Privathaushalte verabschieden sich immer mehr aus dem Wohnungsbau, wie eine neue Analyse von Raiffeisen Schweiz zu den Baugesuchen zeigt. Für diesen Trend, der schon lange dauert, sind mehrere Faktoren verantwortlich. Neben dem Zwang zum verdichteten Bauen, welcher die ohnehin schon steigende Komplexität von Bauprojekten zusätzlich erhöht, können dafür auch die Regulierungsflut, der Trend zu grösseren Wohngebäuden und zur Professionalisierung und sogar Wohlstandsphänomene angeführt werden.

Der Anteil der von privaten Haushalten gebauten Wohnungen nimmt seit Jahren immer mehr ab. Im Jahr 2001 entfielen noch fast 40% der Wohnungen in eingereichten Baugesuchen auf Privatpersonen als Bauherren. Bis 2023 hat sich dieser Anteil auf gerade noch 18% mehr als halbiert. Private sind zwar nach wie vor die mit Abstand wichtigsten Eigentümer von Wohnungen. Neben ihrem selbstgenutzten Wohneigentum besitzen sie auch noch 45% aller Mietwohnungen. Als Bauherr und in etwas geringerem Masse auch als Eigentümer überlassen sie das Feld aber immer mehr anderen Marktteilnehmern. Der Rückzug der Privaten betrifft sämtliche Segmente des Wohnungsbaus. Nur noch etwas mehr als jede zehnte neue Mietwohnung wird von privaten Bauherren geplant. Vor zwanzig Jahren war es noch jede fünfte. Auch Stockwerkeigentum wird immer weniger von Privatpersonen erstellt. Und selbst den Traum vom Einfamilienhaus (EFH) erfüllt sich die Mehrheit der Haushalte mittlerweile nicht mehr in Eigenregie. 2023 wurden erstmals mehr Baugesuche für EFH von anderen Bauherren als von Privatpersonen eingereicht

Siedlungsentwicklung nach innen

In der Schweiz herrscht ein breiter gesellschaftlicher Konsens, dass die immer weiter fortschreitende Zersiedelung unserer Landschaft gestoppt oder zumindest stark eingeschränkt werden muss. Spätestens mit der Umsetzung des revidierten Raumplanungsgesetzes, welches 2013 mit deutlichem Volksmehr angenommen wurde, herrscht hierzulande das Gebot der Siedlungsentwicklung nach innen. Viele Kantone mussten ihre überdimensionierten Bauzonen verkleinern und gleichzeitig müssen bestehende Bauzonen besser genutzt werden. Die Devise lautet «Verdichtung» und «haushälterischer Umgang mit dem knappen Gut Boden». Zwar geht die Verdichtung nur schleppend voran, aber der Trend zu immer grösseren Gebäuden mit höhere Etagenzahl und mehr Wohnungen hält seit Jahren an. So wird vor allem auch das Einfamilienhaus, welches für wenig Wohnraum sehr viel Boden beansprucht, unter den neuen Rahmenbedingungen mehr und mehr zum Auslaufmodell. Bestehende Einfamilienhäuser werden vermehrt abgerissen und müssen Mehrfamilienhäusern (MFH) weichen. Die Zahl der jährlich baubewilligten neuen EFH hat sich innert einem Jahrzehnt von fast 12’000 auf nur noch etwas über 6’000 beinahe halbiert. Der Nettozugang ist aufgrund der hohen Abbruchquote noch deutlich tiefer.

Aber die Verschiebung der Struktur der Bautätigkeit weg vom EFH und kleinen MFH hin zu grösseren MFH, erklärt nur einen Teil der stark rückläufigen Bautätigkeit der Privathaushalte. Denn es ist ein Trend hin zur Professionalisierung auch innerhalb der einzelnen Wohnbausegmente zu beobachten. So hat der Anteil der Privaten auch bei den noch immer neu erstellten EFH sehr stark abgenommen. 2008 wurden noch zwei Drittel der Baugesuche für EFH von Privaten gestellt, mittlerweile sind es weniger als die Hälfte. Diese Entwicklung spricht für die These, dass die wachsende Komplexität eine wichtige Ursache für den Rückzug der Privaten ist. Auch wurden 2013 beispiels- weise noch 46% aller Wohnbauprojekte mit 4-6 Wohnungen von privaten Haushalten projektiert. 10 Jahre später waren es gerade noch 32%

Rückzug der Privaten verlief lange unbemerkt

Das stetig wachsende Engagement der institutionellen Anleger im Schweizer Immobilienmarkt bis zur Zinswende hat damit das frühzeitige Erkennen eines Ungleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Schweizer Wohnungsmarkt erschwert. Noch heute glauben nicht wenige Marktteilnehmer die Bauflaute sei auf die höheren Baukosten und die gestiegenen Zinsen zurückzuführen. Wenn dem so wäre, dann hätten die Baubewilligungen nicht bereits im Jahr 2019 begonnen sich zurückzubilden, denn damals waren Immobilien renditetechnisch noch immer konkurrenzlos. Weiter müsste in Anbetracht der wachsenden Wohnungsknappheit und der starken Mietpreisanstiege längstens eine starke Reaktion bei der Planungstätigkeit erkennbar sein. Deren Fehlen lässt auf strukturelle Ursachen der geringen Bautätigkeit schliessen.