellt, sind andere bereit, darauf zu verzichten, da sie Ruhe und eine naturnahe Landschaft auf dem Land schätzen. Wohnkosten und Steuern sind hingegen für fast alle Haushalte bedeutend, da sie die Auswahl an finanziell tragbaren Gemeinden einschränken können. Beim WAI handelt es sich nicht um ein Schönheitsranking. Vielmehr wird Wohnattraktivität anhand von 35 Variablen gemessen, sodass nur objektiv erfassbare Faktoren in die Analyse einfliessen. Einige Aspekte lassen sich trotz um- fangreicher Berechnungen nicht empirisch erfassen. Der Charakter eines Ortes oder ein besonders schöner Dorfkern sind beispielsweise nicht direkt messbar. Zudem ist für viele Haushalte die Nähe zu ihrem sozialen Netzwerk, wie Familie und Freundeskreis, ein zentrales Kriterium bei der Wohnortwahl. Wenn nicht anders angegeben, beziehen sich die Angaben auf den mittleren Haushalt mit einem Bruttojahreseinkommen von 145 000 Franken.