Im Bereich Risk Management bestehen in der Immobilienwirtschaft aktuell grosse Herausforderungen, sagt Adrian Murer, CEO der SFP Gruppe. Neben den physischen Risiken dürften die transitorischen Risiken in Bezug auf den Klimawandel gravierendere Folgen haben. Diese seien aber nur schwer abschätzbar.

Das Thema Nachhaltigkeit wird heute von den meisten Immobilienfondsanbietern berücksichtigt. Wie unterscheidet sich der Ansatz der SFP Gruppe von der Konkurrenz?

Adrian Murer: Bei der SFP Gruppe kommen neben den Direkten Immobilienanlagen auch die Geschäftsbereiche Indirekte Immobilienanlagen und Corporate Finance & Banking dazu. Die Herausforderung ist für uns, einen nachhaltigen Ansatz über die gesamte Gruppe hinweg zu pflegen. Dabei sind die Anforderungen und Herangehensweisen in den Bereichen unterschiedlich. Im Bereich Direkte Immobilienanlagen beschäftigen wir uns zum Beispiel mit Fragestellungen rund um die Energieeffizienz der Gebäude, Verwendung von nachhaltigen Baumaterialien und Mieterzufriedenheit. Bei unseren Indirekten Immobilienanlagen verfolgen wir mehrheitlich den Engagement-Ansatz und führen bezüglich Nachhaltigkeit regelmässig einen vertieften Dialog mit den einzelnen Managern.

Welche Schwerpunkte haben Sie im vergangenen Geschäftsjahr im Bereich Nachhaltigkeit gesetzt?

Wir haben den ersten UNPRI Report im Frühjahr 2021 eingereicht. Zudem publizierten wir am 28. September 2021 den zweiten ESG-Bericht, inklusive GRI Materiality Disclosures Service. Bei den Direkten Immobilienanlagen starteten wir Ende 2020 mit der Datenerhebung (Wärmeverbrauch, Allgemein-Stromverbrauch), haben die CO2-Absenkpfade pro Anlagegefäss in Zusammenarbeit mit einem externen Berater erarbeitet und sind dabei, für die fünf Gefässe eine Nachhaltigkeits-Strategie zu definieren. Im Bereich Indirekte Immobilienanlagen verfolgen wir seit Ende 2019 einen Engagement-Ansatz und sind seit Mai 2021 GRESB Investor Member für die Anlagestiftung SFP AST Global Core Property. Gruppenweit haben wir eine Mitarbeiterumfrage im März 2021 durchgeführt. Seit August 2021 ist Swiss Finance & Property Group AG Mitglied bei Swiss Sustainable Finance.

Wie wirkt sich das GRESB-Assessment im Portfoliomanagement aus?

Wir werden dieses Jahr das erste Mal die Erfassung nach GRESB vornehmen, das heisst, wir sind noch in der «Grace Period». Eine der Herausforderungen für die Portfolio- und Asset Manager ist, valide Daten in Zusammenarbeit mit den Bewirtschaftern zu erhalten. Es gilt, die Erfolge permanent zu überprüfen.

Wie begegnen Sie den damit verbundenen Herausforderungen der kommenden Jahre?

Um der Komplexität des Themas gerecht zu werden und die Herausforderungen proaktiv anzugehen, haben wir im Bereich Nachhaltigkeit personell aufgestockt. Nun haben wir in jedem unserer Geschäftsbereiche eine für ESG-Themen verantwortliche Person. Zusätzlich befasst sich ein interner Experteschwerpunktmässig mit dem Thema «ESG-Daten-Management». Unsere ESG-Managerin kümmert sich um die Koordination und gruppenweite ESG-Themen.

Wie sieht es im Risk Management aus?

Wir sehen insbesondere im Bereich Risk Management aktuell eine Herausforderung. Neben den physischen Risiken dürften die transitorischen Risiken in Bezug auf den Klimawandel gravierendere Folgen haben. Diese sind aber nur schwer abschätzbar. Wir sind gefordert, auf diversen Ebenen die Entwicklung zu verfolgen.

Wie wirkt sich die EU-Taxonomie auf die Schweiz aus?

Es zeichnet sich ab, dass die EU-Regulierungen derzeit strenger sind als die Vorgaben, die wir in der Schweiz haben. Die Schweiz wird aller Voraussicht nach nachziehen. Für den Vertrieb der Produkte im Ausland sind jedoch in jedem Fall die EU-Vorgaben einzuhalten. Es gibt weiterhin gewisse Unsicherheiten betreffend SFDR (insbesondere Unterscheidungen zwischen Art. 8 und Art. 9) oder auch der Antrag an die EU-Kommission, ob die Energieerzeugnisse aus Kernkraft- und Gaswerken als «grüne Energie» gelten werden.

