Wenn es um das Berechnen des CO2-Ausstosses von Liegenschaften geht, seien wir in der Schweiz schon relativ weit, sagt Donato Scognamiglio, CEO vom IAZI und Professor an der Universität Bern. Allerdings würden die verbrauchten Mengen in den Datenbanken nicht immer gut gepflegt. Es brauche aber mehr Sanierungen von Liegenschaften und eine Veränderung im Nutzerverhalten.
Neue EU-Regulierungen liefern Standards und Vorgaben für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen. Impact-Messungen können diese jedoch nicht ersetzen. Wie beurteilen Sie diese Initiative?
Donato Scognamiglio: All diese Initiativen sind gut gemeint, versuchen sie doch die Transparenz im Nachhaltigkeitsbereich zu erhöhen. Dies mag ein erster Schritt auf dem Weg zur Erreichung der gesetzten Klimaziele sein. Alle Initiativen und Labels bringen dem Klima aber noch reichlich wenig, wenn nicht durch konkrete Sanierungen von Liegenschaften oder durch eine Veränderung des Konsumverhaltens der Mieter und Mieterinnen ein konkreter Beitrag (Impact) geleistet wird. Wie stark wird die Wohnung geheizt? Wie oft wird die Wohnung gelüftet? Wie viel Wasser wird verbraucht? Dies sind alles Fragen, welche mit dem Nutzerverhalten zusammenhängen und vielfach von Dritten nicht beeinflusst werden können. Bei der Analyse der Liegenschaften können wir als IAZI AG jedoch einen wesentlichen Beitrag leisten, indem wir uns auf die Berechnung der CO2-Emissionen von einzelnen Objekten beziehungsweise ganzen Portfolios sowie der Simulation des Absenkpfades inklusive Empfehlung von Sanierungsmassnahmen fokussiert haben.
Erst zuverlässige, wissenschaftlich basierte Impact-Ratings erlauben eine Bewertung und gezielte Verbesserung der Nachhaltigkeitswirkung von Investitionen. Wie weit ist die Immobilienwirtschaft diesbezüglich?
Nein, dies sehe ich definitiv nicht so. Die Immobilienbranche braucht nicht noch weitere «wissenschaftlich basierte» Impact-Ratings, um zu wissen, wie man Liegenschaften energetisch saniert, den Energieverbrauch senkt und effizienter heizen kann. Es ist meiner Meinung nach auch nicht die primäre Aufgabe eines Kundenberaters einer Bank, zum Energieberater zu werden. Das Problem sind nicht fehlende Ratings, sondern falsche Anreize aus der Politik, fehlende Motivation der Konsumenten oder schlicht fehlende Handwerker, um die Sanierungen rechtzeitig umzusetzen.
Was ist zu tun?
Wenn es um das Berechnen des CO2-Ausstosses von Liegenschaften geht, sind wir in der Schweiz schon relativ weit, verfügen wir doch über die notwendigen Daten für fast den gesamten Schweizer Gebäudepark, um bis auf Stufe Liegenschaft den CO2-Ausstoss zu berechnen beziehungsweise zu schätzen. Dieser Wert kann als Basis dienen, um Problemliegenschaften zu identifizieren und den Absenkpfad ganzer Portfolios sowie Benchmarks zu definieren. Wenn es um den konkreten Verbrauch geht, lassen sich auch die Nebenkosten der Renditeliegenschaften auswerten, wobei leider die verbrauchten Mengen nicht immer in den Datenbanken gut gepflegt werden. Selbstverständlich kann zum Beispiel der effektive Heizenergiebedarf von Immobilien auch direkt am Gebäude gemessen werden, was jedoch entsprechende technische Infrastruktur und Datenhaltung seitens der Eigentümer erfordert.
Alle wollen also nachhaltig sein. Warum stützen sich die Schweizer Anbieter von Immobilienanlageprodukten aber derart oft auf ausländische Labels?
International aktive Investoren möchten ihre Anlagen weltweit vergleichen können. Es ist daher verständlich, dass ein Investor aus den USA, welcher ein Schweizer Finanzprodukt kauft, die internationalen Labels wünscht und sich weniger für die Feinheiten vom GEAK oder von Minergie interessiert. Für das Klima ist es auch nicht relevant, welches Label wir verwenden. Das Klima wird bekanntlich auch nicht lokal in der Schweiz gemacht.
In der Schweiz hat sich die Asset Management Association Switzerland (AMAS) für eine Vereinheitlichung der Nachhaltigkeitskennzahlen für Immobilienfonds eingesetzt, welche seit diesem Sommer eingehalten werden müssen. Sehen Sie bereits Auswirkungen auf die Transparenz, die daraus entstehen soll?
Wir verfolgen die Entwicklung mit grossem Interesse, analysieren wir doch mit dem IAZI Swiss Property Benchmark bereits seit über 20 Jahren Dutzende von Kennzahlen für rund 13‘000 Renditeliegenschaften mit einem Marktwert von über CHF 230 Mrd., darunter auch den CO2-Ausstoss. Mit den Vorgaben der AMAS gibt es weitere Kennzahlen wie beispielsweise den Abdeckungsgrad, welche in allen Jahresberichten mit Abschlussdatum am oder nach dem 31. Dezember 2023 publiziert werden. Ich gehe davon aus, dass spätestens im Frühling 2024 diese Kennzahlen in das umfangreiche Set der bewährten Kennzahlen des IAZI Swiss Property Benchmarks einfliessen. Es braucht also noch etwas Geduld.
