Erst eine Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte lässt eine objektive Beurteilung der Auswirkungen des unternehmerischen Handelns auf Menschen und Umwelt zu. Der Bundesrat plant bereits diesen Sommer mit einer Vernehmlassung die Erweiterung der Berichterstattungs- und Einführung einer Prüfpflicht. Hier kann ein Blick von aussen durch den Wirtschaftsprüfer viel Klarheit schaffen, sagt Joachim Beil, Leiter Nachhaltigkeit bei Expertsuisse. Doch von einer zusätzlichen Belastung durch einen «Swiss Finish» rät er ab.

Seit diesem Jahr stehen EU-Unternehmen in der Pflicht, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen auszuweisen. Das Rapportieren dieser «nicht finanziellen Kennzahlen» sorgt in der Praxis immer wieder für Kopfzerbrechen. Wie stark ist die Schweizer Immobilienwirtschaft davon betroffen?

Joachim Beil: Das kommt darauf an, ob diese in den kommenden Jahren in den Einflussbereich der EU-Regulierung oder allenfalls der Schweizerischen Gesetzgebung gerät. Eine Berichterstattungspflicht kennt die EU bereits seit längerem. Allerdings beginnt mit der Corporate Social Responsibility Directive ab 2024 ein deutlich umfassenderes Regime, welches schrittweise mehr und mehr Unternehmen, auch aus dem KMU- Segment, betrifft. Von der Regulierung erfasste Unternehmen müssen daher den Berichtspflichten nachkommen – der Bundesrat sieht auch im Immobiliensektor einen wesentlichen Hebel zur Erreichung des Netto-Null-Ziels. Wir können davon ausgehen, dass die Relevanz der Berichterstattung weiter zunehmen wird. Eine vorausschauende Auseinandersetzung mit den bestehenden und entstehenden Berichterstattungsstandards scheint empfehlenswert.

Die Immobilienwirtschaft ist also gefordert, die Nachhaltigkeitsbewegungen aufzuzeigen. Es gibt Richtlinien der AMAS, die für die Immobilienfonds nun verbindlich sind. Doch wer überprüft diese?

Gemäss AMAS ist die entsprechende Selbstregulierung bei umweltrelevanten Kennzahlen für Mitgliedsinstitute verpflichtend. Da es sich um eine Selbstregulierung handelt, ist es an der Branche, respektive den Mitgliedsinstituten, hier gemeinsam mit der AMAS den Umfang der benötigten Transparenz zu definieren, sofern keine gesetzlichen oder anderweitigen Vorgaben etwas anderes vorschreiben. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Oberleitungsorgans eines betroffenen Immobilienfonds, die Einhaltung des entsprechenden Dispositivs sicherzustellen. Allerdings hat die AMAS im Rundschreiben 06/2023 verkündet, dass im Rahmen der Best-Practice eine Prüfung der Berichterstattung durch die kollektivanlagengesetzliche Prüfstelle oder eine andere von der Revisionsaufsichtsbehörde staatlich beaufsichtigte Prüfgesellschaft erfolgen kann. Damit ist ein entsprechend befähigter und beaufsichtigter Wirtschaftsprüfer gemeint.

Stakeholder möchten wissen, wie Unternehmen oder deren Lieferanten mit dem Thema ESG umgehen. Was bedeutet das für die Prüfungs- und Beratungsbranche?

Wir erwarten grundsätzlich, dass vor allem bei den Lieferantenbeziehungen der Umfang des ESG-Reportings über die Berichterstattungs- und Sorgfaltspflichten des Kundenunternehmens definiert wird. Um ihren Pflichten nachzukommen, sind sie auf entsprechende Informationen aus der Lieferkette angewiesen. Darüber hinaus gibt es selbstverständlich weitere Stakeholder, und es gilt im Rahmen des Stakeholdermanagements auf deren Informationsbedürfnisse einzugehen. Die Rolle der Prüfungs- und Beratungsbranche ist hier abhängig von der Bedürfnislage.

Wie wird das konkret aussehen?

Entweder kann der Beratungskunde unterstützt werden, ein aussagekräftiges Reporting aufzustellen, das ebendiese Informationsbedürfnisse und gegebenenfalls auch Pflichten erfüllt. Oder der Prüfer kann durch den objektiven Blick von aussen die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung erhöhen und dem Adressaten die Sicherheit vermitteln, dass er es hier mit einer objektiven, auf klaren Kriterien basierenden Information zu tun hat.

Auch die übrige Wirtschaft ist gefordert: Analog zur EU sollen künftig auch hierzulande Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über die ESG-Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit Bericht erstatten müssen. So will es der Bundesrat. Die Nachhaltigkeitsberichte müssen nach vergleichbaren Regelwerken erstellt und geprüft werden. Welche Regelwerke bestehen?

Bislang hat der Gesetzgeber lediglich in der Verordnung zur Klimaberichterstattung festgelegt, dass grosse Unternehmen die Empfehlungen der Task Force on Climate Related Disclosures (TCFD) umzusetzen haben. Aktuell steht es den Anwendern offen, für die Erstellung ihrer Nachhaltigkeitsberichte auf die verschiedenen verfügbaren Standards zurückzugreifen. Gemäss einer Studie der FER-Stiftung zur Rechnungslegung unter 476 befragten nicht-börsenkotierten Unternehmen geht klar hervor, dass der Standard der Global Reporting Initiative (GRI) mit mehr als 30 Prozent der mit Abstand am häufigsten genutzte Standard ist. Bei den kotierten Unternehmen ist dieser Anteil noch höher. Daneben gibt es für die Immobilienbranche den Standard der European Public Real Estate Association (EPRA). Dieser kam in der ausgewählten Stichprobe jedoch nicht vor.

