Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat einen geldpolitischen Entscheid getroffen, der im Vorfeld besonders unsicher war. Sie senkte ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf 1,25 Prozent an ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung im Juni. Die SNB konstatierte zwar einen Anstieg der Inflation, der durch die Preise für inländische Dienstleistungen getrieben wurde, sah aber gleichzeitig einen Rückgang des unterliegenden Inflationsdrucks im Vergleich zum Vorquartal. Wir hatten im Vorfeld erwartet, dass die SNB ihren Leitzins unverändert beibehält, nicht zuletzt aufgrund des jüngsten Inflationsanstiegs.
Die SNB liess ihre bedingte Inflationsprognose weitgehend unverändert und senkte ihren längerfristigen Ausblick nur leicht um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte (Abbildung 1). Hinsichtlich des Wirtschaftswachstums behielt die SNB ihre Prognose eines moderaten Wachstums für die Schweizer Wirtschaft bei und prognostiziert weiterhin ein BIP-Wachstum von «rund» 1 Prozent für 2024.
Da wir den neutralen Leitzins auf etwa 1 Prozent schätzen, prognostizieren wir eine letzte Zinssenkung durch die SNB. Auf der einen Seite wäre bei einer Inflation innerhalb des Zielbands von 0 bis 2 Prozent und einem Wirtschaftswachstum unter seinem Potenzial eine neutrale geldpolitische Haltung der SNB angemessen. Auf der anderen Seite hat sich die Inflation im 2. Quartal 2024 leicht beschleunigt, was einen vorsichtigen Lockerungszyklus rechtfertigt. Vor diesem Hintergrund bleibt der Zeitpunkt der letzten Zinssenkung ungewiss.
In unserem Basisszenario erwarten wir, dass die SNB ihren Leitzins im September um 25 Basispunkte auf 1,00 Prozent senken wird. Diese Prognose hängt von einer Verlangsamung der Inflation im Sommer 2024, einem moderaten Aufwertungsdruck auf den Schweizer Franken und dem Beginn des Lockerungszyklus in den USA ab. Die SNB könnte die nächste Zinssenkung auf 1,00 Prozent auch verschieben, bis die Inflation noch ein wenig mehr nachgegeben hat.
Devisenmarktinterventionen weniger im Fokus
Laut unseren Schätzungen hat die SNB seit Dezember 2023 nicht mehr am Devisenmarkt interveniert. Dennoch bekräftigte sie ihre Bereitschaft, «bei Bedarf» in diesen einzugreifen. Angesichts des Anstiegs der politischen Unsicherheit in Frankreich, der kürzlich zu einer raschen Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem Euro geführt hat, schliessen wir kurzfristige Devisenkäufe durch die SNB nicht aus. In der Vergangenheit wurde dem Aufwertungsdruck auf den Franken, der mit politischer Unsicherheit verbunden war, oft mit Devisenmarktinterventionen begegnet.
Stärkerer CHF mittelfristig
Da die Entscheidung der SNB, ihren Leitzins weiter zu senken, von den Finanzmärkten nicht vollständig antizipiert wurde, hat der Schweizer Franken nach der Entscheidung abgewertet. Dennoch wird der Ausblick für den SNB-Leitzins unserer Meinung nach in den nächsten zwölf Monaten wahrscheinlich nicht der Haupttreiber des CHF-Wechselkurses sein. Da mehr als eine zusätzliche Zinssenkung durch die SNB unwahrscheinlich ist, wird sich der Fokus der Investoren auf den geldpolitischen Ausblick in der Eurozone und den USA verlagern. In diesem Zusammenhang glauben wir, dass der USD am wahrscheinlichsten gegenüber dem CHF abwerten wird, angesichts seiner hohen Bewertung und sobald die Fed beginnt, ihren Leitzins zu senken, wahrscheinlich im September.
Der EUR andererseits hat unserer Meinung nach weniger Spielraum, gegenüber dem CHF abzuwerten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwar ihren Lockerungszyklus begonnen, doch ist der CHF bereits leicht überbewertet gegenüber dem EUR. Allerdings könnte die Eskalation politischer Risiken den Euro belasten.
Anhaltender Seitwärtstrend bei langfristigen Renditen
Die langfristigen Zinssätze in der Schweiz waren bisher stabil. Wir erwarten, dass dieser Seitwärtstrend in den nächsten zwölf Monaten anhält und halten an unserer Prognose von 0,70 Prozent für die 10-jährigen Renditen Schweizer Staatsanleihen im Juni 2025 fest. Die Finanzmärkte dürften weiterhin eine moderate Lockerung der Geldpolitik sehen, was verhindern sollte, dass die langfristigen Zinssätze steigen. Gleichzeitig sind die Zinssätze in der Schweiz bereits heute niedrig, was wenig Potenzial gibt für einen weiteren Rückgang der Renditen.
Autoren: Maxime Botteron, Economist, UBS AG; Alessandro Bee, Economist, UBS Switzerland AG; Florian Germanier, Economist, UBS Switzerland AG