Die Anzeichen mehren sich, dass die COVID-19-Pandemie die räumliche Entwicklung der Schweiz nachhaltig prägt. Die Aufweichung der Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort regt zu einer Neubeurteilung der Wohnsituation an, verändert die Prioritäten und vergrössert den Suchradius von Wohnungssuchenden. Das geht aus der neusten Immobilienstudie der Credit Suisse hervor. Angeheizt wurde der Zweitwohnungsbau.

Verschiedene Immobilienmarktindikatoren wie Suchabonnemente, Leerstände und Insertionszeiten bestätigen eine Nachfrageverlagerung hin zu weniger zentralen Standorten und grösseren Wohnungen. Namentlich die Städte verlieren aufgrund veränderter Gewohnheiten an Anziehungskraft. Nach 2020 verzeichneten die Grossstädte 2021 erneut ein Nullwachstum bei der Bevölkerung. Zwar profitieren die Zentren nach wie vor von der internationalen Zuwanderung, doch die Binnenabwanderung aus den Zentren akzentuiert sich. Diese hat sich bereits im Jahr 2020 gegenüber dem Niveau der Vorjahre in etwa verdoppelt und letztes Jahr nochmals zugelegt. Von der höheren Binnenabwanderung aus den fünf Schweizer Grossstädten profitieren in erster Linie die Agglomerationsgemeinden der Gross- und Mittelzentren (im Bild oben ein Bauprojekt in Sursee) sowie ländliche Gemeinden im Einzugsgebiet der Agglomerationen. Infolge dieser Entwicklung dürfte die Kluft zwischen Stadt und Land auf dem Immobilienmarkt künftig etwas kleiner werden. Ob sich daraus bereits das Ende des Urbanisierungstrends ableiten lässt, wagen die Immobilienökonomen der Credit Suisse indessen zu bezweifeln. Der Urbanisierungstrend dürfte jedoch längerfristig gebremst werden, was eine willkommene Entspannung in den Grosszentren ermöglicht.

Hoher Preisdruck im Eigenheimmarkt

Wohneigentum steht weiterhin hoch im Kurs. Die Nachfrage scheint sich dauerhaft auf einem höheren Niveau als vor der Pandemie einzupendeln. Gesucht werden insbesondere mittlere und grosse Eigentumsobjekte. Neben den tiefen Hypothekarzinsen beflügeln auch der Homeoffice-Trend sowie die Negativzinsen den Kauf von Wohneigentum. Von der Angebotsseite kommt derweil keine Entlastung: Der Markt bleibt ausserordentlich ausgetrocknet, da der Neubau von Wohneigentum seinen Sinkflug fortsetzt und mittlerweile nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Einzig bei den Einfamilienhäusern dürfte in den nächsten Quartalen etwas mehr gebaut werden. Die Angebotsziffern, die seit Ende 2019 bei Wohneigentum um rund einen Drittel gefallen sind, machen das knappe Angebot sichtbar. Die Leerstände dürften folglich auch im laufenden Jahr weiter abnehmen, und das Preiswachstum, das auf ein 10-Jahreshoch geklettert ist, dürfte sich fortsetzen. Die starken Preisanstiege machen Wohneigentum zu einem unerreichbaren Luxusgut für immer mehr Haushalte, obwohl Kaufen nach wie vor günstiger wäre als Mieten. Der Anteil der für einen Haushalt mit mittlerem Einkommen noch tragbaren Eigentumsobjekte ist folglich innert Jahresfrist von 34 % auf 31 % aller auf Onlineportalen ausgeschriebenen Objekte gesunken. Da die Tragbarkeit in immer mehr Regionen zum Problem wird, suchen die Haushalte noch stärker als zuvor in peripheren Regionen nach Wohneigentum.

