Das globale makroökonomische Umfeld war in den vergangenen Monaten vielen Überraschungen ausgesetzt. Zunächst führte der Ausbruch der Omikron-Variante von COVID-19 dazu, dass im Winter in den meisten Industrieländern wieder einschränkende Massnahmen eingeführt wurden. Insgesamt waren die wirtschaftlichen Folgen dieses Schocks im Vergleich zu Lockdown-Phasen, die die europäischen Volkswirtschaften vor einem Jahr belasteten, recht begrenzt. Im Falle der Schweiz verlangsamte sich die wirtschaftliche Erholung im vierten Quartal 2021 auf +0,3% ggü. dem Vorquartal (real), wobei sich die negativen Auswirkungen überwiegend auf einige wenige Sektoren wie die Reisebranche und die Gastronomie konzentrierten. Dennoch beeinträchtigten die Einschränkungen zusammen mit längerfristigen Engpässen nach Ausbruch der Pandemie weiterhin die internationalen Lieferketten.

Ein positiver Nebeneffekt der Omikron-Welle ist die erwartete Annäherung an einen endemischen Zustand, die den Weg für einen nachhaltigen Ausweg aus der langanhaltenden Gesundheitskrise ebnet. Die Aufhebung der meisten pandemiebedingten Einschränkungen in der Schweiz im Februar ist ein deutlicher Hinweis auf diesen Trend. Sie spricht auch für eine Fortsetzung des wirtschaftlichen Aufschwungs in der Schweiz im Jahr 2022. Die jüngste russische Invasion der Ukraine hat jedoch die Fortschritte bei der Pandemiebewältigung überlagert und zu einigen Abwärtsrisiken für die volkswirtschaftlichen Aussichten 2022 und darüber hinaus geführt.

Energie beeinflusst künftige Inflationsdynamik

Trotz des Krieges in der Ukraine bleiben aus heutiger Sicht die Wachstumsaussichten der Schweizer Wirtschaft für die kommenden Quartale stark. Laut der aktuellen Prognose von Oxford Economics dürfte das reale BIP im Jahr 2022 immer noch um 2,6% steigen. Die grössten Auswirkungen des Krieges in der Ukraine sollten sich in Form von zusätzlichen Preissteigerungen weltweit bemerkbar machen. Tatsächlich ist Russland insbesondere für die europäischen Volkswirtschaften ein bedeutender Brennstofflieferant und zusammen mit der Ukraine ein wichtiger Getreideproduzent. Vor diesem Hintergrund dürfte sich der weltweit zu beobachtende Trend zu mehr Inflation verschärfen und länger anhalten als ursprünglich angenommen.

Schweizer Zinssätze dürften behutsam steigen

Der Inflationsschub dürfte durch steigende Energie- und Rohstoffpreise getrieben werden, die in der Regel die Intensität des künftigen Wirtschaftswachstums abschwächen. Daher dürften die Notenbanken weltweit und vor allem die Europäische Zentralbank die Normalisierung des Zinsumfelds sehr behutsam angehen, um das Risiko eines gedämpften Wirtschaftswachstums bei zugleich erhöhter Inflationsdynamik (sogenannte Stagflation) zu vermeiden. In der Schweiz dürfte die Stärke des Schweizer Franken dazu beitragen, die Inflationsdynamik einzudämmen, da sie das Niveau der Importpreise drückt.

Wir gehen davon aus, dass die Schweizer Währung stark bleiben wird, nicht nur aufgrund der Eigenschaften des Landes als sicherer Hafen, sondern auch aufgrund anderer makroökonomischer Aspekte wie der absolut und relativ gesehen soliden finanziellen Positionierung des Schweizer Staates. Wir erwarten daher nicht, dass die Schweizerische Nationalbank in den kommenden Quartalen aus der Negativzinspolitik aussteigen wird. Vorausschauend spricht dies für ein weiterhin moderates Renditeniveau am Schweizer Anleihemarkt.

Weiterhin hoher Anlagedruck am Immobilienmarkt

Aktuelle Daten zeigen nach wie vor ein starkes Interesse der Investoren an Schweizer Immobilien. Gemäss einer Teilerhebung von JLL Schweiz wurden im vergangenen Jahr kommerzielle Immobilientransaktionen im Wert von über 4,6 Milliarden Schweizer Franken abgeschlossen. Safra Sarasin berichtet, dass 2021 ein Rekordjahr für Kapitalmarkttransaktionen zugunsten börsennotierter Schweizer Immobilien-Anlagestrukturen war. Insgesamt wurden im letzten Jahr über 5,6 Milliarden Schweizer Franken an Fremd- und Eigenkapital im Sektor aufgenommen. Daher erwarten wir, dass das Umfeld am Transaktionsmarkt für direkte Immobilienanlagen in den kommenden Monaten sehr kompetitiv bleiben wird. In der Tat, dürften erhebliche Kapitalvolumen bisher noch nicht am Direktmarkt platziert worden sein.

