PropTechs suchen das Oekosystem

Die Corona-Pandemie hat dem Gründungseifer bei den Schweizer PropTechs grossen Schub verliehen. Die Rückmeldungen auf eine Umfrage der Credit Suisse zeigen, dass es im Jahr 2020 eine hohe Zahl von Neugründungen gab. Doch die wichtigsten Pflöcke scheinen eingeschlagen, der Neugründungseifer schwächt sich ab. Bereits das Jahr 2021 war nur schwach vertreten, und Neulinge aus dem Jahr 2022 sucht man noch vergebens, wie aus dem Swiss Prop Tech Report der Credit Suisse hervor geht.
Ein beeindruckendes Beschäftigungs- und Umsatzwachstum sowie eine anhaltend hohe Neugründungsrate können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch die PropTechs einem raueren Gegenwind ausgesetzt sehen. Das geht aus dem neusten Swiss Prop Tech Report der Credit Suisse hervor. Die Zinswende und die stark erhöhte Unsicherheit dürften die Mittelbeschaffung und die Beibehaltung des hohen Umsatzwachstums nicht vereinfachen. Zugute kommt derweil der jungen Branche, dass strukturelle Gründe grosse Wachstumsmöglichkeiten versprechen und sowohl die Immobilienbranche als auch Kapitalgeber auf das Potenzial der PropTechs aufmerksam geworden sind. Die diesjährige Studie der CS zeigt, dass die PropTech-Branche noch in keiner Weise an Schwung verloren hat, immer noch über beste Wachstumsperspektiven verfügt und eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung der Immobilienwirtschaft spielt. Doch die Branche wird auch grösser und unübersichtlicher, was die Kundengewinnung nicht ver- einfacht. Ökosysteme sind in diesem Zusammenhang ein vielgehörtes Zauberwort, das auch in den Geschäftsberichten der etablierten Unternehmen immer häufiger auftaucht.
40 neue PropTechs
Die PropTech-Landschaft in der Schweiz ist weiterhin stark in Bewegung. Im Vergleich zur letztjährigen Umfrage kamen nochmals 40 neue PropTechs hinzu, sodass sich deren Gesamtzahl nun auf 360 beläuft. Das Wachstum war besonders in den Kategorien Floor Plans/AR/VR /3D (+35%), Finance (+30%) und Services (+28%) ausgeprägt. Auch im Bereich Marketplace/Platform (+23%) war ein hohes Wachstum zu verzeichnen. Dagegen stagnierten die Kategorien Asset Management, Rentals und Blockchain. Zu einem Rückgang kam es im Bereich Sale. Hier führte eine Bereinigung der PropTech Map Switzerland zur Entfernung diverser Immobilienmakler, die sich nicht (mehr) als PropTech qualifizieren. Diese Bereinigung macht deutlich, dass es zunehmend schwieriger wird, PropTechs unzweideutig als solche zu identifizieren und von denjenigen Unternehmen zu unterscheiden, die lediglich verstärkt digitale Tools einsetzen.
Die Rückmeldungen der PropTechs zeigen, dass es im Jahr 2020 eine hohe Zahl von Neugründungen gab. Offensichtlich scheint die Corona-Pandemie dem Gründungseifer keinen Abbruch getan zu haben. Im Gegenteil: Der digitale Schub, den die Pandemie auch in der Immobilienbranche auslöste, hatte bei den PropTechs nochmals eine hohe Zahl von Neugründungen zur Folge. Demgegenüber ist das Jahr 2021 nur schwach vertreten, und Neulinge aus dem Jahr 2022 sucht man noch vergebens. Die neuen PropTechs tragen zu einer Verjüngung der Branche bei, die sich insofern in den Ergebnissen niederschlägt, als dass sich mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen noch in der Wachstumsphase befindet.
Fest in Schweizer Hand
Obwohl europäische Akteure anscheinend vermehrt in der Schweiz geschäftstätig werden, bleibt der PropTech-Markt Schweiz fest in einheimischer Hand. Deutlich über 90% der PropTechs haben ihren Hauptsitz in der Schweiz. Zwei Drittel davon stammen aus den Kantonen Zürich, Genf und Waadt, den Wirtschaftsmotoren der Schweiz. Gemessen an der Zahl der Beschäftigten sticht jedoch der Kanton Zug mit 4.3 PropTechs pro 100’000 Beschäftigten hervor. Wenig Dynamik ist dagegen im Kanton Bern (0.6 PropTechs pro 100’000 Beschäftigten) oder im Kanton Freiburg (0.8) zu verzeichnen – ganz zu schweigen von den Kantonen Basel-Landschaft, Solothurn, Neuenburg, Wallis oder Graubünden, wo kein an der Umfrage teilnehmendes PropTech seinen Hauptsitz hat. Die Nähe zu potenziellen Kunden sowie die Verfügbarkeit von hochqualifizierten Mitarbeitern dürften für diese Verteilung verantwortlich sein.
PropTech-Ökosysteme
Kundennutzen, Skalierbarkeit, Kooperationen – all dies sind für PropTechs wichtige Erfolgsfaktoren, welche die CS bereits im letztjährigen Swiss PropTech Report identifiziert hat. Eine Gemeinsamkeit dieser Faktoren ist, dass sie allesamt im Zentrum sogenannter Ökosysteme stehen, einer neuartigen Form der Zusammenarbeit, die nicht zuletzt im Schweizer Immobilienmarkt vermehrt Anklang findet. In der letztjährigen CS-Studie bezeichneten beispielsweise fast 70% der befragten PropTechs den «Aufbau eines Ökosystems» als einen wichtigen Treiber für Kooperationen. Doch was genau versteht man unter einem «Ökosystem»? Heute schon fast als Buzzword verschrien, hat der Begriff seinen Ursprung eigentlich in der Betriebswirtschafts- und Organisationslehre. Er bezeichnet eine Form von Interdependenz zwischen verschiedenen Marktteilnehmern. Analog zu einem Ökosystem in der Biologie wird damit eine Gruppe von Individuen (Unternehmen) beschrieben, die voneinander abhängig sind, zusammenarbeiten und teilweise auch im Wettbewerb zueinander stehen.
Wo sehen sich die PropTechs selbst in diesem Ökosystem-Dschungel? Dieser Frage ist die CS in der diesjährigen Umfrage nachgegangen. 46% der befragten PropTechs geben an, bereits Bestandteil eines etablierten Ökosystems zu sein, zusätzliche 26% sind Teil eines aufkommenden Ökosystem. Derweilen planen knapp 28% der PropTechs in Zukunft Bestandteil eines Ökosystems zu werden. Kein einziges PropTech schliesst die Teilnahme kategorisch aus. Jeder möchte dazugehören, dabei befindet sich der Begriff «immobilienwirtschaftliches Ökosystem» noch am Anfang seiner Entwicklung. Dementsprechend unterschiedlich sind die bestehenden Ökosysteme.