Die Zinserhöhungen haben die Bewertungen von Immobilienanlagen stark unter Druck gebracht. Die Management-Theorie besagt, dass wir uns in der ersten Phase des Kursverlaufes einer J-Kurve befinden, sagt Nunzio Lo Chiatto, CEO der Berninvest AG. Diese weist darauf hin, dass es mit den Werten erst einmal leicht nach unten geht, dann seitwärts und dann gleichmässig nach oben.

Die erneute Beschleunigung des Zinsanstiegs und die Transaktionen auf dem Primärmarkt haben die Immobilienfonds weiter unter Druck gesetzt. Was ist passiert?

Nunzio Lo Chiatto: Mit diesem Vorgang wurde die Rendite-Differenz zwischen Bonds und Immobilien verkleinert und damit auch die Attraktivität von Immobilienanlagen reduziert. Technisch und in anderen Worten ausgedrückt hat sich der Barwert von Immobilien aufgrund der höheren Diskontsätze in kurzer Zeit reduziert.

Die teils beträchtlichen Agios sind kleiner geworden und fast weggeschmolzen. Könnte das ein Hinweis auf eine bevorstehende oder bereits eingeleitete Wende am Immobilienmarkt sein?

Die Preise von indirekten Immobilienanlagen haben sich tatsächlich reduziert. Einige Immobilienfonds notieren zurzeit mit einem Disagio und nehmen allfällige bevorstehende Bewertungskorrekturen vorweg. Entscheidend für ein Immobilien-Portfolio wird sein, wie solide dieses finanziert ist. Bis vor kurzer Zeit konnten langfristige Hypotheken weit unter einem Prozent abgeschlossen werden. Wer von dieser Option Gebrauch gemacht hat, wird die Übergangszeit bis die Mieten erhöht werden können, unbeschadet überstehen.

Welchen Einfluss hat die gegenwärtige Zinserhöhung auf die Bewertungen?

Wir befinden uns zurzeit in der ersten Phase des Kursverlaufes einer J-Kurve gemäss der Management-Theorie. Diese besagt, dass es gemäss diesem Konzept erst einmal leicht nach unten geht, dann seitwärts und dann gleichmässig nach oben. Dies könnte der Fall im heutigen Zinsumfeld sein, da die Mietzinse erst mit einer zeitlichen Verzögerung gemäss Mietrecht nach der vom Bundesamt für Wohnungswesen veröffentlichten Referenzzinssatz erhöht werden können.

Die Diskontsätze sind im Jahresvergleich auch für Anlageprodukte mit Bilanzstichtag 30. Juni weiter gesunken. Die Hälfte der Anlagerendite wurde aber bis Mitte Jahr über Aufwertungen (Kapitalgewinne) erzielt. Wann kommt es zur Korrektur bei den Diskontsätzen?

Da kann nur eine Schätzung abgegeben werden. Entscheidend wird sein, wie sich die Mietzinsen in den nächsten 18 Monaten entwickeln und wie rasch der Mietzinsindex der SNB auf den bestehenden Mietverträgen eine Mietzinserhöhung ermöglicht. Theoretisch müsste der Diskontsatz der Veränderung der Zinskurve folgen.

Langfristig bleiben die Dividende und das Wachstum des NAV die wichtigsten Beiträge für die Performance der Immobilienfonds. Wie sind die Immobilien-Fonds finanziert?

Traditionell und auch aufgrund der KAG-Rahmenbedingungen ist bei den Immobilienfonds eine maximale Fremdfinanzierung von 33 Prozent zulässig. Die Immobilienaktiengesellschaften haben dagegen höhere Fremdfinanzierungsgrade, welche einen höheren Leverage Effekt erlauben. Entscheidend ist jeweils wann und zu welchen Bedingungen die Fremdfinanzierung vorgenommen wird.

Ein wichtiger Preistreiber in der Immobilienentwicklung sind die unterbrochenen Lieferketten. Wie lässt sich auf die gestiegenen Baupreise reagieren?

Vorteilhaft ist es, wenn eine Bestellung nicht zwingend ausgelöst werden muss. Wenn dies nicht möglich ist, sind alternative Produkte zu prüfen. Zuletzt wird sich aber dieses Problem nicht ganz lösen lassen, bis die Lieferanten ihre Arbeiten wieder im normalen Rahmen durchführen können und die Lieferketten einwandfrei funktionieren.

Was kann ein Anleger erwarten?

Ich gehe davon aus, dass sich die Immobilienpreise mittelfristig einpendeln und für die nächsten Jahre eine Nettorendite von durchschnittlich 4 Prozent realistisch sein wird. Damit würde die sehr alte Formel standhalten, wonach die Immobilien rund ein Prozent über die Rendite der 10-Jahres-Obligationen liegt.

Zum Thema Nachhaltigkeit: «Studien aus der Wissenschaft sind immer gute flankierende Massnahmen. Die reale Wirtschaft reagiert jedoch erst auf Anreize», sagten Sie einmal in einem Interview. Sind diese Anreize eingetreten?

Die Krise in der Ukraine hat der Wirtschaft einen gewaltigen Schub verliehen, um  aus dem Geschäftsmodell der fossilen Brennstoffe auszusteigen. Die Anreize sind in einem Umfeld entstanden, in welchem sehr viele Menschen sich nach einer neuen Weltordnung umsehen. Dabei haben die gestiegenen Energiekosten die Finanzierung von erneuerbaren Energien unterstützt. Dieser Trend wird solange anhalten, bis die fossilen Brennstoffe wieder das Vorkrisenniveau erreichen oder durch politisch gesteuerte Lenkungsprozesse hochgehalten werden.

Wie wichtig ist der Nachhaltigkeitsgedanke auf die lange Sicht bei Immobilienanlagen? Wie lässt sich das Interesse der Anleger berechnen?

Wie bei allen Richtlinien ist es sehr wichtig, dass das Interesse und die Aufmerksamkeit der Anleger auf wenige Punkte gerichtet werden können. Dabei spielen die Entwicklungen in der Umwelt eine entscheidende Rolle. Wichtig erscheint uns, dass die Information kurz und klar verstanden werden kann.

Was unternehmen Sie konkret, um die Nachhaltigkeit im Gebäudebestand Ihrer Portfolios bei Berninvest systematisch zu erfassen und zu verbessern?

Wir haben uns für den GEAK-Ausweis entschieden. Dieser zeigt einerseits den Handlungsbedarf an den Immobilien auf, um energetische Massnahmen effektiv umzusetzen. Die Kennwerte beim Energieverbrauch (kWh/m2a) oder CO2 Ausstoss (kg/m2a) bilden die Effizienz der Immobilien im Umgang mit der Energie ab und können mit anderen Immobilien verglichen werden.

Nunzio Lo Chiatto ist Vorsitzender der Geschäftsleitung der Berninvest AG, zu der die beiden Immobilienfonds Immo Helvetic und Good Buildings gehören. Der Immo Helvetic ist an der Börse SIX kotiert. Er ist einer der ältesten Schweizer Immobilienfonds.