Energiepolitik im Gebäudebereich steht nicht nur in Bundesbern weit oben auf der Agenda, sondern auch in zahlreichen Kantonen. Eine Übersicht über die wichtigsten Vorstösse und was auf die Branche in den nächsten Jahren zukommt. Von Thierry Leu und Simon Hurst (IAZI)
Der Gebäudepark gehört zu den grössten Verursachern von Treibhausgasen. Entsprechend steht der Immobiliensektor seit einigen Jahren verstärkt im Fokus politischer Regulierung. Die drohende Energiekrise hat der gesetzgeberischen Aktivität zusätzlichen Schub verliehen und auf sämtlichen Staatsebenen eine Vorstossflut ausgelöst: Das systematische Politik-Monitoring von IAZI zeigt, dass auf nationaler Ebene sowie in den grössten Kantonen und Städten über 150 für Immobilieneigentümer relevante Geschäfte zum Thema Energie und Nachhaltigkeit pendent sind. Allein auf Stufe Bund sind rund 50 Vorstösse hängig. Was kommt auf Immobilienbesitzer zu? Sanieren, sanieren und nochmals sanieren, dazu wohl oder übel weitere Verbote und Richtlinien. Die föderalen Strukturen begünstigen die Übersicht hierbei nicht, denn eigentlich ist Energiepolitik Sache der Kantone. Sie machen in ihren Energiegesetzen – unter Einhaltung einheitlicher Mindeststandards – die relevanten Vorgaben. Dies führt im Extremfall dazu, dass einige Meter Abstand und der Übertritt einer Kantonsgrenze darüber entscheiden, ob Hausbesitzer noch fossile Heizungen einbauen dürfen oder nicht.
Bund: Mehr Förderung, weniger Verbote
Im Gegensatz zu den kantonalen Gesetzen, die teils weitreichende Regulierungen und Verbote beinhalten, geht es auf Bundesebene vor allem um die Alimentierung von Fördertöpfen. Diese sollen finanzielle Anreize schaffen für energetische Sanierungen, Heizungsersatz und Energie-Eigenproduktion von Gebäuden. Ende September 2022 hat das eidgenössische Parlament den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative beschlossen, das sogenannte «Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit»oder «KlG»: Statt dem von den Initianten geforderten Verbot fossiler Energieträger enthält das KlG Ziele zur Ausstossminderung. Der Gebäudesektor etwa muss seine Treibhausgasemissionen bis 2040 um 82% reduzieren gegenüber dem Stand von 1990, bis 2050 soll das Ziel von 100% erreicht werden. Zudem sollen 1,2 Mrd. Franken zur Förderung neuer Technologien zur Emissionsreduktion geäufnet werden sowie 2 Mrd. Franken für den Ersatz fossiler und ineffizienter Heizungen. Die Urheber der Gletscher-Initiative haben diese daraufhin zurückgezogen, allerdings bedingt: Sollte das von der SVP ergriffene Referendum Erfolg haben, kommt das Volksbegehren dennoch zur Abstimmung.
Während das KlG den Zeithorizont ab 2030 betrifft, deckt das revidierte CO2-Gesetz die Periode 2025-2030 ab. Dieser neuen Vorlage, die derzeit vom Parlament beraten wird, merkt man die Abstimmungsniederlage ihrer Vorgängerin von 2021 an: Die CO2-Abgabe, die auf fossile Brennstoffe wie Öl und Gas erhoben wird, bleibt bei 120 Franken pro Tonne CO2. Statt auf detaillierte Reduktionsvorgaben und Emissionsverbote im Gebäudebereich setzt der Neuanlauf praktisch ausschliesslich auf das Geldverteilen. Fast 3 Mrd. Franken sollen für die Gebäudesanierung und den Umstieg auf klimafreundliche Heizungsanlagen bereitstellt werden, zusätzliche Mittel fliessen via Gebäudeprogramm und Rückverteilung der CO2-Abgabe.
