Einheitliche ESG-Reportings schaffen Transparenz und sind für Anleger ein wichtiges Hilfsmittel, um verschiedene Anlagegefässe hinsichtlich der ESG-Performance miteinander vergleichen zu können, sagt Alfonso Tedeschi von der Helvetia Asset Management AG. Im Laufe des ersten Halbjahres 2024 soll der Helvetia (CH) Swiss Property Fund an der Börse SIX kotiert werden.

Nach einem schwachen Herbst hat sich der indirekte Markt gegen Ende 2023 teilweise stark erholt, auch bei den kotierten Wohnimmobilienfonds. Wie hat sich der Helvetia (CH) Swiss Property Fund zum Jahresende 2023 entwickelt?

Alfonso Tedeschi: Die Immobilienindizes haben eine kleine Jahresendrally hingelegt. Die durchschnittlichen Agios liegen bei den kotierten Schweizer Immobilienfonds bei rund 10%. Nicht kotierte Immobilienfonds wie der Helvetia (CH) Swiss Property Fund (HSPF) haben von dieser Entwicklung noch nicht vollends profitiert. Erfahrungsgemäss hinkt der nicht kotierte Sektor dem kotierten hinten nach. Allerdings ist investorenseitig bereits eine erhöhte Nachfrage nach dem HSPF zu spüren. So hat sich der OTC-Kurs nach der Ausschüttung der Dividende per Mitte Dezember 2023 von CHF 101 auf CHF 102 erhöht.

Was sind die Gründe für die geplante Kotierung des HSPF und was ändert sich für die bestehenden Anleger?

Die Kotierung des Helvetia (CH) Swiss Property Fund wurde bereits bei dessen Auflegung im Jahr 2020 in Aussicht gestellt. Mit einer Kotierung erweitert sich die Investorenbasis um passive Anleger und Retailinvestoren. Dies verschafft dem Fonds mehr Tiefe und Zugang zu einem breiteren Investorenkreis. Zusätzlich steigt durch die Börsenkotierung auch die Sichtbarkeit im Markt und die Liquidität wird substanziell erhöht. Dies bietet den Anlegern den Vorteil, dass sich Positionen leichter auf- und abbauen lassen.

Die Immobilienfonds haben im letzten Jahr zum Teil deutlich verloren und die Agios sind zurückgegangen. Zudem wird mit dem Anstieg des Referenzzinssatzes die Forderung nach mehr Regulierung auf dem Mietmarkt lauter. Ist noch mehr Regulation der richtige Weg?

Die Schweizer Immobilienfonds haben den Lackmustest bestanden und gezeigt, dass sie auch in einem schwierigen Marktumfeld überzeugen. Sie haben mit einer negativen Performance von über 10 Prozent im Jahr 2022 ein veritables Annus horribilis erlebt. Im letzten Jahr konnten sie jedoch einen Teil dieser Verluste wieder wettmachen. Die Liquidität am Markt ist wieder zurück und nach einer Phase des Stillstands konnten auch zwei Immobilienfonds erfolgreich kotiert werden. Zudem konnten viele Gefässe operativ gute Ergebnisse ausweisen und ihre Ausschüttung trotz steigenden Fremdkapitalkosten konstant halten. Die Aussichten für das soeben angelaufene Jahr sind aufgrund der rückläufigen Zinserwartungen positiv. Ich glaube nicht, dass mehr Regulierung opportun ist. Ein wichtiger Baustein der heutigen Regulierung ist die konservative Fremdfinanzierung von maximal 33 Prozent. Diese verschafft dem Segment Stabilität.

Und im Mietrecht?

Beim Mietrecht ist die Situation stark politisch geprägt. Seit der Lancierung des Referenzzinssatzes im Jahr 2008 ist es zu neun Senkungen gekommen und lediglich zu zwei Erhöhungen. Fakt ist, dass sich die Bestandesmieten in der Schweiz in den letzten Jahren viel langsamer als das verfügbare Einkommen entwickelt haben. Dies zeigt sich auch daran, dass der Flächenverbrauch pro Kopf in der Schweiz kontinuierlich zugenommen hat.

Blicken wir doch in die Zukunft: Die Schweizer Bevölkerung wächst nicht nur, sie altert vor allem auch. Was für Wohnraum werden wir künftig brauchen?

Die Anzahl der Privathaushalte wird laut dem Referenzszenario des Bundesamts für Statistik bis 2050 weiter steigen. Dieser Anstieg ist auf die wachsende Bevölkerung durch Zuwanderung und die Zunahme von Kleinhaushalten aufgrund sich verändernder Lebensstile und der alternden Bevölkerung zurückzuführen. Besonders signifikant ist der geschätzte Anstieg von Einpersonen- und Zweipersonenhaushalten, diese suchen vornehmlich 1-3.5-Zimmerwohnungen. Grössere Haushalte, also Drei- bis Sechspersonenhaushalte, nehmen weniger stark zu. Dies liegt vor allem an der längeren Lebenserwartung der Menschen sowie an der niedrigen Geburtenrate in der Schweiz, die unter anderem auf die lange Ausbildungszeit und die hohe berufliche Mobilität zurückzuführen ist.

Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen?

Diese stark wachsenden Mietersegmente suchen hauptsächlich gut erschlossene kleinere Wohnungstypen. Für ältere Personen ist auch die Nutzung modularer Dienstleistungen wie Pflege und Betreuung, die Nähe zu Alters- und Pflegeheimen und barrierefreie Wohnungen von Bedeutung. Dies ermöglicht es ihnen, möglichst lange selbstbestimmt zu wohnen und trägt damit auch zur Entlastung der Gesundheitskosten bei.

