Kosten-Nutzen-Abwägungen der Asset Manager müssen sich wieder vermehrt an den zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen und nicht an der kurzfristigen Performance orientieren, sagt Roland Vögele, CEO der MV Invest AG. Er sieht den Sektor in der Pflicht, die nachhaltige Transformation des Schweizer Immobilienbestands, im Sinne des Umweltschutzes und des langfristigen Werterhalts des Portfolios, mit allen Mitteln voranzutreiben.
Das Universum an kotierten Immobilienfonds ist über die letzten Jahre stark gewachsen und weist einen hohen Anteil indexnaher Investoren auf. Sind die Märkte liquid genug, um eine echte Diversifikationsalternative mit ausreichendem Handelsvolumen innerhalb des Index’ sicherzustellen?
Roland Vögele: Das ist richtig, die Börsenkapitalisierung kotierter Immobilienfonds hat sich, seit Einführung der Negativzinsen Anfang 2015, nahezu verdoppelt. Obschon das Volumen deutlich angewachsen ist und viele neue Investoren entsprechende Anlagen in ihren Portfolios führen, bleibt der Markt relativ illiquid. Dieser Umstand ist damit zu begründen, dass es sich bei einem Grossteil der Akteure um passive respektive indexnahe Investoren handelt, welche wohl über 50 Prozent des Marktes in den Büchern halten. Hinzukommt, dass Schweizer Immobilienfonds, aufgrund ihrer Stabilität, als langfristige Investitionen klassifiziert werden und Investoren oft nach dem Prinzip Buy and Hold agieren. Das starke Wachstum des SWIIT (SXI Real Estate Funds Broad Index) ist die Folge stetiger Aufwertungen vergangener Jahre, kontinuierlicher Kapitalerhöhungen und diverser Neulancierungen. Letztere sorgen für eine breitere Diversifikation innerhalb des Index. Die mangelnde Liquidität führt dabei immer wieder zu Verwerfungen und Übertreibungen am Fondsmarkt. Um dem entgegenzuwirken und das Portfolio weiter gezielt zu diversifizieren, bieten sich Investitionen in andere Produktkategorien, namentlich in Immobilienaktien und Anlagestiftungen an. Bei Möglichkeit können auch Direktinvestitionen in Betracht gezogen werden.
Wie hoch sind die Anforderungen an den Free-Float, um diese Diversifikationsalternative zu erreichen?
Bei den Immobilienfonds liegt der theoretische Free-Float bei 100 Prozent. Aufgrund der passiven Ausrichtung sowie genannter Buy and Hold Tendenzen, bewegen wir uns wohl schätzungsweise noch um die 40 Prozent. Seit einigen Jahren stellen wir jedoch eine bewusste Abkehr von der reinen Passiv-Strategie fest. So wenden sich Investoren in ihren Allokationen vermehrt alternativen Strategien zu, welche eine gewisse Dekorrelation zum Index bieten können.
Wie lässt sich ein kotiertes Portfolio entwickeln ohne Qualitäts- oder Renditeverwässerung für bestehende Anleger?
Um Verwässerungen entgegenwirken zu können bedarf es der Flexibilität und Agilität. Eine gewisse Mindestgrösste des Portfolios ist für ein aktives Management daher essenziell. Im Weiteren braucht es einen guten Riecher, um Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen. Das Thema Nachhaltigkeit bietet hier grosses Potenzial, um die langfristige Werthaltigkeit sicherzustellen. Gutes Management bedeutet, aus einer Liegenschaft das Maximum herauszuholen. Immobilien werden bekanntermassen nicht über Nacht entwickelt. Die Erfahrung zeigt, dass Produkte in der Regel mehrere Jahre benötigen, um die Qualität und Rendite signifikant zu steigern. Immobilieninvestoren brauchen also Geduld und sind auf eine erkennbare «Roadmap» in Form einer klar definierten und kommunizierten Strategie angewiesen. Gerade bei der Kommunikation tun sich die Akteure oft noch etwas schwer – und diese ist zentral, sorgt sie doch für Transparenz und schafft das nötige Vertrauen.
Gleichzeitig bleiben im nach wie vor herausfordernden Angebotsmarkt mit niedrigen Nettoanfangsrenditen attraktive Akquisitionsmöglichkeiten rar, die ein beschleunigtes Volumenwachstum eines Immobilienfonds erlauben würden.
Das Problem liegt sowohl im Asset Management als auch bei den Investoren selbst. So haben die Produkte das Wachstum, im Wissen der Zahlungsbereitschaft auf Investorenseite, durch Kapitalerhöhungen immer weiter angetrieben. Gelder wurden ohne Wiederrede gesprochen – Hauptsache es konnte zugekauft und die Marktkapitalisierung gesteigert werden. An dieser Entwicklung sind auch die Passiv-Investoren nicht ganz unschuldig. Ein erfolgreiches Management zeichnet sich jedoch nicht dadurch aus, stets und oft zu überhöhten Preisen zuzukaufen respektive vermeintlich schlechtere Liegenschaften einfach abzustossen. Vielmehr müssen unter dem Gesichtspunkt der Bestandsoptimierung, Potenziale erkannt und genutzt werden. Wem dies gelingt, wird langfristig erfolgreich sein.