Immer öfter wollen sich Anbieter von Immobilienanlageprodukten aber in den SIX SPI ESG Index aufnehmen lassen. Dort sind die Immobilienanlagen gegenüber den übrigen Aktienanlagen ganz klar Nebenprodukte, der Index wurde auch nicht speziell auf Immobilien ausgerichtet. Macht eine solche Aufnahme Sinn?
Immobilienanlageprodukte werden als vergleichsweise sichere Anlagen betrachtet. Für Marktteilnehmer, die dazu verpflichtet sind, sowohl in sichere als auch gleichzeitig nachhaltige Anlageprodukte zu investieren, kann somit die implizite Auszeichnung eines solchen Produktes durch Aufnahme in den SIX SPI ESG Index durchaus entscheidungsrelevant sein – und somit auch aus Anbietersicht sinnvoll.
Würden sämtliche Anbieter denselben Standard anwenden, liessen sich die verschiedenen Immobilienanlageprodukte miteinander vergleichen. Doch es hat sich noch kein Standard durchgesetzt. An was liegt das?
Es gibt einen gesunden Wettbewerb und die sinnvollen und praktikablen Standards werden sich auch durchsetzen. Regulatoren schreiben zudem die anzuwendende Methodik nicht explizit vor. Bezüglich Auslegung der heutigen Regulatorien herrscht Ambiguität, sodass ein heute verwendeter Standard theoretisch morgen als nicht beziehungsweise nicht mehr ausreichend klassifiziert werden kann. Dies betrifft grundsätzlich alle Nachhaltigkeitsstandards und -labels.
Beim Thema ESG (Environmental, Social, Governance) weisen die Anbieter von Anlageprodukten oft auf eine Übergewichtung des Buchstabens E hin. S und G würden aus ihrer Sicht zu wenig berücksichtigt. Sehen Sie das auch so?
Social- und Governance-Aspekte der Nachhaltigkeit sind insbesondere bei Immobilienanlageprodukten schwer zu erfassen. Der wichtigste Nachhaltigkeitsaspekt ist daher effektiv die ökologische Nachhaltigkeit.
Doch seien wir ehrlich, die Umwelt wird vor allem durch die Treibhausemissionen von Gebäuden, deren Bau und Rückbau belastet. Hier wirken sich CO2-Absenkungspfade schneller auf die Umwelt aus, als Social und Governance. Ein Portfolio mit einem höheren Compliance-Anteil hat nicht zwangsläufig eine positivere Wirkung.
Es geht bei ESG-Kriterien eben bekanntlich nicht nur um ökologische Kriterien (z.B. Biodiversität) und deren Impact auf Klimawandel. Fragen zur sozialen Nachhaltigkeit (z.B. Gleichberechtigung, Integration, Wohlergehen) sowie zur Corporate Governance (z.B. Antikorruption, Transparenz im Management) gehören ebenso dazu. Dass viele dieser Kriterien bei Immobiliendirektanlagen nur schwer messbar sind und damit bedingt Sinn machen, liegt auf der Hand.
Diesen Sommer hat sich auch die Schweizerische Bankiervereinigung mit Richtlinien für Anbieter von Hypotheken zur Förderung der Energieeffizienz zum Thema Nachhaltigkeit geäussert. Hypothekarkunden sollen auf die Energieeffizienz ihrer Immobilie aufmerksam gemacht und dabei unterstützt werden, die Energieeffizienz ihrer Immobilie zu erhöhen. Welche Wirkung können solche Elemente bei der Hypothekarfinanzierung haben?
Unabhängig von der neuen SBVg-Richtlinie vermarkten Hypothekarinstitute schon seit mehreren Jahren mehr oder weniger erfolgreich «grüne Hypotheken» für die Finanzierung energetischer Sanierungen und besonders energieeffizienter Neubauten. Diese können zum Beispiel am Kapitalmarkt wiederum in Form von sogenannten Green Bonds refinanziert werden.
Die Richtlinie soll Hypothekarkunden den Zugang zu relevanten Informationen vereinfachen. Die Entscheidung über allfällige Sanierungen liegt jedoch letztendlich beim Kunden. In der näheren Zukunft dürfte sich an der Hypothekarfinanzierung selbst hierdurch wenig ändern. Da der Hypothekarschuldner sich primär für die Höhe des Zinssatzes interessiert, werden solche Produkte auch erst richtig erfolgreich, wenn es gelingen würde, diese für die Bank günstiger zu refinanzieren. Aktuell sind jedoch die Investoren noch kaum bereit, für grüne Bonds eine markant tiefere Rendite in Kauf zu nehmen.
Das IAZI verfügt über grosse Erfahrung in Bezug auf die Entwicklung der Preise in den verschiedenen Regionen der Schweiz. Lässt sich daraus ablesen, ob Mieterinnen und Mieter dazu bereit sind, mehr für eine Wohnung zu bezahlen, die nachhaltigen Ansprüchen genügt?
Als grundsätzliche Annahme stellen wir fest, dass für die Wahl einer Mietwohnung die Bruttomiete ausschlaggebend ist. Der durchschnittliche Mieter ist nicht dazu bereit, für eine nachhaltigere Wohnung eine höhere Bruttomiete zu zahlen. Entsprechend spielen bisher die – als Teil der Bruttomiete bislang relativ geringen – Nebenkosten bei der Auswahl einer Mietwohnung eine untergeordnete Rolle. Im Fall längerfristig hoher Energiepreise dürfte sich dies aber natürlich ändern. Mietwohnungen mit hohen Heizkosten dürften an Attraktivität verlieren und tendenziell häufiger und länger leer stehen. Als Konsequenz können die erzielbaren Nettomieten solcher Liegenschaft in der Zukunft unter Druck geraten.
Interview: Remi Buchschacher