Die EU-Taxonomie, respektive deren Umsetzung in der Schweiz, wird sich zweifellos auf die Handelbarkeit von Immobilien auswirken. Nimmt der Markt bei der Preisfindung diese Entwicklung bereits vorweg?

Der Druck, das Immobilienportfolio möglichst nachhaltig zu gestalten, ist sehr hoch. Investoren scheinen bereit zu sein, für nachhaltige Immobilien einen Aufschlag zu bezahlen. Zudem müssen bei Bestandesbauten die Kosten für zukünftige nachhaltige Sanierungen bei einem Kauf bereits eingepreist werden.

Bei den Neubauten sind die ESG-Kriterien, was das E von ESG betrifft, bereits oft Standard. Wie sieht es aber bei den Immobilien im Bestand aus?

Da die Bestandesimmobilien das Schwergewicht unseres Immobilienportfolios bilden, ist der Umweltaspekt hier besonders wichtig. Wenn wir unsere Objektstrategien erstellen, berücksichtigen wir bei jedem Gebäude die Massnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit in den nächsten Jahren. So achten wir bei Sanierungen beispielsweise auf die Verwendung nachhaltiger Materialien. Der Ersatz von Ölheizungen durch umweltschonende Energieversorgung erfolgt entweder im Rahmen grösserer Sanierungen oder punktuell gemäss den konkreten Strategien pro Liegenschaft.

Arealentwicklungen gehören zu den anspruchsvollsten Disziplinen in der Immobilienwirtschaft. Wie stark gewichten Sie dabei die Aspekte Social und Governance? 

Wir verfolgen auch bei Arealentwicklungen einen gesamtheitlichen Ansatz. Das bedeutet, dass die sozialen und aufsichtsrechtlichen Komponenten ebenso wie die Umwelt-Aspekte berücksichtigt werden. Bei unserer Entwicklung auf dem Walzwerk-Areal in Münchenstein ist es zum Beispiel eines unserer Ziele, den heterogenen und einzigartigen Mietermix, bestehend aus lokalem Gewerbe, Künstlerateliers und Handwerk, zu erhalten und den Mietern gute Konditionen zu bieten. Später werden weitere Nutzungen ergänzt, so dass ein lebendiges Areal mit einer nachhaltigen und durchmischten Mieterstruktur entsteht. Wir legen bei diesem Projekt auch einen hohen Wert auf eine angemessene Governance. Die Arealentwicklung findet in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde und den Behörden statt. Intern ist neben unseren ESG-Experten auch das Risikomanagement eng in das Projekt involviert, um die Einhaltung der Regulatorien engmaschig zu überwachen.

Begriffe

ESG (Environment, Social, Governance) deckt Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales sowie guter Unternehmensführung ab.

GRI Materiality Disclosures Service: Wesentlichkeitsanalyse (Materiality) und Analyse der Stakeholder für das Unternehmen. Stakeholder- und Wesentlichkeitsanalysen sind nach der EU Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und dem Standard der GRI (Global Reporting Initiative) verpflichtend. Das Ziel einer Stakeholderanalyse und der Bestimmung der Wesentlichkeit ist, dass das Unternehmen seine Anstrengungen im Nachhaltigkeitsbereich (ESG) priorisieren und konzentrieren kann.

Die UN Principles for Responsible Investment (UN PRI), deutsch: Prinzipien für verantwortliches Investieren (UNPRI), sind eine 2006 gegründete und von den Vereinigten Nationen unterstützte Investoreninitiative. Sie bezieht sich auf sechs Prinzipien für verantwortungsvolle Investments. Die Initiative fördert das Verständnis bei Investoren für die Auswirkungen der Nachhaltigkeit und deren Umsetzung.

GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark) ist das führende Bewertungssystem zur Messung der Nachhaltigkeitsperformance von Immobilienunternehmen und Immobilienfonds. In der Gewichtung von sieben unterschiedlichen Aspekten entsteht der sogenannte GRESB Score, der wesentlich zur Transparenz der Immobilienwirtschaft in Nachhaltigkeitsfragen beiträgt. Der Aufwand für das GRESB-Rating ist relativ hoch. Dem steht gegenüber, dass die Nachhaltigkeit des Portfolios transparent und das Portfolio damit aus Investorenperspektive zukunftsfähig wird.

Die SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) sieht neue Transparenzpflichten im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Website-Offenlegungen, vorvertragliche Offenlegungen) und regelmässige Berichtspflichten für Wertpapierfirmen sowohl auf Produkt- als auch auf Unternehmens-/Manager-Ebene vor. Die SFDR wurde von der Europäischen Kommission verabschiedet und trat im März 2021 in Kraft. Die Verordnung verlangt Offenlegungspflichten für Asset Manager, Versicherungen und Banken mit Portfolioverwaltung. Die Angaben sind sowohl auf der Internetseite, in vorvertraglichen Dokumenten sowie im regelmässigen Reporting zu machen.