Nicht nur in Stein, sondern auch in die Bewohner will die Anlagestiftung für gemeinnützige Immobilien «Utilita» investieren. «Eine Immobilie mit ihrem dazugehörigen Grundstück hat bekanntlich nur so viel Wert, wie die Bewohner dafür nachhaltig bezahlen können und wollen», ist Geschäftsführer Jürg Capol überzeugt.
Sie vermelden mit der Anlagestiftung Utilita eine Fokussierung auf die Anlagegruppe «Gemeinnützige Immobilien Schweiz» und sind jetzt fünf Jahre am Markt. Wie hat sich die Anlagestiftung entwickelt?
Jürg Capol: Die Utilita ist auf solidem Weg. Zu Beginn der Gründung, während der Roadshow, hatten wir für die ersten fünf Jahre der Anlagestiftung ein Anlagevolumen von 150 bis 200 Millionen Franken vorausgesagt, mit einer Anlagezielrendite von 3.5 bis 4.5 Prozent und einem Fokus auf eine nachhaltige Netto-Cash-Flow-Rendite (NCF) von 3 Prozent. Als Anlagethema haben wir dem Investorenmarkt versprochen, Pensionskassengelder einen Zugang zu einem sonst sehr restriktiven Segment des Immobiliensektors zu ermöglichen, der nicht nur einen gesellschaftlichen Impact erzeugt, sondern auch zu einer stabilen Diversifikation der bestehenden Immobilieninvestments bei den Anlegern beiträgt.
Haben Sie diese Ziele erreicht?
Nach diesen fünf Jahre können wir sagen, ja, wir haben unser Versprechen eingehalten. Das Gesamtvermögen aller 39 Liegenschaften, inklusive der fünf Liegenschaften im Bau, beziehungsweise in der Entwicklung beläuft sich nach der Fertigstellung auf rund 250 Millionen Franken. Auch die Anlagerendite sowie die NCF-Rendite des Portfolios ist mit über 4 Prozent, beziehungsweise 3 Prozent da, wo wir sein wollten. Wir gehen auch weiterhin von einem ähnlichen Wachstum aus.
Unsere Anleger haben das Potenzial erkannt, in der Anlageklasse Immobilien nebst geographischer und kommerzieller Diversifikation auch mit den Vorteilen von gemeinnützig ausgerichteten Immobilien die Bilanz zu stabilisieren. Dies darum, weil gemeinnützige Immobilien im Allgemeinen nicht auf dem Markt gehandelt werden. Auch folgen die oft mit den Liegenschaften verbunden Vertragswerke anderen ökonomischen Mechanismen. So sollen diese den NCF und nicht die Wertänderung in den Vordergrund stellen und dadurch eine gewisse Abkoppelung von Marktrisiken erreichen.
Sie haben sich dazu entschlossen, diese Anlagegruppe ab dem 1. Oktober 2022 dauernd für neue Anleger zugängig zu machen. Was ist darunter zu verstehen?
Der Hauptgrund ist, dass wir zukünftig viel dynamischer auf dem Kapitalmarkt auftreten möchten. Bis anhin habe wir auf dem Markt nur so viel Kapital geholt, um unser effektives Wachstum abdecken zu können und haben die Anlagestiftungen regelmässig für kleinere Kapitalerhöhungen punktuell geöffnet. Dies hat dazu geführt, dass mehrere neue Anleger zurückhaltend waren, da sie erwartet haben, dass ihr Ticket bei Überzeichnung zu stark verringert würde. Auf diesem Hintergrund haben wir uns nun entschlossen die Anlagestiftung dauernd zu öffnen. Somit können wir grösseren Tickets auf Basis «first come, first served» den Zugang garantieren und sie direkt renditegenerierenden Assets zuweisen. Dies gibt auch unseren zukünftigen und aktuellen Anlegern die Möglichkeit gemäss ihren Bedürfnissen flexibler Anlagen zu tätigen.
Die Anlagestiftung für gemeinnützige Immobilien legt also Pensionskassengelder in preiswerte und gemeinnützige Wohnimmobilien an. Wie gross ist die Nachfrage der PKs?