Die Pandemie hat den Zweitwohnungsmarkt wachgeküsst

Der Zweitwohnungsmarkt ist aus dem Dornröschenschlaf erwacht: Nach Jahren stagnierender beziehungsweise rückläufiger Preise zeichnet sich derzeit ein fulminanter Preisschub ab. Dieser wird getrieben von der merklich höheren Nachfrage nach Ferienwohnungen. In den letzten beiden Jahren haben viele Schweizer die Schönheiten der hiesigen Feriendestinationen (wieder) entdeckt. Der Erwerb einer eigenen Ferienwohnung wird zudem von Homeoffice-Arbeitsmodellen beflügelt, die sich gut mit Zweitwohnungen kombinieren lassen, sowie vom Druck der Negativzinsen auf Sparguthaben. Dem starken Nachfrageanstieg seit Beginn der Coronakrise steht derweil ein deutlich gesunkenes Angebot gegenüber – eine Spätfolge der Annahme der Zweitwohnungsinitiative. Das online ausgeschriebene Wohnungsangebot in touristischen Gemeinden hat sich seit 2018/2019 beinahe halbiert. Die fehlende Neubautätigkeit dürfte den Zweitwohnungsmarkt auch in den kommenden Jahren prägen. Eine zunehmende Verknappung ist daher vorprogrammiert. Die Immobilienökonomen der Credit Suisse gehen von einem anhaltend hohen Interesse an Zweitwohnungen aus und rechnen daher mit weiterhin kräftig steigenden Preisen, die das schweizweite Wachstum der Wohneigentumspreise überflügeln dürften.

Zehn Jahre Zweitwohnungsinitiative

Vor zehn Jahren, im März 2012, wurde die Zweitwohnungsinitiative von der Schweizer Stimmbevölkerung knapp angenommen. Dies stellte die Immobilienmärkte im Schweizer Alpenbogen über Nacht auf den Kopf: In Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 % durften keine neuen Zweitwohnungen mehr erstellt werden. Was waren die Folgen? Die kausalen Effekte lassen sich mittels Bildung einer synthetischen Kontrollgruppe nachvollziehen. Für die Studie wurde für jede Zweitwohnungsgemeinde eine in Bezug auf immobilienmarktrelevante Charakteristika möglichst identische Zwillingsgemeinde aus nicht betroffenen Gemeinden statistisch konstruiert. Ab 2014 entwickelten sich demnach die Eigentumspreise in den betroffenen Gemeinden markant schwächer als in den Kontrollgemeinden. Im Durchschnitt lagen die Preise in den Zweitwohnungsgemeinden in den Jahren 2014 bis 2019 um rund 16 % tiefer. Für den relativen Preiseinbruch lassen sich vor allem drei Ursachen identifizieren: die Flut an Last-Minute-Bauvorhaben, die in ein Überangebot auf dem alpinen Zweitwohnungsmarkt mündeten, die rechtliche Unsicherheit bis zur Verabschiedung des Zweitwohnungsgesetzes im Jahr 2015 sowie die schwierige wirtschaftliche Situation aufgrund der unweigerlichen Umsatzeinbrüche im Bausektor, welche die lokale Nachfrage nach Wohnungen dämpften.

Der Mietwohnungsmarkt kriegt die Kurve

Dank einer anhaltend starken Nettozuwanderung und einer kräftigen Konjunkturerholung dürften Vermieter auch 2022 von einer regen Nachfrage profitieren. In der Vergangenheit konzentrierte sich die Zuwanderung aus dem Ausland stark auf die Grosszentren und deren Agglomerationsgemeinden. Neuerdings zeigt sich indessen bei den internationalen Wanderungsströmen eine ähnliche Tendenz wie bei den Binnenwanderungen. Zwar bleiben die Zentren das Hauptziel der Zuzüger, jedoch verteilen sich diese etwas gleichmässiger über das Land. Zur robusten Nachfrage tragen auch Seniorenhaushalte bei, die länger in ihren Wohnungen verbleiben und den Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim möglichst lange hinausschieben. Angebotsseitig ist die Projektierung neuer Mietwohnungen seit Jahren rückläufig. Offensichtlich beginnt sich die revidierte Raumplanung in einem wachsenden Mangel an Bauland niederzuschlagen, da die Verdichtung nicht wunschgemäss die geringere Einzonung von Bauland kompensieren kann. Die sinkende Bautätigkeit und eine von COVID-19-Effekten gestärkte Nachfrage leiteten 2021 eine Trendwende auf dem Mietwohnungsmarkt ein, die sich in sinkenden Leerständen und kürzeren Vermarktungszeiten äussert. Solange die Verdichtungsproblematik nicht politisch gelöst wird, rechnen die Immobilienökonomen der Credit Suisse mit einem fortgesetzten Abbau der Leerstände und einem künftig stärkeren Mietpreisdruck nach oben.