Der Bundesrat legte im November seinen Notfallplan vor, wie er im Fall einer Mangellage in mehreren Eskalationsstufen den Stromverbrauch einzuschränken gedenkt. Die Energieverknappung und die bevorstehende Strommagellage bereiten vielen Menschen Sorgen. Doch nicht nur im Winter steht das Energiesparen im Vordergrund: Der heisse Sommer zeigte das Bedürfnis nach Kühlung in Gebäuden deutlich auf. Von David Belart*
Das Bedürfnis nach Kühlung in Gebäuden nimmt auch hierzulande zu. Nebst der Reduktion der CO2-Emissionen zur Erreichung der Klimaziele ist mittlerweile auch die Anpassung an die effektiven und irreversiblen klimatischen Veränderungen ein grosses Thema. In Zukunft könnte dadurch im schlechteren Falle der Energiebedarf des Gebäudeparks steigen. Dem Klimawandel kann jedoch auch anderweitig auf effektive Weise begegnet werden.
Hauptaufgabe eines Gebäudes ist es, gegen Wind und Wetter zu schützen. Die wichtigsten Elemente dazu sind in unseren Breitengraden eine dichte, möglichst gut gedämmte Gebäudehülle sowie ein Heizsystem. Allerdings: In den letzten Jahren haben die Hitzetage insbesondere im urbanen Raum zugenommen. Dementsprechend wird es immer wichtiger, den Gebäudepark nicht nur im Winter möglichst effizient und emissionsarm zu heizen, sondern auch im Sommer möglichst kühl zu halten.
An solchen Tagen steigen die Aussentemperaturen über 30° Celsius, im Innenbereich klettert das Thermometer nicht selten über 25° Celsius. Studien haben gezeigt, dass die Arbeitsleistung dadurch um 30 bis 50 Prozent sinkt. Während Überhitzungsstunden – das sind Temperaturen von über 33° Celsius – fällt die Leistung sogar deutlich unter 50 Prozent ab. Unter den hohen Temperaturen leidet zudem die Gesundheit, und die Sterblichkeit steigt.
Die in unseren Breitengraden übliche Massivbauweise mit gedämmter Gebäudehülle ist zwar für den «Winterfall» konzipiert, als solches aber auch für Hitzetage durchaus geeignet: Die für die Behaglichkeit von Innenräumen wichtige Speichermasse innerhalb des Dämmperimeters vermag im Winter die Wärme zu speichern und hilft umgekehrt im Sommer, die Räume für einige Zeit kühl zu halten. Dieser Effekt ist als Phasenverschiebung bekannt und stellt das wichtigste Mittel dar, mit dem beispielsweise Passivhäuser ohne Energiezufuhr den sommerlichen Wärmeschutz gewährleisten können und bei Hitzetagen angenehm kühl bleiben.
Urbaner Raum als Hitzespeicher
Wichtige externe Einflussfaktoren für den sommerlichen Wärmeschutz kann jedoch der einzelne Grundeigentümer auf seiner Parzelle kaum beeinflussen: die Lage seiner Liegenschaft und die unmittelbare Umgebung. Doch warum überhitzen Siedlungsgebiete zunehmend? Neben dem Klimawandel im Allgemeinen ist als spezifische Folge davon der Wärmeinseleffekt (UHI, urban heat island) ein treibender Faktor. Durch das Bevölkerungswachstum der vergangenen Jahrzehnte sind die bebauten Flächen nicht nur gewachsen, sondern zunehmend verdichtet worden.
Das bedeutet: mehr Dach- und Fassadenflächen und mehr Strassen. Sie nehmen die Wärmestrahlung der Sonne wesentlich besser auf als begrünte Flächen und Gewässer – und werden damit zu Wärmespeichern, welche die natürliche Nachtabkühlung behindern.
Ein Beispiel dafür ist die Europaallee beim Zürcher Hauptbahnhof: Selbst an einem milden Tag mit 26 Grad Lufttemperatur erwärmt sich der Boden dort auf 42 Grad, bei 30 Grad Lufttemperatur sind es sogar 52 Grad (NZZ vom 15.08.2022).
Tropennächte verdoppeln sich
Die Hitzeproblematik dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten verschärfen. So gelangen das Bundesamt für Energie und die Hochschule Luzern in der Studie «ClimaBau – Planen angesichts des Klimawandels» zum Schluss, dass die Mitteltemperaturen in allen Regionen und zu allen Jahreszeiten ansteigen werden. Je nach Szenario und Region rechnet man mit Temperaturerhöhung von drei bis fünf Grad Celsius.
Bis ins Jahr 2060 könnte sich die Anzahl Überhitzungsstunden – also Temperaturen von über 33° Celsius im Innenbereich – auf durchschnittlich 1200 pro Jahr erhöhen und die Anzahl Tropennächte verdoppeln.
In der Gesamtbetrachtung des jährlichen Temperaturverlaufes kann jedoch wiederum festgestellt werden, dass trotz der deutlich feststellbaren Klimaerwärmung der theoretische Heizbedarf gegenüber dem Kühlbedarf deutlich überwiegt. Von Mai bis September können Hitzetage vorkommen; doch auch an solchen Tagen kann die nächtliche Abkühlung zur natürlichen Kühlung der Innenräume genutzt werden.
Kühlen: das neue Heizen?
Die steigenden Temperaturen machen Gebäudekühlung nichtsdestotrotz immer wichtiger. Die in der Studie prognostizierte Energiemenge fürs Kühlen zeigt eindrücklich, welche Herausforderungen durch den Klimawandel mittel- und langfristig auf uns zukommen könnten. Interessanterweise zeigen Altbauten in diesem Kontext bessere Eigenschaften, d.h. einen weniger markanten Anstieg des theoretischen Kühlbedarfes als Neubauten aus der jüngeren Vergangenheit; als möglicher Grund wird der geringere Fensteranteil genannt. Es scheint, dass die auf Energieeffizienz in der kalten Jahreszeit getrimmten heutigen Neubauten nicht immer tauglich sind für eine Zukunft in einem wärmeren Klima. Um zu vermeiden, dass dadurch der Energiebedarf des Gebäudeparks im Sommer steigt, braucht es also neue Rezepte.
*David Belart ist Head Development & ESG bei Avobis