Der MobiFonds Swiss Property verzichtet trotz einem Portfoliovolumen von über einer Milliarde Franken auf eine Börsenkotierung. Zeichnet sich hier ein Trend ab, in Zukunft auf den zwar weniger liquiden, damit aber auch von geringerer Volatilität geprägten ausserbörslichen Handel zu setzen?
Da spalten sich die Meinungen. Die Entscheidung von MobiFonds überrascht mich allerdings nicht – die versicherungsinternen Investoren haben sich stets gegen eine Kotierung ausgesprochen. Ich persönlich bin der Ansicht, dass, hat sich eine Gesellschaft für die Fondsstruktur entschieden, Produkte ab einem gewissen Volumen automatisch kotiert werden sollten. Eigene, individuelle Regelungen zeugen oft von Unsicherheit und widersprechen den allgemeinen Transparenzanforderungen. Dennoch soll gesagt sein, dass der ausserbörsliche Handel in jüngerer Vergangenheit deutlich effizienter geworden ist. Entsprechende Handelsplattformen wie diese von Lienhardt und Partner beispielsweise, sorgen für mehr Liquidität und Preistransparenz am Markt.
Entgegen den vermeintlichen Befürchtungen haben die Halbjahresergebnisse verschiedener Immobilienprodukte überzeugt. Bestätigt dies die gute Arbeit der Akteure oder die Resilienz des Marktes gegenüber bestehenden und neuen Herausforderungen?
Sowohl als auch. Tatsächlich haben die Fondsgesellschaften und Immobilienaktien mit überwiegend positiven Resultaten ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen und grösseren makroökonomischen Einflüssen erneut eindrücklich unter Beweis gestellt. Einige Produkte konnten die Covid-Turbulenzen gar nutzen, um neue, langfristigere Mietverträge bei Geschäftsliegenschaften zu erwirken. Mit den aktuellen Unsicherheiten am Energiemarkt sehen sich die Akteure nun aber bereits wieder mit weiteren Herausforderungen konfrontiert – wir dürfen gespannt sein, wie die Manager reagieren und inwiefern sich die Streu vom Weizen trennen wird.
Noch vor einigen Monaten war die Preissensitivität für Immobilienfonds praktisch inexistent – Hauptsache man war in Wohnen investiert. Hat sich dies in Zeiten von Energiekrise, Inflation und Zinsanstieg geändert?
Definitiv. Die Immobilienfonds haben mittlerweile wesentlich an Marktkapitalisierung eingebüsst – einige Titel gar bis zu 25 Prozent. Das anspruchsvolle makroökonomische Umfeld und die teils fragwürdigen Strategien einzelner Asset Manager, lasten zurzeit deutlich auf den Kursen. Insbesondere kurzfristig agierende Investoren scheinen an Kraft zu verlieren und fühlen sich teils gezwungen, ihre Positionen mit Verlust wieder aufzulösen respektive zu reduzieren. Es zeigt sich, dass, obschon die kürzlich publizierten Zahlenkränze im Allgemeinen positiv ausgefallen sind, viele Anleger den Sektor noch immer als überteuert einstufen. Diese Einschätzung mag in bestimmten Fällen sicher zutreffen – die aktuellen Niveaus bietet auf längere Sicht aber auch Opportunitäten für gezielte Zukäufe.
Werthaltigkeit und Wertsteigerung sind nur ein Teil der Performance. Rechnen Sie bei den Portfolios auch bei den Netto-Cashflow-Renditen mit Entwicklungspotenzial?
Die Steigerung und Optimierung von Cashflow-Renditen, soll und muss stets das Ziel eines jeden Managements sein. Wahrscheinlich wird es etwas anspruchsvoller werden als die letzten 15 Jahren aber wir sehen weiterhin entsprechendes Potenzial. Leerstandsquoten sind in der Schweiz so niedrig wie schon lang nicht mehr, die Bautätigkeit wird aufgrund von Engpässen und gestiegenen Materialkosten gedrosselt, doch die Zuwanderung und damit einhergehend die Nachfrage nach Wohnraum bleibt weiterhin hoch. Die Mieten werden also ansteigen.
Wo liegt die ideale Gewichtung der verschiedenen Sektoren bei Immobilieninvestments im Gesamtportfolio?
Das liegt im Auge des Betrachters und steht in Abhängigkeit der individuellen Präferenzen und jeweiligen Risikobereitschaft. Die Verteilung auf verschiedene Nutzungsarten ist stets empfehlenswert und sorgt für Stabilität in herausfordernden Zeiten. Ein dem wirtschaftlichen Umfeld geschuldeter Fokus kann gelegt werden – deutliche Übergewichtungen empfehlen wir jedoch zu vermeiden. Unsere Beurteilungen basieren stets auf einem Bottom-up-Ansatz, die einzelne Managementstrategien gewinnen immer mehr an Bedeutung und so bleiben die operativen Ergebnisse der Kern eines langfristig erfolgreichen Investments. Kosten-Nutzen-Abwägungen der Asset Manager müssen sich wieder vermehrt an den zukünftigen Entwicklungen und Herausforderungen und nicht an der kurzfristigen Performance orientieren. Der Sektor steht in der Pflicht, die nachhaltige Transformation des Schweizer Immobilienbestands, im Sinne des Umweltschutzes, der gesellschaftlichen Verantwortung und schliesslich des langfristigen Werterhalts des Portfolios, mit allen Mitteln voranzutreiben.
Interview: Remi Buchschacher