Bei der Gründung sind wir davon ausgegangen, dass vor allem öffentlich-rechtliche, oder Pensionskassen mit einer gewissen ethischen Ausrichtung auf die Utilita ansprechen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass wir heute Anleger der beruflichen Vorsorge aus allen Bereichen, Grössen und Ausrichtungen bei uns haben dürfen, die uns auch regelmässig wieder Kapital zuführen. Das Interesse ist steigend, umso mehr, da heute ESG ein wichtiges Thema geworden ist und Utilita schon seit Beginn der Gründung auf diese Prinzipien gesetzt hat. Zudem ist es Utilita möglich, auch in einen genossenschaftlichen, beziehungsweise gemeinnützigen Bereich zu investieren und dadurch einen gezielten Social-Impact zu generieren. In vielen Gesprächen stellen wir jedoch fest, dass Investitionen in preiswerte und gemeinnütze Immobilien oft auch als kontraintuitiv empfunden werden. Hier müssen wir weiter Aufklärung betreiben, damit die Mehrwerte einer solchen Anlage erkannt werden.
Traditionell sind vor allem Genossenschaften in diesem Bereich tätig. Wodurch unterscheidet sich Utilita?
Das gemeinnützige Immobiliensegment ist massgeblich durch die Wohnförderungsverordnung geprägt. In dieser Verordnung sind Stiftungen, Aktiengesellschaften und Genossenschaften angesprochen. Sogenannte gemeinnützige Bauträger. Die Utilita ist als Anlagestiftung schon per Definition eine gemeinnützige Organisation und betreibt zudem einen voll anerkannten gemeinnützigen Bauträger, die Vivanta AG. Sie kann somit auf Augenhöhe mit anderen Akteuren in diesem Segment und der öffentlichen Hand zusammenarbeiten, bei Ausschreibungen teilnehmen, Baurechte eingehen, usw. Was jedoch Utilita grundlegend von Genossenschaften unterscheidet ist, dass Kapital der Berufsvorsorge in Utilita angelegt und eine Total-Performance ausgewiesen werden kann, nicht aber in eine Genossenschaft, ausser die Pensionskasse würde eine Hypothek vergeben.
Warum kann Utilita eine Total-Performance ausweisen, aber eine Genossenschaft nicht?
Diese Frage kann wie folgt beantwortet werden: Genossenschaften sind oft bis 90 Prozent verschuldet, sprich Fremdkapitalzinsen ausgesetzt und einer anderen Buchlegung als Anlagestiftungen unterstellt. Das hat zur Folge, dass diese Konstrukte, trotz preiswerten Mieten und theoretischen Null-Profit, erhebliche Rückstellungen, interne Cash-Flows und stille Reserven generieren. Die Utilita kann mit diesen Werten anders umgehen und in Kombination mit hohem Eigenkapitalanteil interessante Synergien für ihre Anleger bilden. Zudem wird der grösste Teil des freien Cash-Flows thesaurierend und zweckgebunden wieder in die Anlagegruppe investiert und generiert somit zusätzliche Performance. Somit kann die Utilita zwei Ziele der sozialen Sicherheit erfüllen, nämlich die Auflage der Zweckgebundenheit gemäss Wohnförderungsverordnung im Bereitstellen von preiswertem Wohnraum, aber ebenfalls auch eine wirtschaftliche Aufgabe im Namen der Sicherung der beruflichen Vorsorge.
Bei der Betrachtung der Nachhaltigkeit von Immobilien werden die drei Aspekte von ESG (Environmental, Social, Governance) analysiert. Sie halten bei ESG vor allem das S im Mittepunkt. Warum?
Der Markt tut sich heute schwer, den gesellschaftlichen Aspekt der Nachhaltigkeit für eine Investition richtig umzusetzen. Bei Utilita ist das jedoch ein Schwerpunkt. Wir wollen nicht nur ein sinn- und werthaltiges Investment bieten, sondern ebenfalls einen gesellschaftlichen Impact erreichen. Für uns ist es zentral, das S umzusetzen, da ESG-Prinzipien nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Dazu kommt auch, dass die Destinatäre, die ihren Vorsorgefranken sparen auch potenziell unsere Bewohner sind. Also haben wir grundsätzlich nur einen Kunden, der am Anfang und am Schluss des Kreislaufes steht. Wir stellen uns deshalb auf den Punkt, dass wir nicht nur in Stein, sondern auch in unsere Bewohner investieren. Eine Immobilie mit ihrem dazugehörigen Grundstück hat bekanntlich nur so viel Wert, wie die Bewohner dafür nachhaltig bezahlen können und wollen.