Transaktionsrenditen tendieren in allen Sektoren abwärts

Das starke Investoreninteresse schlägt sich weiterhin in steigenden Transaktionspreisen und rückläufigen Transaktionsrenditen nieder. Laut Wüest Partner sind die Transaktions-Anfangsrenditen im Spitzensegment des Schweizer Immobilienmarktes in der zweiten Jahreshälfte 2021 um durchschnittlich 11 Basispunkte gesunken. In den Mehrfamilienhäuser- und Einzelhandelsimmobiliensektoren entsprach der Rückgang der Spitzen-Anfangsrenditen mit 10 Basispunkten etwa dem Marktdurchschnitt, während die Renditen für Spitzen-Büroobjekte eine besonders starke Kompression um 15 Basispunkte erlebten. Angesichts dessen scheinen Investoren ein Szenario einzupreisen, in dem gute Büroobjekte auch nach der Pandemie eine dynamische Nutzernachfrage erfahren werden – eine Ansicht, die wir teilen.

Abweichende Dividendenrenditen bei Wohn- und kommerziellen Immobilienprodukten

Das starke Investoreninteresse am Schweizer Immobiliensektor lässt sich auch am Markt für börsennotierte Immobilienfonds beobachten. Ende Februar 2022 betrug das durchschnittliche Agio im Sektor trotz der erhöhten Unsicherheit durch den Krieg in der Ukraine immer noch 34% des Nettoinventarwerts (NAV).

Mit Blick auf sektorbezogene Trends waren Produkte aus dem Mehrfamilienhaussektor in den letzten Monaten weiterhin gefragter als ihre kommerziellen Pendants. Die Robustheit der Einkommen aus Mietwohnungen während der Pandemie und der durch die Omikron-Welle ausgelöste emotionale Schock dürften diese Entwicklung erklären. Dieser Nachfragetrend verschärfte die bereits seit vielen Jahren zu beobachtende Divergenz zwischen den in beiden Sektoren zu erzielenden Dividendenrenditen. Seit 2013 ist die Dividendenrendite von Wohnimmobilienfonds tendenziell stetig gesunken, bis auf ein durchschnittliches Niveau von unter 2% zum Jahresanfang 2022. Gleichzeitig schwankte die Dividendenrendite im gewerblichen Sektor im Schnitt zwischen 3% und 4%. Dies führte zu einem zunehmenden Renditeabstand zwischen den beiden Sektoren, der Ende Februar 2022 fast 170 Basispunkte betrug.

Mehrfamilienhäuser: Fundamentaldaten erreichen Talsohle

Der Nutzermarkt für Schweizer Mietwohnungen stabilisiert sich weiter. Laut Bauinfo hat sich die Planungstätigkeit für neue Wohnungen in der zweiten Hälfte des letzten Jahres weiter verlangsamt. Das Jahresvolumen der eingereichten Baugesuche betrug 41’500 Wohnungen im Jahr 2021 und lag damit fast 6% unter dem Volumen von 2020. Gleichzeitig blieb die Zuwanderung trotz der Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Pandemie robust. Der Wanderungssaldo in die Schweiz belief sich im Jahr 2021 auf über 61’000 Personen. Wir gehen davon aus, dass die durchschnittliche Leerstandsquote auf dem Markt im Laufe des Jahres 2022 weiter sinken wird, nachdem 2021 ein erster Rückgang zu beobachten war. Zudem dürften die Angebotsmieten in den meisten lokalen Märkten in den kommenden Quartalen die Talsohle erreichen, was den Weg für ein breit abgestütztes Mietwachstum in diesem Sektor ebnet.

Büros: Hochwertige Objekte als Pandemiegewinner

Die pandemiebedingte Unsicherheit und die Fertigstellung vieler Bürobauprojekte führten in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu einem weiteren Anstieg der Leerstände auf dem Schweizer Büroimmobilienmarkt. Nach Angaben von JLL stieg die durchschnittliche Verfügbarkeitsrate in den wichtigsten Märkten des Landes im letzten Jahr von 4,3% auf 4,7%. Auf der Mikroebene zeigen die Fundamentaldaten jedoch deutliche Unterschiede zwischen zentralen Bürostandorten und Randgebieten. Tatsächlich bleibt die Nachfrage von Investoren und Nutzern nach hochwertigen Büroimmobilien in Stadtzentren gross, während die Randgebiete bei den aktuellen Marktbedingungen zu leiden beginnen.

Vorausblickend unterstützt dies das Szenario einer dynamischen Büronachfrage nach modernen Objekten an etablierten Geschäftsstandorten, während Bürogebäude von geringer Qualität in Randbezirken unter den Marktbedingungen nach COVID-19 allmählich obsolet werden könnten.

