Zunehmende Regulierung, Verdichtung sowie Einsprachen verlangsamten die Baubewilligungsprozess im vergangenen Jahr weiter. Überdurchschnittlich zeitaufwändig ist der Bewilligungsprozess in vielen Westschweizer Kantonen.
Die Produktivität der Bauämter scheint im Sinkflug zu sein. Die Zahl der Baugesuche für Mehrfamilienhäuser liegt aktuell 30 Prozent tiefer als noch in der letzten Dekade. Dennoch dauert es im Schnitt rund 25 Prozent oder 40 Tage länger, um eine Baubewilligung zu erhalten. 2023 lag die mittlere Bewilligungsdauer für ein Mehrfamilienhaus bei rund 200 Tagen. Gegenüber den Jahren 2011 bis 2020 hat sich der Baubewilligungsprozess damit um mehr als 40 Tage verlängert. Die bisher verfügbaren Zahlen für das laufende Jahr zeigen einen weiteren Anstieg auf aktuell sogar knapp 230 Tage.
Hohe Komplexität und Einsprachen als Bremsklotz
Diese Zunahme der letzten Jahre hat verschiedene Ursachen. Die Baugesetze werden immer umfangreicher. Die Verlagerung der Bautätigkeit von der grünen Wiese hin zum verdichteten Bauen hat die Anforderungen an die Bauplanung zusätzlich erhöht. Die Prüfung der Baugesuche wird damit komplexer. Bereits vor zehn Jahren wurden Baugesuche sehr häufig nicht vollständig oder nicht korrekt eingereicht, was die Bewilligungsdauer im Durchschnitt um einen Monat verlängerte, wie eine Studie des SECO zur Effizienz der Bauverfahren zeigte. Mit der Verdichtung ist auch eine Zunahme der Einsprachen verbunden. Abhängig davon, ob und wie effizient diese von der Baubehörde behandelt werden, können sie den Bewilligungsprozess ebenfalls stark verzögern. Auch dürfte der abrupte Anstieg der Bau- und Finanzierungskosten in 2022 bei einigen Grossprojekten zu Anpassungsbedarf bei bereits eingereichten Baugesuchen geführt haben.
Grosse Unterschiede unter den Kantonen
Die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen des Baubewilligungsprozesses in der Schweiz sind kantonal und sogar auf Gemeindeebene unterschiedlich geregelt. Dementsprechend variiert auch die Dauer des Baubewilligungsprozesses stark unter den Kantonen. Die folgenden Vergleiche bezüglich der kantonalen Bewilligungsdauer für Neubauten von Mehrfamilienhäusern zeigen, wo der Bauprozess gut funktioniert und wo aus verschiedenen Gründen Sand im Getriebe zu sein scheint.
- Eine überdurchschnittliche Baubewilligungsdauer für ein Mehrfamilienhaus von 220 und mehr Tagen wiesen im Durchschnitt von 2022 und 2023 die Westschweizer Kantone Neuenburg, Freiburg, Jura und – allen voran – Genf auf. Auch Basel-Stadt und -Landschaft sowie Zug sind im oberen Drittel des Kantonsvergleichs zu finden.
- In den Grossstädten Zürich (305 Tage) und Lausanne (210 Tage) dauert es deutlich länger, eine Baubewilligung zu erhalten, als im dazugehörenden Kanton.
- In den Kantonen Waadt, Thurgau und Tessin sowie in den Bergkantonen geht es mit 160 Tagen oder weniger vergleichsweise schnell.
- Die stärkste Zunahme der Baubewilligungsdauer verzeichneten in den vergangenen beiden Jahren die Kantone Genf und St. Gallen mit einem
Plus von jeweils über 60 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode 2011 bis 2020. In Genf war die jährliche Veränderung in den Pandemiejahren allerdings sehr volatil und zeigte 2023 bereits wieder einen starken Rückgang. Auch in den Zentralschweizer Kantonen Luzern, Nidwalden und Zug ist eine überdurchschnittliche Verlangsamung festzustellen. - Nur ein geringer Anstieg der Baubewilligungsdauer zeigt sich in den Kantonen Tessin, Freiburg und Obwalden.
Die Unterschiede in der Zeitspanne zwischen Einreichung des Baugesuchs und Erteilung der Baubewilligung lassen sich teilweise mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen erklären. Der Bau von Mehrfamilienhäusern an Zentrumslagen ist offenkundig komplexer als in kleinen ländlichen Gemeinden. Doch auch die Organisation des Bewilligungsprozesses und der Umgang mit Einsprachen dürften einen grossen Einfluss auf die Dauer haben. Setzt die zuständige Behörde Einspracheverhandlungen oder sogar eine Besichtigung des Projekts an, so führt dies dementsprechend zu Verzögerungen. Der Kanton Zürich als Gegenbeispiel führt keine Einspracheverfahren durch. Dies könnte jedoch mit einem höheren Anteil an Rekursen nach dem Baubewilligungsentscheid verbunden sein.
Verzögerungsfaktor Rekurs
Die Beurteilung eines Baugesuchs und dessen Bewilligung sind nur ein Teil des gesamten Bauprozesses. Neben der aufwendigen Vorbereitung des Baugesuchs drohen im Anschluss an die Baubewilligung immer häufiger Rekurse. So gingen am Baurekursgericht Zürich in den Jahren 2020 bis 2023 jeweils rund 1000 Rekurse ein – gegenüber dem Niveau der Jahre 2014 bis 2019 ein Plus von mehr als 20 Prozent. Seit 2020 ist die Anzahl Rekurse jedoch praktisch konstant. Die Erfolgsquote bei den Rekursen liegt im Durchschnitt jedoch nur bei rund 25 Prozent. Dennoch verzögert ein Rekurs an die Erstinstanz den möglichen Baustart im Durchschnitt um ein knappes halbes Jahr. Rund 15 Prozent der Entscheide des Gerichts werden zudem an das Verwaltungsgericht weitergezogen, was den Bauprozess nochmals um Monate in die Länge zieht. Ein finaler Weiterzug ans Bundesgericht führt dann zu einer weiteren Verzögerung von mindestens einem halben Jahr.
Schneller ist möglich
Generell gilt: Je komplexer der Bauprozess, desto weniger wird gebaut. Die Länge der Baubewilligungsdauer wirkt sich negativ auf die Bautätigkeit aus, wie dies eine Studie des Bundesamts für Raumplanung vom März 2024 bestätigt. Die Entschlackung der Baugesetze und Reduktion der rechtlichen Vorgaben an einen Neubau dürften illusorisch sein. Die volle Digitalisierung des Baubewilligungsprozesses ist hingegen bereits im Gang und in einigen Kantonen bereits umgesetzt. Die Einschränkung und Verteuerung von Einsprachen hat politisch mittelfristig ebenfalls gute Karten und dürfte das Bauen insgesamt beschleunigen. Der kantonale Vergleich deutet darauf hin, dass die Baubewilligungsdauer in vielen Kantonen auch durch eine Verbesserung der Prozesse beschleunigt werden könnte.
Autor: Matthias Holzhey, Economist, UBS Switzerland AG