Messbar und vor allem wirksam für die Verminderung der Treibgasemissionen sind Massnahmen im Bereich E von ESG. Was unternehmen Sie diesbezüglich im Portfolio?
Unser Portfolio entspricht schon heute bei rund 60 Prozent aller Liegenschaften, einem energetischen Label, wie zum Beispiel Minergie oder höher. Dazu kommt, dass rund 70 Prozent aller Liegenschaften mit erneuerbaren Energiequellen, oder Fernwärme geheizt werden. Dadurch haben wir schon jetzt einen unterdurchschnittlichen CO2-Fussabdruck und werden ihn in den nächsten Jahren noch weiter verringern. Zusätzlich soll man nicht vergessen, dass für die Verminderung der Treibhausemissionen nicht nur das Gebäude, sondern auch das Verhalten der Bewohner zentral ist. Diese Themen waren schon bei der Gründung von Utilita zentral und zeigen den engen Zusammenhang von E, S und G.
Sie streben einen regelmässigen, stabilen und langfristigen Ertrag mit teilweiser Abkoppelung von Marktrisiken an. Ist Ihnen das gelungen?
Unser Portfolio besteht zu rund 50 Prozent aus Liegenschaften mit preiswerten Mieten. Das sind Liegenschaften, welche Mieten unter dem Markt-Level anbieten und so auch einen positiven Einfluss auf tiefe Leerstände haben. Diese Liegenschaften konnten nicht selten mit interessanten Preisen ausserhalb vom Markt erworben werden. Zum Teil auch in Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Bauträgern, was ebenfalls die tieferen Mieten rechtfertigt. Die andere Hälfte sind gemeinnützige Wohnliegenschaften, die mit einer Auflage der öffentlichen Hand belegt sind.
Welche Auflagen sind das?
Diese Auflagen, die oft Hand in Hand mit gewissen Vorteilen kommen, haben im Vergleich mit «normalen» Marktliegenschaften einen Einfluss auf die Reduktion von Risiken und die Stabilisierung von langfristigen Erträgen. Ist es uns gelungen? Ja, wir bewegen uns auf gewollter Bandbreite und beobachten natürlich nun auch wie sich der Markt im neuen Zinsumfeld entwickelt. Wir gehen davon aus, dass sich die Utilita mit ihrer Ausrichtung als diversifizierende Anlage durchaus bestätigen wird.
Mit Utilita begehen Sie neue Wege in der Betreuung der Mieterinnen und Mieter: Förderung des Mieterdialogs und relative Selbstverwaltung, Diversität des Angebotes, aktive Massnahmen zur Gemeinschaftsförderung, Bezahlbarkeit der Mieten, Informationssysteme, Digitalisierung, etc. Wie wirkt sich das auf die Bewohnerschaft aus?
Sie sprechen Punkte an, die effektiv durch die Utilita in wachsendem Masse umgesetzt werden und die für uns für die Erreichung eines gesellschaftlichen Impacts wichtig sind. Sie lassen sich direkt aus den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der Agenda 2030 der UNO ableiten. In der Wirtschaft kann man diese Prinzipien für die Analyse der Nachhaltigkeit von Firmen, beziehungsweise deren Belegschaft angewendet sehen. Wir wenden diese geprüften Prinzipien auf unsere Bewohnerschaft an.
Konkret?
Konkret sieht das bei Bestandsliegenschaften so aus, dass wir bei einem Teil der Liegenschaften bereits einen starken Zusammenhalt unter der Bewohnerschaft haben. Da gehören gemeinsame Aktivitäten, Gemeinschafts- und Aussenraumgestaltung und deren Selbstverwaltung, sowie Konfliktlösungen zum Vokabular. Die Utilita hält die juristischen, finanziellen und technischen Aspekte in der Hand und wirkt unterstützend mit bei der Initiierung von Bewohnervereinigungen, sowie der Ausarbeitung von deren Statuten. Bei Neubauten und Entwicklungsprojekten stellen wir sicher, dass Begegnungsräume und Flächen auch wirklich so konzipiert sind, dass natürliche ungezwungene Begegnungen erleichtert werden. Wir stellen jedoch auch das organisatorische Umfeld zu Verfügung. So, dass der Informationsaustausch und die Kommunikation unter den Bewohnerinnen und Bewohnern erleichtert werden: Das kann wiederum durch Bewohnervereinigungen, aber auch mit Hilfe von digitalen und sozialen Medien erfolgen.