Wie wird die Immobilienwirtschaft reguliert?

In Zukunft werden die European Sustainability Reporting Standards ESRS eine wichtigere Rolle einnehmen: Zum einen durch die Auswirkung der Regulierung und zum anderen ist geplant, bis 2026 ebenfalls sektorspezifische Standards zu entwickeln, zu denen voraussichtlich auch die Immobilienbranche gehören wird. Entscheidend ist im Endeffekt die Vergleichbarkeit der verwendeten Standards und die Erfahrung im Umgang mit teils komplexen Offenlegungen bei den Anwendern.

Derzeit ist die ESG-Berichterstattung noch freiwillig. Doch bereits 2024 soll mit einer Vernehmlassung die Ausweitung der Berichts- und die Einführung einer Prüfpflicht lanciert werden. Wäre es nicht sinnvoller, von den Erfahrungen der anderen Länder zu lernen, bevor neue Auflagen geschaffen werden?

Ohne die genauen Zahlen zu kennen, gehe ich davon aus, dass die Unternehmen, welche gemäss Ankündigung des Bundesrates unter eine zukünftige Berichtspflicht fallen werden, mehrheitlich ebenfalls von der 2024 in Kraft getretenen EU-Regulierung erfasst werden und bis 2028 aufgrund von Verbindungen zum EU-Binnenmarkt danach berichterstatten. Ob es in diesem Umfeld sinnvoll ist, weitere Berichterstattungspflichten im Gesetz zu verankern, muss auf politischer Ebene diskutiert werden. Die Unternehmen benötigen klare und verlässliche Rahmenbedingungen. Was sie definitiv nicht brauchen, ist eine zusätzliche Belastung durch einen «Swiss Finish».

Mit einer objektiven und unabhängigen Prüfung von publizieren Informationen lässt sich Vertrauen gewinnen. Vertrauen ist aber keine Konstante, es muss immer wieder erneuert werden.

Das ist richtig, Vertrauen muss verdient werden! Vertrauen bedingt, dass die in einem Nachhaltigkeitsbericht gemachten Aussagen belastbar und beweisbar sind. Daher bin ich überzeugt, dass geprüfte Informationen die Glaubwürdigkeit einer Berichterstattung erhöhen. Hier können Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer eine wesentliche Rolle spielen: Sie prüfen, dass die Informationen richtig, vollständig und relevant sind. Dieser objektive Blick von aussen ist auch für Verwaltungsräte und andere mit der Oberleitung betraute Personen relevant, die schlussendlich die Verantwortung für die gemachten Aussagen gegenüber den Stakeholdern wahrnehmen.

Der objektive Blick von aussen lohnt sich also. Damit die vom Bundesrat angekündigte Prüfpflicht ihren Nutzen entfaltet, müssen Nachhaltigkeitsberichte nach klaren und vergleichbaren Regelwerken erstellt und geprüft werden. Wo stehen wir heute?

Eine Prüfpflicht entfaltet immer einen Nutzen, indem sie die Berichterstatter dazu verpflichtet, bei der Berichterstellung sorgfältig tätig zu werden und gemachte Aussagen belegen zu können. Was die Berichterstattung anbelangt, zeigt sich die Landschaft divers. Mangels klar definierter Kriterien sind nicht alle Regelwerke  geeignet, die gemachten Aussagen auch objektiv überprüfen zu können. Welcher Standard sich im Markt durchsetzt, wird sich zeigen. Auch die Prüfungsstandards befinden sich noch in der Entwicklung. Die Branche arbeitet intensiv daran, aufzuzeigen, welche Grundbedingungen erfüllt sein müssen, damit eine Aussage prüfbar ist. Dies gestaltet sich vor allem bei qualitativen und zukunftsgerichteten Informationen schwierig. Wir erwarten vom Bundesrat, dass er die Rahmenbedingungen der Prüfung vernünftig setzt, geeignete Standards aufzeigt und die Zulassungsbedingungen für Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer sinnvoll regelt, damit eine hohe Prüfungsqualität sichergestellt ist und international vergleichbare Zulassungsvoraussetzungen vorliegen.

Oft ist von «Green Washing» die Rede. Hier hilft nur Transparenz und Vergleichbarkeit, um die Qualität der ESG-bezogenen Informationen zu erhöhen. Werden durch die neuen und strengeren Reportingpflichten Stakeholder in die Lage versetzt, gute Leistungen in Sachen Nachhaltigkeit besser zu identifizieren?

Die Berichterstattung wird quantifizierbarer und der Spielraum für eine (übermässig) positive und damit einseitige Präsentation von Unternehmen reduziert. Durch die Harmonisierung der Berichterstattungsstandards und die Einführung einer allgemeinen Prüfpflicht werden die Informationen ebenfalls vergleich- und, sofern sie das nicht bereits sind, belastbarer. Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Leserinnen und Leser können die Anstrengungen eines Unternehmens besser beurteilen.

Interview: Remi Buchschacher

Joachim Beil ist diplomierter Wirtschaftsprüfer und Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Nachhaltigkeit bei Expertsuisse.