Die Performance der Immobilienfonds enttäuschte in den letzten Wochen, sie warfen eine negative Gesamtrendite ab. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Fonds von November bis März eine beachtliche Kurserholung von über 15 Prozent aufwiesen. Angesichts dessen sei ein leichter Rückgang zu verschmerzen, sagt Christoph Bieri, Senior Portfolio Manager bei der Swiss Finance & Property Group.
Nach der Zinswende: Der Effekt der gestiegenen Zinsen ist aufgrund der langsamen Wirkung sowie gleichzeitig auftretender Veränderungen schwierig analysierbar. Was ist zu erwarten?
Christoph Bieri: Die Zinsbelastung von Immobilienfonds und -aktien ist bereits angestiegen und hat sich in den Unternehmensabschlüssen manifestiert. Hier waren zum Teil deutliche Unterschiede zu beobachten. Wer nur kurzfristig finanziert war muss bereits heute mit gut 2 Prozent Zinskosten leben. Die vorsichtiger Finanzierten können noch eine Weile von tieferen Konditionen profitieren. Die meisten Immobilienmanager konnten die gestiegenen Finanzierungskosten mindestens teilweise mit höheren Mieterträgen aus den Inflationsschutzmechanismen, die das Mietrecht bietet, kompensieren. Dieser Effekt wird noch etwas nachwirken, da viele Mietzinserhöhungen noch keine zwölf Monate in eine Jahresrechnung eingeflossen sind.
Was ist auf der Finanzierungsseite zu erwarten?
Wenn sich nun die erwartete und von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bereits initiierte Zinserholung einstellt, ist nicht mit wesentlichen Mehrbelastungen auf der Finanzierungsseite zu rechnen. Wir gehen davon aus, dass die SNB den Leitzins in den nächsten 12 Monaten auf 1 Prozent senken wird. Die Zinskosten für Immobiliengefässe werden sich mittelfristig zwischen 1 und 2 Prozent einstellen, also dort wo sich bereits die Mehrzahl der Akteure befinden.
Die Performance der Immobilienfonds enttäuschte in den letzten Wochen. Zwischen Anfang April und Mitte Mai 2024 warfen sie eine negative Gesamtrendite von 1,8 Prozent ab. Woran liegt das?
Man darf nicht vergessen, dass sich die Immobilienfonds von November bis März einer beachtlichen Kurserholung von über 15 Prozent erfreuen durften. Angesichts dessen ist ein leichter Rückgang zu verschmerzen. Die Kursrally wurde durch die Aussicht auf Zinssenkungen ausgelöst und ist vielleicht etwas gar massiv ausgefallen. In letzter Zeit hat sich aber abgezeichnet, dass sich die Zinssenkungsrunden nicht so schnell wie ursprünglich erwartet abspielen könnten, da sich die Inflation insbesondere in den USA aber auch in der EU wegen Zweitrundeneffekten hartnäckiger hält als in der Schweiz.
Mit welchen Auswirkungen auf Agios und Dividenden?
Die Saisonalität spielt eine gewisse Rolle. Die grossen Dividenden (UBS Sima, etc.) werden Anfang April ausbezahlt und die wollen die Anleger noch mitnehmen. Was ebenfalls eine Rolle spielen dürfte, sind die Kapitalerhöhungen. Mit Agios nahe bei null oder drunter im letzten Jahr, waren Kapitalaufnahmen kaum noch möglich. Die Lücke zwischen gesuchtem und gefundenem Kapital war so hoch wie noch nie. Mit den gestiegenen Agios sind nun wieder mehr Kapitalerhöhungen möglich. Davon wird auch rege Gebrauch gemacht, was eine kursdämpfende Wirkung hat.
Werden jetzt vermehrt nichtkotierte Anlagen gesucht?
Rein durch die unterschiedliche Kursentwicklung über die letzten Monate sind nichtkotierte Anlagen attraktiver, beziehungsweise weniger unattraktiv geworden. Es ist allerdings sehr wichtig, genau hinzuschauen. Die Attraktivität des Portfolios und die daraus erzielbare Rendite sind entscheidend für einen Vergleich. Dabei ist auch ein gewisser Abschlag für die Illiquidität zu berücksichtigen. Viele nicht-kotierte Anlagen sind in letzter Zeit deutlich weniger liquid geworden.
Die Immobilienaktien werden aktuell zu Prämien über dem Buchwert von durchschnittlich 1,5 Prozent gehandelt und sind damit deutlich unter dem langfristigen Durchschnitt von knapp 13 Prozent. Werden Anleger nun die Allokationen in dieses Segment erhöhen?