Einzelhandelsimmobilien: Gemischte Aussichten für den Sektor

Laut Daten von Monitoring Consumption Switzerland hielten sich die negativen Auswirkungen der Omikron-Welle auf den Umsatz der Schweizer Offline-Händler in Grenzen. Natürlich wurde ein Teil des Wachstums im Zusammenhang mit der Weihnachtszeit und den Neujahrseinkäufen vom E-Commerce absorbiert. Der stationäre Handel zeigte sich jedoch im Vergleich zu früheren COVID-19-Wellen widerstandsfähiger. Die jüngste Aufhebung der meisten pandemiebedingten Einschränkungen dürfte den Weg für eine nachhaltige Erholung der Aktivitäten im physischen Einzelhandel 2022 ebnen.

Mittel- bis langfristig bleiben die Aussichten für den Sektor jedoch gedämpft. Wir erwarten, dass die langfristige Ausbreitung des E-Commerce den Offline-Einzelhandel auch in Zukunft belasten wird. Trotz dieses negativen Makro-Trends dürften sich einige Teilsektoren des Marktes für Einzelhandelsimmobilien aber positiv entwickeln. Dies gilt zum Beispiel für Lebensmitteleinzelhändler, die von der Konkurrenz des Onlinehandels nur wenig betroffen sind, sowie für Objekte an sehr guten Einzelhandelslagen. Nach Angaben von Wüest Partner haben sich die Angebotsmieten für erstklassige Einzelhandelsimmobilien in den Märkten Zürich und Genf im Jahr 2021 mit einem Anstieg von 13% beziehungsweise 8% gegenüber dem Vorjahr sehr positiv entwickelt.

Allgemeiner Renditeausblick weitgehend unverändert

Im Vergleich zu unserer letzten Publikation vom September 2021 haben die jüngsten Entwicklungen an den Nutzer- und Anlagemärkten keine wesentliche Revision unserer Prognose zur Gesamtrendite einer gemischten Investition in Schweizer Immobiliendirektanlagen ausgelöst. Für den Drei-Jahres- Zeitraum von 2022 bis 2024 erwarten wir weiterhin eine durchschnittliche Gesamtrendite von 4,0% p.a. auf Objektebene (das heisst ohne Fremdfinanzierung und Fondsstrukturkosten). Der einsetzende Anstieg des Zinsniveaus dürfte das Kapitalwertwachstum am Rande des fünfjährigen Prognosehorizonts belasten. Ferner gehen wir davon aus, dass robuste Einkommensrenditen längerfristig der Haupttreiber für die künftige Performance von Immobilienanlagen sein werden.

Mehrfamilienhäusersektor als kurzfristiger Outperformer

Die Nachfrage der Investoren nach Mehrfamilienhäusern in der Schweiz ist nach wie vor dynamisch und sorgt für eine fortgesetzte Kompression der Anfangsrenditen in diesem Sektor. Dies führt in der Regel zu einer erheblichen Diskrepanz zwischen der Höhe der Diskontsätze bei den Bewertungen von Bestandsimmobilien und den niedrigeren Renditen, die am Transaktionsmarkt zu beobachten sind. Daher erwarten wir für den Mietwohnungssektor in naher Zukunft einen weiteren Kapitalwertzuwachs, der durch die Anpassung der Diskontsätze bei Objektbewertungen bedingt ist. Wir gehen davon aus, dass dies in den nächsten Jahren zu einer Überperformance des Mehrfamilienhäusersektors führen wird, mit einer erwarteten Gesamtrendite von durchschnittlich 4,4% p.a. im Zeitraum von 2022 bis 2024. Zudem können die Prognosen mit gewissen Aufwärtsrisiken verbunden sein, je nachdem, wie hoch das Mietwachstum in diesem Sektor in den kommenden Jahren ausfallen wird.

Investitionen in kommerzielle Immobilien: Einzelne Objekte dürften vom Sektorendurchschnitt abweichen Insgesamt erwarten wir von einer Investition im Schweizer Bürosektor eine Gesamtrendite von 3,6% p.a. im Zeitraum von 2022 bis 2024. Die Wertentwicklung einzelner Büroimmobilien dürfte jedoch stark um den Sektorendurchschnitt schwanken. Wir erwarten, dass sich moderne Büroobjekte an starken Geschäftsstandorten in den kommenden Jahren recht gut entwickeln werden, während in Randlagen und bei älteren Büroprojekten erhebliche Wertkorrekturen wahrscheinlich sind.

Der Renditeausblick für Schweizer Einzelhandelsimmobilien weisen einige Ähnlichkeiten mit unserer Einschätzung des Bürosektors auf. Im Durchschnitt dürfte der Sektor in den nächsten drei Jahren unterdurchschnittlich abschneiden, mit einer erwarteten Gesamtrendite von 3,7% p.a. im Zeitraum von 2022 bis 2024. Mehrere Teilsektoren des Verkaufsflächenmarktes dürften jedoch aufgrund der starken Nachfrage von Investoren und Nutzern den Sektorendurchschnitt übertreffen, zum Beispiel Läden mit Schwerpunkt auf Lebensmitteln und Convenience-Shopping sowie Objekte an erstklassigen Einzelhandelslagen.