Wo soll dieser zusätzliche Bedarf aufgefangen werden?

Der Bedarf an zusätzlichen Wohnungen kann nicht allein in den Städten aufgefangen werden und so gibt es einen Verdrängungseffekt in die Agglomerationen der Gross- und Mittelzentren. Neben Verdichtung von Fläche kann auch modulares Bauen dazu beitragen mehr Wohnfläche zu günstigeren Baukosten zu schaffen.

Oft wird behauptet, auf dem Mietmarkt finde eine Segregation statt: Nur Menschen mit hohem Einkommen können es sich leisten, in Städten oder Tourismusregionen zu wohnen. Woran liegt es, dass zu wenig Wohnungen gebaut werden?

Die Angebotsmieten haben sich in den letzten Jahren in den Städten und Tourismusregionen stark erhöht, bilden aber lediglich die Spitze des Eisbergs. Bei den Bestandesmieten sieht die Situation entspannter aus, da in den Portfolios institutioneller Anleger systembedingt – aufgrund bereits bestehender Mietverträge zu attraktiveren Konditionen – ein hoher Anteil an kostengünstigen Mieten an zentralen Lagen vorzufinden ist. Dies aufgrund bestehender Mietverhältnisse, welche nur unter bestimmten Voraussetzungen angepasst werden können und sich auf tieferem Niveau im Vergleich zur Marktmiete befinden. Zudem wird im städtischen Raum der gemeinnützige Wohnraum stark gefördert. Dies geschieht primär über Baugenossenschaften, Stiftungen und Vereine, die Wohnungen günstig vermieten. Im Dialog von öffentlicher Hand und privaten Bauträgern kann diese Herausforderung angegangen werden.

Kann dies gelingen?

Das Neubauangebot sinkt aktuell aufgrund von gestiegenen Finanzierungskosten, steigenden Baukosten und regulatorischen Anforderungen, welche dazu führen, dass es länger und teurer ist zu bauen. Einige Projektentwicklungen sind unter diesen Voraussetzungen nicht mehr rentabel umsetzbar.

Drei Immobilienanlagegefässe von Helvetia erzielten vergangenes Jahr eine Green- Star-Auszeichnung im Rahmen des GRESB Real Estate Assessments. Wie stark gewichten Sie die ESG-Reportings?

Einheitliche ESG-Reportings schaffen Transparenz und sind für Anleger ein wichtiges Hilfsmittel, um verschiedene Anlagegefässe hinsichtlich der ESG-Performance miteinander vergleichen zu können. Unsere erfreulichen GRESB Resultate untermauern, dass ESG-Überlegungen, mit dem Ziel unser Anlageportfolio bis 2050 schrittweise auf Netto-Null-Emissionen auszurichten, ein wichtiger Bestandteil in unserem Anlageprozess sind. Mit dem GRESB-Rating können wir unsere Nachhaltigkeitsbemühungen offenlegen und so dazu beitragen eine nachhaltige Immobilienindustrie zu schaffen.

Die ESG-Reporting-Empfehlung von ASIP und AMAS gewinnen in der Schweizer Nachhaltigkeitslandschaft zunehmend an Bedeutung. Wie gross schätzen Sie den Einfluss auf die Anlagestrategien von Immobilienanlagegefässen ein?

Die Vereinheitlichung der ESG-Kennzahlen durch den Schweizerischen Pensionskassenverband (ASIP) und die Asset Management Association Switzerland (AMAS) sind wichtig und verdichten die bereits von der Branche erbrachten Bemühungen im Bereich ESG. Eine Nachhaltigkeitsstrategie ist für institutionelle Investoren bereits heute sehr vorteilhaft. So können Immobilienfonds, welche ESG-Kriterien berücksichtigen, eine breitere Anlegerbasis ansprechen. Die grössten Tücken bestehen bei der Datengrundlage, also in der Verfügbarkeit und Qualität der Daten, der operativen Umsetzung sowie der Handhabung der damit verbundenen Kosten.

Als grosse Herausforderung wird also oft die Verfügbarkeit der benötigten zugrundeliegenden Daten für die relevanten Anlageklassen und Anlageprodukte genannt. Die Erhebung umweltrelevanter Daten, wie zum Beispiel CO2-Emissionen, auf Stufe Einzelanlage oder Emittent, erfordert Lizenzen von spezialisierten ESG-Datenanbietern, die mit hohen Kosten verbunden sind. Lohnt sich dieser Aufwand?

Der Aufwand lohnt sich meines Erachtens zu 100 Prozent. Das Zitat von Peter F. Drucker: «Was man nicht messen kann, kann man nicht lenken», gilt insbesondere auch im Bereich ESG. Die gesamte Branche sieht sich mit Mehranforderungen konfrontiert. Die systematische Auswertung der Verbrauchsdaten ist eine zentrale Voraussetzung, um CO2- und Energieverbrauch- Absenkungspfade herzuleiten und damit seine eigene Nachhaltigkeitszielsetzung zu monitoren und die gegenüber Anlegern gemachten Versprechen einzulösen. Mittlerweile kann man bei der Aufbereitung der Daten auf ein ganzes Ökosystem von spezialisierten Firmen zurückgreifen. Ich bin optimistisch, dass der technologische Fortschritt – wie generative AI-Systeme – in naher Zukunft zu weiteren Kostensenkungen führen wird und auch die Datengüte verbessern wird.

Interview: Remi Buchschacher

Alfonso Tedeschi ist Senior Portfolio Manager Real Estate und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Helvetia Asset Management AG.