Immobilienaktien sind im Vergleich zu den Fonds in der Kursentwicklung etwas zurückgeblieben, was vermutlich auch ihrer Exposure zu kommerziellen Immobilien geschuldet ist, die gegenwärtig als weniger attraktiv angesehen werden als Wohnimmobilien. Man darf aber nicht vergessen, dass die meisten Immobiliengesellschaften über qualitativ hochwertige Immobilien an sehr zentralen Lagen verfügen und über die letzten Monate zeigen konnten, dass dort die Mieten, mindestens im Gleichschritt mit der Inflation, angehoben werden konnten. Zudem haben insbesondere die grösseren Immobiliengesellschaften ein internationales Aktionariat. Hier könnte den Investoren demnächst einmal auffallen, dass der Schweizer Franken sich auf einem sehr attraktiven Niveau befindet.
Da viele Firmen ihre Büroflächennachfrage künftig eher zurückfahren werden, dürften die Mietzinsausfälle in den nächsten Jahren zunehmen. Die Angebotsmieten in diesem Bereich liegen im Marktdurchschnitt 3 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Können nur noch an Top-Lagen weiterhin steigende Mieten erwartet werden?
Dass zentrale Lagen gegenüber peripheren Lagen gewinnen, ist ein Trend, der bereits seit längerem besteht und sich in absehbarer Zeit auch nicht umkehren wird. Die Immobiliengesellschaften haben über die letzten Jahre die Lagequalität in ihren Portfolios nochmals verbessert. Mit ihren jüngsten Abschlüssen konnten sie auch aufzeigen, dass sie die Mietzinsen (like-for like) deutlich steigern können. Man darf auch nicht vergessen, dass die Cash-Renditen auf kommerziellen Anlagen fast 2 Prozent höher sind als bei Wohnflächen.
Wäre dann nicht eher die Umwandlung von Büros in Wohnungen sinnvoll?
Absolut. Auf dem Wohnungsmarkt herrscht ein bedeutender Nachfrageüberhang, was man vom Büromarkt gegenwärtig nicht behaupten kann. Dabei stellen sich einem aber zwei Probleme in den Weg. Einerseits gibt es baurechtliche Hürden. Die Realisation von Wohnungen ist aufgrund von Zonenvorschriften, Lärmvorschriften, etc. nicht an beliebigen Standorten möglich. Anderseits bedeutet die Umwandlung von Büro in Wohnungen in der Regel einen massiven und kostspieligen Eingriff in die Gebäudestruktur, so dass sich ein solches Unterfangen nur in einer Totalsanierung oder sogar erst bei Abbruch und Neubau lohnt. Wenn aber Wohnflächen ausserhalb des CBD bereits für 500 Franken pro Quadratmeter und Jahr vermietet werden können, wie beispielsweise gerade in Zürich, ist eine Umwandlung mittelfristig sicher eine Überlegung wert.
Sollten bei der Asset Allocation nun vermehrt in- und ausländische Immobilienanlagen sinnvoll kombiniert und systematisch in ein Multi-Asset-Portfolio integriert werden?
Die Kombination von in- und ausländischen Immobilienanlagen lohnt sich unter dem Aspekt der Diversifikation immer. Für sehr grosse Portfolios ist dies zur Überwindung des «home bias» sicher wünschenswert. Glücklicherweise hat aber der Schweizer Immobilienmarkt sehr gewichtige Vorteile auf seiner Seite. So verfügt die Schweiz über eine gut ausgeglichene Wirtschaft, die nicht zu stark von einzelnen Sektoren abhängig ist, was auf Konjunkturschwankungen einen dämpfenden Effekt hat. Zudem hat die Schweiz – noch, muss man sagen – relativ liberale Mietgesetze, was Investitionen auch in den defensiveren Wohnsektor ermöglicht. Und zu guter Letzt gehört die Schweiz zu den wenigen europäischen Ländern, deren Bevölkerung noch wächst.
Projektentwicklungen werden nach einem Zinsanstieg langfristig wieder attraktiv, wenn die Baulandpreise genügend stark gesunken sind. Lässt sich in den Daten erkennen, dass Bauland in der Schweiz günstiger geworden ist?
Die Attraktivität von Projektentwicklungen orientiert sich nicht an den nominalen, sondern an den realen Zinsen und diese sind praktisch unverändert geblieben. Gleichzeitig bleibt der Zuwanderungsdruck und damit die Nachfrage nach gut gelegenen Objekten sehr hoch. An guten Lagen sehen wir keinen Rückgang von Baulandpreisen. Wir rechnen auch künftig nicht damit.
Interview: Remi Buchschacher