Ebenfalls betroffen ist der Immobiliensektor zudem von der sogenannten Solar-Offensive, die die Bundesversammlung Ende September auf dringlichem Weg in Kraft gesetzt hat. Relevant für die Immobilienbranche ist vor allem eine Solarpflicht für Neubauten. Allerdings wurde diese zuletzt aufgeweicht, sodass rund 70 Prozent der Gebäude doch nicht betroffen sind: Ausgenommen sind Kantone, die bei der Eigenstromversorgung von Neubauten ab 2023 mindestens die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MukEn 2014) anwenden. Zudem soll die Solarpflicht nur für Gebäude mit einer anrechenbaren Grundfläche von mehr als 300 Quadratmetern gelten, wobei die Kantone auf kleineren Flächen zusätzlich eine Pflicht vorsehen können.
Strengere Vorgaben in Kantonen
Auch auf kantonaler Ebene ist die Klimapolitik auf der Überholspur. Nicht nur haben zahlreiche Stände ihre Energiegesetze erneuert und im Fall von Zürich, Basel-Stadt und Glarus Verbote für fossile Heizungen erlassen. Auch viele der aktuell hängigen Vorstösse gehen weiter als jene auf Bundesebene. So fordern etwa parlamentarische Initiativen in den Kantonen Genf (GLP) und Zürich (Mitte-Links-Allianz) eine umfassende Solarpflicht, die – anders als das erwähnte Bundesgesetz – auch Besitzer von bestehenden Bauten mit geeigneten Dachflächen zum Nachrüsten zwingen würde. Diese sollen dabei durch die Kantone finanziell unterstützt werden.
Viel weitreichender für den Genfer Immobiliensektor ist jedoch eine drastische Reduktion der zulässigen Energiegrenzwerte für Gebäude, die die Kantonsregierung im Frühjahr 2022 per Verordnungsänderung erlassen hat. Bauten, die die neuen Grenzwerte überschreiten, müssen innerhalb der nächsten drei Jahre energetisch saniert werden. Die Sanierungspflicht erfolgt stufenweise, wobei Gebäude mit dem grössten Energieverbrauch pro Fläche zuerst an die Reihe kommen. Der Genfer Gebäudepark weist den schweizweit grössten Sanierungsstau auf, 90 Prozent der Heizungen werden mit Öl oder Gas betrieben. Die meisten Bauten sind deshalb von der Energiewende mit «Genfer Finish» betroffen. Widerstand wurde bereits laut, in Form einer Motion der Mitte-Partei.
Im Kanton Waadt soll zudem die Pflicht zur Erstellung eines Gebäudeenergieausweises (GEAK) ausgeweitet werden: Eine Motion der GLP bezweckt, dass sämtliche Gebäude im Kanton binnen eines Jahres über einen GEAK verfügen müssen. Weiter soll der Energieverbrauch aller Bauten im öffentlichen Kataster einsehbar werden. Mit einer anderen Motion verlangt die SP, dass sämtlichen Mietwohnungsinseraten und Mietverträgen ein GEAK beigelegt werden muss, um Transparenz bezüglich Energieverbrauch zu schaffen.
Saniert wird sowieso
Die genannten Geschäfte sind nur eine kleine Auswahl aller immobilienpolitischen Vorstösse mit Fokus Energie und Nachhaltigkeit, die derzeit auf Stufe Bund und in den Kantonen beraten werden. Nicht vergessen werden darf angesichts des politischen Eifers und der zahlreichen Netto-Null-Fahrpläne, dass Immobilienbesitzer ihre Liegenschaften so oder so sanieren werden und dies auch wollen, um den Wert ihrer Gebäude zu erhalten und wenn möglich zu steigern. Die Branche wird damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten: Die Frage dreht sich vor allem um das Wann und das Wie – Stichwort Förderbeiträge. Sicher ist jedenfalls, dass die Energiepolitik die Branche bis auf weiteres beschäftigen wird.